Linksfraktion grenzt Journalisten aus: Zu kritisch für Wagenknartsch

Weil seine Berichte der Fraktionsführung nicht passen, wird ein „Tagesspiegel“-Journalist nicht mehr eingeladen. Andere Linken-Politiker solidarisieren sich.

Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch stehen unter einem Schirm

Keine großen Fans eines kritischen Journalismus? Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch Foto: dpa

BERLIN taz | Ein wenig Herzklopfen habe er jetzt schon, sagt Matthias Meisner. Der Tagesspiegel-Journalist steht am Montagabend vor dem Stadtbad Oderberger Straße in Berlin Prenzlauer Berg. Hier hat die Fraktion der Linkspartei im Bundestag zum alljährlichen Neujahrsempfang geladen. Meisner hat in diesem Jahr zum ersten Mal keine Einladung erhalten. Er will dennoch rein. Mal sehen, was passiert.

Seit dem Jahr 1999 berichtet Meisner für den Tagesspiegel über die Partei, die damals noch PDS hieß. Er ist ein ausgewiesener Kenner der Linken, einer der erfahrensten unter den HauptstadtjournalistInnen. Bestens verdrahtet hat er die Partei über Jahre durch dick und dünn begleitet, immer mit der gebotenen kritischen Distanz.

Zuletzt legte der Tagesspiegel, wie andere Medien auch, die innerparteilichen Konflikte in der Linkspartei offen, berichtete über die feindselige Atmosphäre zwischen den Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch einerseits sowie Katja Kipping und Bernd Riexinger andererseits und über Auswüchse dieser Animositäten.

So berichtete Meisner etwa im November über den Hang zu autoritären Denkmustern in Teilen der Linkspartei, die im geplanten und umstrittenen Jahresauftakt der Fraktion für die Parteimitglieder Mitte Januar eine Bühne fanden. Zu diesem hatten Wagenknecht-Vertraute zwar den französischen Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon eingeladen, Linken-Idol Gregor Gysi, der gerade Präsident der Europäischen Linken ist, zunächst aber nicht.

Im Januar erschien ein Bericht von Meisner, der den „Nelkenkrieg“ in der Fraktion thematisiert und die fragwürdige Rolle des Co-Vorsitzenden Dietmar Bartsch, der nur mit Hilfe Wagenknechts Fraktionschef bleiben könne.

Aus dem Presseverteiler geschmissen

Die Konsequenz: Meisner flog aus allen Presseverteilern der Fraktion, seit einigen Wochen erhält er keine Einladungen mehr zu Hintergrundgesprächen und offiziellen Empfängen. Am Montag machte Meisner seine neue Rolle als Outlaw öffentlich: „Heute findet der Neujahrsempfang der @Linksfraktion im Bundestag statt. Ich bin nicht eingeladen, nach angeblich zu unfreundlichen Berichten über @SWagenknecht & Co“ schrieb er auf Twitter. Und fragte: „Ein Versehen? Ich würde das gern glauben. Oder gibt es doch einen neuen Umgang mit kritischer Presse?“

Zahlreiche Linken-Politiker solidarisierten sich daraufhin mit Meisner. Darunter Thüringens Fraktionschefin Susanne Hennig-Wellsow und Berlins Kultursenator Klaus Lederer. „Ich hoffe immer noch, dass die @Linksfraktion solches nicht praktiziert. Sowas überlassen wir lieber #Trump und der #AfD“, twitterte Lederer.

Auch im Fraktionsvorstand war die Causa Meisner am Montag Thema. Wie aus Vorstandskreisen verlautete, hätten die beiden Vorsitzenden Bartsch und Wagenknecht die Ächtung Meisners verteidigt. Das sei schon in Ordnung, Meisner hätte angeblich immer wieder unwahre Behauptungen aufgestellt. Der Einwand, dass Meisner ja auch kritisch über die Parteivorsitzenden berichte, also nach allen Seiten austeile, habe man nicht gelten lassen.

Als Meisner am Montagabend schließlich das Stadtbad in Begleitung anderer JournalistInnen betritt, gibt es dann doch keine Probleme. Kritiker der Fraktionsführung haben neben dem Eingang extra einen Genossen platziert, der eingreifen soll, falls es Stress gibt. Doch der bleibt aus. Parteichefin Katja Kipping begrüßt Meisner fast überschwänglich, Fraktionsvize Caren Lay drückt seinen Arm.

Der Sprecher der beiden Fraktionsvorsitzenden, Michael Schlick, der auch die Pressearbeit koordiniert, wiegelt dagegen ab: Dass Meisner keine Einladung erhalten habe, wolle er nicht kommentieren, sagte Schlick der taz. Der Abend sei schön, er fühle sich gerade so wohl.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.