Liveticker Katastrophe Japan: Kampf um Fukushima

Der Wettlauf mit der Zeit im AKW Fukushima hält weiter an. 130 Feuerwehrleute haben mit einem weiteren Kühlversuch begonnen. Aus Reaktorblock 2 steigt weiter Rauch auf.

Vor dem Verlassen der 30-Kilometer-Zone wird die radioaktive Verstrahlung geprüft. Bild: dpa

Eine Zusammenfassung der Lage am AKW Fukushima I finden Sie hier.

7.42 Uhr: Wasserwerfereinsatz auch bei Reaktor 1

Die Kühlversuche per Wasserwerfer sollen nun auch auf Reaktor 1 ausgeweitet werden. Zuvor war der Einsatz der Wasserwerfer nur für die Blöcke 3 und 4 geplant gewesen. Um die Situation zu entschärfen war geprüft worden, ob auch Reaktor 1 auf diese Weise gekühlt werden könne. Edano betonte laut NHK, dass die Lage an Reaktor 1 nicht so dramatisch sei wie an den Blöcken 3 und 4. Die Kühlung des Reaktorbehälters in Block 1 könnte aber einer weiteren Krise vorbeugen.

7.31 Uhr: Japan hält Schweigeminute

Auf die Minute genau eine Woche nach dem verheerenden Erdbeben und dem darauffolgenden Tsunami hat Japan der Opfer der Naturkatastrophe gedacht. Im am schwersten betroffenen Nordosten des Landes wurde um 14.26 Uhr (06.46 Uhr MEZ) eine Schweigeminute abgehalten. Der Fernsehsender NHK zeigte Bilder aus einer Notunterkunft in Yamada in der verwüsteten Provinz Iwate, wo sich ältere Überlebende Hand in Hand symbolisch vor den Opfern verbeugten.

6.30 Uhr: IAEA fühlt sich unzureichend informiert

Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Yukiya Amano, hat Japans Ministerpräsidenten Naoto Kan um eine engere Zusammenarbeit gebeten. Zudem forderte Amano nach Angaben der Nachrichtenagentur Kyodo, die internationale Öffentlichkeit besser über die Lage am havarierten Atomkraftwerk Fukushima Eins zu informieren. Kan sicherte dies den Angaben nach bei dem Treffen am Freitagnachmittag (Ortszeit) zu.

6.08 Uhr: Neuer Kühlversuch

130 Feuerwehrleute und Soldaten sind aus Tokio in Fukushima eingetroffen und beginnen mit einem zweiten Kühlversuch. Einsatzfahrzeuge der Armee richten ihre Wasserfontänen auf die strahlenden Reaktoren. Ziel ist zunächst der Block 3 - später soll den Plänen zufolge Block 4 folgen.

5.54 Uhr: Kein Einsatz von Armee-Hubschrauber mehr

Zumindest am Freitag werden die Armee-Helikopter nicht erneut zum Einsatz kommen, um die Reaktoren am Unglücks-Atomkraftwerk zu kühlen. Zunächst sollen Armee und Feuerwehr vom Boden aus mit Wasserwerfern arbeiten, sagte Verteidigungsminister Toshimi Kitazawa. Die Aktion aus der Luft war am Donnerstag sehr heikel, weil die Hubschrauber wegen hoher Radioaktivität nicht über den Ruinen kreisen durften. Sie mussten ihr Wasser im Vorbeifliegen abwerfen, was ein präzises Zielen unmöglich machte. Auch kam es nur zu vier Abwürfen.

Die Hubschrauber fliegen in 90 Meter Höhe über den Reaktor. Aus dieser Höhe ist die Trefferwahrscheinlichkeit noch hoch und die Strahlenbelastung relativ gering. Wegen der starken Radioaktivität dürfen die Piloten nicht über dem Kraftwerk kreisen.

Japanische Soldaten dürfen laut Gesetz einer Strahlenbelastung von höchstens 100 Millisievert pro Stunde ausgesetzt sein. Am Mittwoch durfte nicht geflogen werden, da 250 Millisievert über dem Reaktor gemessen worden waren. Am Donnerstag sank die Belastung auf 87 Millisievert in einer Höhe von 90 Metern.

