Listenaufstellung bei den Grünen: Klares Votum für die „letzte Linke“

Bei der Nominierung des Spitzenpersonals der Grünen erzielt Spitzenduo Fegebank/ Kerstan passable Ergebnisse. Innenpolitikerin Antje Möller musste lange bangen.

Antje Möller will Flüchtlingspolitik ganz oben auf die Prioritätenliste setzen. Bild: dpa

Es war der Moment der großen Geste, als Eva Gümbel vor den rund 200 Mitgliedern der grünen Vollversammlung verkündete, ihre Kandidatur um Platz drei der Landesliste zurückzuziehen – fast ganz am Ende ihrer fünfminütigen Rede. „Zugunsten von Antje und Mareike“, erklärte die grüne Hochschulpolitikerin unter Applaus, „denn wir brauchen diese beiden profilierten Frauen in der Bürgerschaft.“

Mit diesen Worten entschärfte Gümbel den einzigen Konflikt, der die Kandidatenaufstellung der Grünen für die kommende Bürgerschaftswahl zu überschatten drohte – die Ausbootung der Veteranin Antje Möller (57). Seit 1993 für die Grünen in der Bürgerschaft, ist sie für viele „die letzte engagierte Linke“ in der Rathausfraktion.

Als Antje Möller anschließend zum Rednerpult schritt, bedachte sie ihre Abgeordnetenkollegin mit den Worten „Hut ab“ und einem freundlichen Schulterklopfer. Möller war zuvor in ihrem Eimsbütteler Wahlkreis gegen die 26 Jahre jüngere Anna Galina ausgetauscht worden. Ein vorderer Listenplatz blieb ihre einzige Chance, ihre Arbeit in der Bürgerschaft als Streiterin für Bürgerrechte und als Polizeikritikerin fortzusetzen.

Platz eins war für die Spitzenkandidatin Katharina Fegebank reserviert, für Platz fünf kandidierte mit Mareike Engels (26) ein eher dem linken Flügel zuzuordnendes Politiktalent der Grünen Jugend, gegen das Möller nur ungern in Konkurrenz treten wollte. Da die geraden Listenplätze unter den männlichen Platzhirschen der Partei aufgeteilt worden waren, blieb Möller nur Platz drei, um eine Chance zu haben, über die Landesliste doch noch erneut auf die Abgeordnetenbank zu rutschen.

Doch hier wartete mit der ebenfalls langjährigen Bürgerschaftsabgeordneten Eva Gümbel starke Konkurrenz. Die Wahl für Platz drei – sie drohte zum Richtungsentscheid der Hamburger Grünen zu werden. Sichtlich gerührt von der Geste Gümbels, die über ihren Wahlkreis im Hamburger Norden vermutlich ebenfalls erneut ins Parlament einzieht, warb Möller vor den knapp 200 anwesenden Parteimitgliedern dafür, auch durch ihre Person „Flüchtlingspolitik ganz oben auf die Prioritätenliste“ zu setzen. „Ich freue mich, wenn ihr mich noch einmal in den Ring schickt“, beendete Möller ihre Rede und wurde wenige Minuten später nominiert. Mit 124 zu 54 Stimmen schlug sie eine wenig profilierte Gegenkandidatin aus dem Feld – frenetischer Jubel brandete im Wilhelmsburger Bürgerhaus auf, in dem die Versammlung stattfand.

Gedämpfter war zuvor der Applaus für das bereits gekürte Spitzenduo Katharina Fegebank und Jens Kerstan ausgefallen, das erwartungsgemäß und ohne GegenkandidatInnen mit jeweils knapp 90 Prozent der Stimmen auf die Listenplätze eins und zwei geschickt worden war. „Lasst uns die absolute Mehrheit der SPD brechen“, hatte Fegebank zuvor in einer an Höhepunkten armen Rede gefordert.

Kerstan hatte – etwas schmissiger im Vortrag – die wahlkampfgeeigneten neuen U-Bahn-Pläne der SPD kritisiert: „Der U-Bahn-Ausbau ist das Nessie-Projekt der Hamburger Politik, das in verschiedenen Facetten immer wieder vor der Wahl auftaucht und hinterher wieder verschwindet, ohne Spuren zu hinterlassen.“

Mehr Eindruck hinterließ die Rede von Ex-Justizsenator Till Steffen, der Wochen zuvor knapp gegen Kerstan den Zweikampf um den Männerplatz im Spitzenteam verloren hatte. Er warb für den Bau einer Stadtbahn, die auch viele in der SPD wollten, die Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) aber blockiere. „Mit der SPD und der Stadtbahn ist das wie mit dem Sex und der katholischen Kirche: Alle wollen es, aber der da oben sagt: Ist nicht!“, rief Steffen, der auf Platz vier der Liste landete, und erklärt „König Olaf“ damit kurzerhand zum Papst.

Fegebank, Kerstan und Steffen sind aber – anders als Möller – durch ein Wahlkreismandat abgesichert. Bei der vergangenen Bürgerschaftswahl bekamen die Grünen zwölf ihrer 14 Abgeordneten über Wahlkreise und nur zwei über die Landesliste ins Parlament. Sollte es wieder so kommen, werden dies voraussichtlich Antje Möller und die auf Platz fünf gelandete Mareike Engels sein – sofern das neue Wahlrecht nicht auch diese Reihenfolge neu mischt.

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