Linker Bruderkampf im Saarland: Lafo gegen Heiko

Im Saarland kennen sich die SPD und Linke gut, - sehr gut . Sie bekämpfen sich deshalb erbitterter als anderswo. Dabei brauchen sie einander.

Lafontaine und Maas unter dem Schriftzug "Wir". Bild: dpa

SAARBRÜCKEN taz Rolf Linsler ist grenzgängerischer Saarländer aus Passion. Der 1942 in Gersweiler geborene Chef der Linken an der Saar verbringt seinen Jahresurlaub am liebsten in der Bretagne. Auch dem saarländischen Motto "Hauptsach gud gess!" huldigt er gern auswärts. Weit muss er zu seinem Leibgericht, den Froschschenkeln mit Olivenöl, Knoblauch und Petersilie, nicht fahren. Das Restaurant Woll mit dem mediterranen Weingarten liegt auf einem Hügel gleich hinter der Stadtgrenze von Saarbrücken, gehört aber schon zum französischen Departement Moselle.

Im Herbst 2009 finden im Saarland Landtagswahlen statt. Laut der letzten, im März von Emnid veröffentlichten Umfrage liegt die CDU derzeit bei 40 Prozent. Die SPD käme auf 25, die Linke auf 19, die Grünen auf 7 und die FDP auf 8 Prozent der Wählerstimmen.

Die Ergebnisse einer Umfrage vom Juni, die die Landesregierung bei Infratest dimap in Auftrag gegeben hat, werden in der Staatskanzlei unter Verschluss gehalten. Bestätigt wird nur ihre Existenz. Den von der Saarbrücker Zeitung dennoch veröffentlichten Zahlen hat die Regierung Müller aber bis heute nicht widersprochen: CDU 43 Prozent, SPD 26, Linke 19, Grüne 3, FDP 3. Also eine knappe Mehrheit für Rot-Rot.

Im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 und in den beiden Weltkriegen war der Hügel ein Kriegsschauplatz. "Nach all dem Wahnsinn", erzählt Linsler, habe dann Herbert Wehner im Woll eine "historische Rede" für den Anschluss des Saarlandes an Deutschland gehalten. Danach sei das Gasthaus zum Stammlokal der SPD an der Saar avanciert - und es bis 2004 auch gewesen.

Gewesen? "Ja, gewesen." Weil Oskar Lafontaine, "der nach dem Krieg wohl bekannteste und erfolgreichste sozialdemokratische Politiker an der Saar", auch nach seinem Wechsel zur WASG weiter beim Woll ein- und ausgegangen sei, hätten sich viele Sozialdemokraten provoziert gefühlt und würden seither das Lokal meiden. Linsler bedauert das. Schließlich war er selbst 35 Jahre lang Mitglied der SPD. "Ich kann da noch mit jedem reden", sagt der ehemalige Landesvorsitzende der Gewerkschaft Ver.di, der vor einem Jahr das Parteibuch wechselte.

Aber nicht jeder Sozialdemokrat will noch mit ihm reden; insbesondere Landesvorsitzender Heiko Maas nicht. Linslers Übertritt hat den Genossen um Maas richtig wehgetan. Und der Schmerz sitzt tief. Die Saar-Linke ist zu fast 100 Prozent Fleisch vom Fleisch der Sozialdemokratie. Maas war Lafontaines Ziehkind; jetzt sind sie verfeindete Konkurrenten im Kampf um die Gunst der Saarländer, die von Gegenwartssorgen und Zukunftsängsten gleichermaßen geplagt werden.

Dabei brauchen beide Parteien einander. Nur in einem Regierungsbündnis mit der Linken hat Maas überhaupt eine Chance, die Union des populären Peter Müller auf die Oppositionsbänke zu verweisen und selbst Ministerpräsident zu werden. Lafontaines Stellvertreter will Maas aber nicht werden. Die Linke akzeptiert er nur als Juniorpartner.

Und wenn Lafontaine am Ende doch vorne liegen sollten? Einen Notfallplan für diese Konstellation hat die SPD nicht, jedenfalls noch nicht. Macht Maas dann Platz etwa für den Bundestagsabgeordneten Ottmar Schreiner, der Arbeits- und Sozialminister werden möchte? Oder kommt dann eine große Koalition? Über solche Fragen aber spricht man nicht bei den Sozialdemokraten.

Maas ist also dazu gezwungen, sich im Wahlkampf sowohl mit der Linken auseinanderzusetzen als auch mit der CDU, die für Maas nach wie vor der Hauptgegner ist. Wenn die SPD vor der Linken bleibt, ist er Lafontaine los. Der würde nämlich nur als Ministerpräsident an die Saar zurückkehren; andernfalls bleibt er in Berlin. Auf dem Landesparteitag der Linken am 9. August wird Lafontaine zum Spitzenkandidaten gewählt werden. Weitere Listenplätze werden zunächst nicht besetzt; man will öffentlichen Streit vermeiden. Der Erfolg fordert seinen Tribut. Das Gerangel um die aussichtsreichsten Plätze ist groß. Parteichef Linsler soll Fraktionsvorsitzender werden. Und die von den Grünen zur Linken konvertierte Landtagsabgeordnete Barbara Spaniol ist gesetzt. Auch die zwei Bundestagsabgeordneten der saarländischen Linken zieht es zurück in die Heimat. Linsler glaubt, dass acht Sitze für die Linke "sicher drin" seien. Dass er keine Parlamentserfahrung hat, sieht der gelernte Feinmechaniker und Gewerkschafter nicht als Nachteil: "Dafür habe ich Lebenserfahrung satt!"

Aggressiv wirbt die Linke um neue Mitglieder und Wähler. Im Juni waren auf einen Schlag über 200 Busfahrer der Saarbahn GmbH, darunter knapp 30 frühere SPD-Mitglieder, aus Protest speziell gegen Privatisierungspläne in ihrem Unternehmen und allgemein "wegen der Agenda 2010" in die Linke eingetreten. Und natürlich "auch ein bisschen wegen Oskar". Selbst die NPD, die gehofft hatte, diesmal in die Landtag einzuziehen, fürchtet inzwischen den Lafontaine-Effekt: Der sei ein "machtbesessener Exzentriker, der Politik nicht für die Bürger, sondern nur für sein Ego macht", schäumte NPD-Chef Frank Franz kürzlich. "Wir halten die Nazis klein", hieß es darauf mit einer gewissen Genugtuung aus der Linken.

Geht man vom letzten Saarlandtrend aus, könnten sich ganz am Ende beide linken Parteien verrechnet haben; schließlich wird das linke Lager nicht größer, wenn sich SPD und Linke gegenseitig die Wähler abjagen. Falls zudem FDP und Grüne beim Kampf der drei Großen zerrieben werden - wie viele Beobachter glauben und was auch angesichts ihres wenig überzeugenden Personals durchaus möglich ist - könnten die CDU den Sieg davontragen.

"Als wir mit Dany nach Forbach zogen, ja, da hatten wir Blumen im Haar", sang Franz-Josef Degenhardt 1968. Rolf Linsler war dabei als Dany "le Rouge" Cohn-Bendit dort am Schlagbaum rüttelte und vergeblich "Einlass" begehrte, nachdem ihn die französische Regierung wegen umstürzlerischer Umtriebe des Landes verwiesen hatte. Eine "schöne Gaudi" sei das gewesen, erinnert sich Linsler und bestellt noch einen Pinot gris. Es ist Mittag. Und es ist heiß beim Woll an diesem Tag Ende Juli. Das Leben kann so schön sein - jenseits des Saarlandes.

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