Jeder Einsatz soll nicht länger als 40 Minuten dauern, damit die Strahlenbelastung für die Einsatzkräfte nicht zu groß wird. Der Boden der Helikopter ist mit einer Bleiplatte verstärkt, um die Besatzung vor der Strahlung zu schützen.

Pro Ladung können 7,5 Tonnen Wasser transportiert werden. Das Kühlbecken eines Reaktors fasst 2000 Tonnen.

Das japanische Militär setzt zwei Transport-Helikopter des Typs Ch-47 Chinook vom US-Hersteller Boeing ein. Die Hubschrauber mit Tandem-Rotor transportieren normalerweise schwere Lasten für Militäreinsätze. Die Maschinen werden auch für Evakuierungen, Brandbekämpfung und Katastrophenhilfe eingesetzt.

5.30 Uhr: Trittin rechnet AKW-Laufzeit bis 2050

Grünen-Bundestagsfraktionschef Jürgen Trittin geht davon aus, dass nach dem jetzigen Atomgesetz einige Kernkraftwerke bis Mitte des Jahrhunderts weiter laufen können. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe mit ihrer Atompolitik die "Garantie zum Weiterbetrieb einer gefährlichen und unbeherrschbaren Technik" gegeben, sagte Trittin der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Kraftwerksbetreiber seien per Gesetz berechtigt, die Laufzeiten älterer Meiler ohne Genehmigung der Atomaufsicht auf jüngere Anlagen zu übertragen. "Am Ende reden wir von Laufzeiten über 2050 hinaus", sagte Trittin.

Der Grünen-Fraktionschef verwies auf das Beispiel der beiden Reaktoren Biblis A und B. Sie gehörten zu jenen sieben Alt-Anlagen, denen die schwarz-gelbe Koalition im vergangenen Herbst acht zusätzliche Laufzeitjahre gewährt habe. Sollten die beiden Blöcke endgültig stillgelegt werden, womit schon am Ende der von Merkel verkündeten dreimonatigen Denkpause zu rechnen sei, könne der Betreiber RWE deren Laufzeit zum Beispiel auf das Kraftwerk Lingen übertragen, das zweitjüngste Deutschlands. Trittin fordert die Bundesregierung erneut dazu auf, die Laufzeitverlängerung komplett zurückzunehmen.

4.13 Uhr: Tepco erhöht Grenzwerte

Der AKW-Betreiber Tepco erhöht den Grenzwert der Strahlenbelastung für die Arbeiter auf 100 Millisievert pro Stunde.

4.09 Uhr: Regierung will Normen drastisch erhöhen

Die Bundesregierung will die Sicherheitsnormen für die deutschen Atomkraftwerke offensichtlich so deutlich erhöhen, dass dies zum Aus für alle Akw führen könnte. Dem ARD-Politikmagazin "Kontraste" liegt ein bislang geheimes Papier des Bundesumweltministeriums vor, das als Grundlage für Entscheidung der Regierung diente, ein Moratorium über die Verlängerung der Restlaufzeit der Atommeiler zu verhängen.

In dem Dokument werde aufgelistet, worauf die Reaktoren in den kommenden drei Monaten überprüft werden sollen. Die Hürden seien nach Angaben aus Betreiberkreisen so hoch, dass ein völliges Ende des deutschen Atomzeitalters eingeläutet werden könnte. Auch neuere Kernkraftwerke dürften angesichts der Nachbesserungen ihre Rentabilität verlieren.

Der neue Katalog fordert den Angaben zufolge unter anderem hochwasser- und erdbebensichere Atomkraftwerke. Alle erdenklichen Nachrüstungsmaßnahmen müssten die Gefahren eines Stromausfalls besser abwenden. Auch Flugzeugabstürze dürfen demnach keine Gefahr mehr darstellen. Notstromdieselaggregate, Rohrleitungen und Notstandssysteme müssten verbunkert werden. "Kontraste" zufolge erfüllt derzeit kein deutsches AKW die neuen Kriterien.

3.50 Uhr: Mehr als 16.600 Tote

Die Behörden haben erneut die Opferzahlen nach oben korrigiert. Mehr als 16.600 Menschen seien tot oder vermisst, teilte die Polizei am Freitag mit. Der Tod von 6.405 Menschen ist demnach bestätigt, von 10.259 Menschen fehlte jede Spur. Die Zahl der Verletzten wurde mit 2.409 angegeben.

Die Vermutung, dass auch die Vermissten tot sind, wird immer mehr zur Gewissheit. Die Helfer haben so gut wie keine Hoffnung mehr, unter den Trümmern noch Überlebende zu finden.

3.36 Uhr: Reaktor 2 raucht

Aus einem der beschädigten Reaktoren im japanischen Atomkraftwerk Fukushima-Daiichi steigt weißer Rauch auf. Ein Sprecher der japanischen Atomaufsichtsbehörde sagte am Freitag, es handele sich um Block 2. Die Ursache sei nicht bekannt.

3.08 Uhr: IAEA ist besorgt

Ein hoher Vertreter der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Graham Andrew, sagte in Wien, die Lage habe sich nicht wesentlich verschlechtert, sei aber weiter "sehr ernst". Brennstäbe in zwei Reaktoren seien nur zur Hälfte mit Wasser bedeckt, in einem dritten nur zu einem Drittel.

2.22 Uhr: Tepco plant Zwei-Fronten-Taktik

Mit einem Kampf an zwei Fronten wollen die Techniker die Kontrolle über die vier beschädigten Reaktoren zurückgewinnen. Einerseits soll an den Blöcken 1 und 2 eine neu verlegte Stromleitung das Kühlsystem wieder zum Laufen bringen. Der Versuch soll einem Sprecher der japanischen Atomsicherheitsbehörde NISA zufolge für die neue Stromanbindung der beiden Blöcke noch am Freitag starten.

An Front Nummer zwei soll bei den Reaktoren 3 und 4 die Kühlung mit Löschhubschraubern und Wasserwerfern weitergehen. "Im Laufe des Tages" werde die bereits am Donnerstag begonnene Aktion wieder anlaufen, sagte der NISA-Sprecher. 130 Feuerwehrleute haben sich auf dem Weg zum Kraftwerk gemacht. In Block 3 ist das hochgefährliche Plutonium enthalten, in Block 4 droht das Abklingbecken voller abgebrannter Brennstäbe zu überhitzen.

1.35 Uhr: G7 stützt Japans Währung

Die Gruppe der sieben wichtigsten Industriestaaten (G-7) hat sich für eine koordinierte Währungsintervention zur Unterstützung der von Erdbeben, Tsunami und Atomkrise angeschlagenen japanischen Wirtschaft ausgesprochen. Nach einer telefonischen Krisensitzung einigten sich die Europäische Zentralbank, die USA, Großbritannien und Kanada, dass sie sich an einer "konzertierten Intervention" auf den Devisenmärkten beteiligen werden.

Japans Notenbank sei bereits aktiv, sagte Japan Finanzminister Yoshihiko Noda. Die anderen Zentralbanken würden handeln sobald ihre Märkte öffneten.

Der Yen war nach dem verheerenden Erdbeben und angesichts der drohenden Atomkatastrophe in Japan auf ein Rekordhoch gestiegen.

1.20 Uhr: Strahlenbelastung sinkt leicht

Das Kühlen des havarierten Atomkraftwerkes Fukushima Eins mit Löschhubschraubern und Wasserwerfern scheint einen minimalen Erfolg gehabt zu haben. Am Donnerstagabend sei die Intensität der radioaktiven Strahlung leicht zurückgegangen, wie der TV-Sender NHK unter Berufung auf den AKW-Betreiber Tepco übereinstimmend berichteten.

Demnach sank die Dosis um 17 Zähler auf 292 Mikrosievert pro Stunde, wie Messungen am Westeingang des AKW ergaben. Dieser Wert bedeutet, dass Menschen am Ort der Messung in gut drei Stunden so viel Strahlung ausgesetzt sind, wie verteilt über die Spanne eines ganzen Jahres in Deutschland als gerade noch verträglich gelten würde. Näher an den Reaktoren ist die Dosis weitaus höher.

Am Freitagmorgen um 5 Uhr ortszeit seien es dann 279 Millisievert pro Stunde gewesen. Ob diese Entwicklung aber tatsächlich auf den Einsatz der Löschhubschrauber und Wasserwerfer zurückzuführen ist oder ob es sich einfach nur um eine natürliche Schwankung handelt, war zunächst nicht bekannt.

0.52 Uhr: Flüchtlinge zittern vor Kälte

Die Lage der nach der Naturkatastrophe obdachlosen Japaner wird angesichts eines Wintereinbruchs immer dramatischer. In Turnhallen ohne Heizung kauern Menschen eng aneinander, um sich gegenseitig Wärme zu spenden, wie der TV-Sender NHK am Freitagmorgen mit Aufnahmen aus dem stark verwüsteten Nordosten zeigte.

Es seien zwar teilweise Öfen und Heizungen vorhanden, aber es mangele meist an Strom und Heizöl für den Betrieb. Es waren zitternde Menschen zu sehen, die Holz oder ähnlichen Brennstoff in Tonnen verfeuerten und sich so wärmten. Japans Wetterbehörde meldete am Freitagmorgen für den Nordosten Temperaturen bei -5 Grad.

Etwa eine halbe Million Menschen soll derzeit obdachlos sein. NHK zufolge sind schon mindestens 25 Flüchtlinge in den Lagern gestorben. Sie seien meist alt und total entkräftet gewesen - womöglich wären sie ohne den Kälteeinbruch noch am Leben. Neben dem Problem mit der Kälte fehle es weiterhin an Trinkwasser und Essen.

0.35 Uhr: Grüne legen 5 Prozent zu

Die Grünen profitieren stimmungsmäßig von der Atomkatastrophe in Japan. Im neuen "Deutschlandtrend" des ARD-Morgenmagazins vom Freitag steigen sie in der Wählergunst um fünf Prozentpunkte und sind nun so stark wie zuletzt im vergangenen Dezember. Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre, würden 20 Prozent den Grünen ihrer Stimme geben.

23:22 Uhr: Kehrtwende in China

Erst am Montag hatte der chinesische Volkskongress einen gigantischen Ausbau der Kernenergie in China beschlossen - trotz Fukushima I. Ein paar Tage später kommt die Kehrtwende: Peking setzte die Genehmigung neuer Kernkraftwerke zunächst aus und will jetzt die Freigabe von weiteren Sicherheitstests abhängig machen. Nicht klar ist, ob auch die 25 derzeit im Bau befindlichen Reaktoren von den Sicherheitsprüfungen betroffen sein werden. In Betrieb befindliche Akw werden nicht abgeschaltet. Jedoch sollen alle laufenden Reaktoren und Reaktorbaustellen auf die Sicherheit hin überprüft werden. Bisher sind 13 Reaktoren mit 10,8 Gigawatt Leistung im Betrieb, 25 im Bau und 50 in Planung.

23:02 Uhr: Strahlenmessungen in den USA

Auch die US-Behörden überprüfen jetzt alle aus Japan einreisenden Personen und sämtliche Fracht besonders gründlich auf eine mögliche Strahlenbelastung hin. Die zuständige Zoll- und Grenzschutzbehörde (CBP) sei in dieser Woche angewiesen worden, Passagieren und Frachteingängen aus Japan besondere Beachtung zu schenken, sagte US-Heimatschutzministerin Janet Napolitano in Washington. Selbst die geringste Menge an Radioaktivität solle erfasst werden.

An einigen Frachtstücken aus Japan wurde Berichten zufolge an mehreren US-Flughäfen - darunter Chicago, Dallas und Seattle - eine Strahlung gemessen, wie die CBP mitteilte. Es habe sich jedoch nicht um gefährliche oder schädliche Dosen gehandelt. Bei Passagieren oder Gepäckstücken sei keine Radioaktivität festgestellt worden.

Quellen: afp, dpa, rtr, dapd, bbc, kyodo, taz

Was in der Nacht zu Donnerstag geschah: Die 50 verbliebenen Einsatzkräfte kämpfen auch weiter mit aller Kraft gegen die drohenden Kernschmelzen in nunmehr fünf Reaktoren. Nun sind auch Armee-Hubschrauber im Einsatz. Mehr in der Nachtzusammenfassung und im Liveticker der vergangenen Nacht.

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