Lob der Margarine: Die Butter kriegt ihr Fett weg

Die Butterpreise explodieren, der Absatz von Margarine steigt. Das ist nicht nur für das Klima und die Tiere eine gute Nachricht.

Ein Messer mit Streichfett auf einer Brotscheibe

Laut den Verkaufszahlen ist Butter beliebter – dabei spricht vieles für die pflanzliche Alternative Foto: Jochen Tack/imago

Margarine hat keinen guten Ruf: Sie ist als Arme-Leute-Streichfett verschrien, angeblich ungesund und geschmacklich unterlegen. Doch angesichts der massiven Preissteigerungen bei Butter greifen immer mehr Menschen in Deutschland zu Pflanzenfett. Der Absatz von Januar bis November 2022 ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 3,7 Prozent gestiegen, so das Marktforschungsunternehmen GfK auf Anfrage der taz. Gleichzeitig sei 9,6 Prozent weniger Butter und Butterschmalz als vor einem Jahr verkauft worden.

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„Bei hohen Butterpreisen wird gerne auf die günstigeren Varianten zurückgegriffen“, schrieb die Firma der taz. GfK wertet jeden Monat die Einkaufsbons Tausender VerbraucherInnen aus. Deutschland isst also weniger Butter. Ist das jetzt gut oder schlecht – und was heißt das für unsere Gesundheit?

Zeit für ein Margarine-Porträt.

Sie schützt das Klima

Die „gute Butter“ kommt bodenständig und natürlich daher. Wie kann schlecht sein, was schon Urgroßmutter sich auf die Stulle schmierte? Was viele nicht ahnen: Das traditionelle Streichfett ist eines der klimaschädlichsten Lebensmittel überhaupt. Ein Kilogramm Butter verursacht in der konventionellen Variante 9 Kilogramm Kohlendioxid-Äquivalente, so eine Studie des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu). Das ist mehr als durch die Produktion von Trinkmilch, Käse oder Schweinefleisch entsteht. Vollfettmargarine dagegen kommt auf nur 2,8 Kilogramm CO2-Äquivalente.

Sie besteht hauptsächlich aus pflanzlichen Ölen wie Raps-, Sonnenblumen- oder Kokosöl. Dabei hat das ifeu auch einkalkuliert, dass zum Beispiel für die Zutat Palmöl Wälder gerodet worden sein könnten, etwa in Indonesien.

Die schlechte Klimabilanz der Butter ist vor allem darauf zurückzuführen, dass für ein Kilogramm des teuren Fetts sage und schreibe 25 Liter frische Milch benötigt werden. Milchkühe stoßen das besonders klimaschädliche Methan aus, wenn sie ihr Futter verdauen. Für Biobutter fällt absurderweise sogar noch mehr Treibhausgas an, weil im Ökolandbau die Erträge pro Tier und Hektar meist niedriger sind und deshalb mehr Böden bewirtschaftet werden müssen. Und das, obwohl Biobauern ihre Kühe üblicherweise auf der Weide und nicht nur im Stall halten.

Sie gefährdet Regenwälder

Margarine soll sich gut streichen lassen. Deshalb enthalten fast alle Produkte Palm-, Kokos- und/oder Sheafette, die bei Zimmertemperatur fest bleiben. Sie alle stammen aus Plantagen in tropischen Ländern. Nicht selten werden für diese Plantagen Wälder zerstört. Das vernichtet Lebensräume für Pflanzen und Tiere und setzt große Mengen Kohlendioxid frei. Für Palmöl soll das Siegel des Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO) verhindern, dass weitere schützenswerte Gebiete gerodet werden. Die Umweltorganisation Greenpeace kritisiert aber, dass solche Zertifizierungssysteme Schwachstellen hätten. Kokos sei zudem kaum zertifiziert.

Ilka Petersen, Landnutzungsreferentin vom WWF, rät dennoch, der schlechten Klimabilanz halber, von Butter ab und empfiehlt als Alternative Biomargarine. Das Ökosiegel gewährleiste, dass sich feststellen lässt, wo die Rohstoffe herkommen. Auch Butter kann übrigens zur Vernichtung von Regenwald oder anderen wertvollen Biotopen beitragen: Denn Milchkühe werden oft mit Soja gefüttert, das auf gerodeten Flächen in tropischen Breiten angebaut wird.

Sie schützt Tiere

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Butter ist kein Fleisch, aber auch für sie leiden und sterben Tiere. Damit Kühe Milch liefern, müssen sie Kälber zur Welt bringen. Ungefähr die Hälfte der Kälber sind männlich, als Milchproduzenten ungeeignet und werden daher nach wenigen Monaten geschlachtet. Die Milchkühe selbst werden geschlachtet, sobald ihre Produktivität zurückgeht.

Margarine dagegen kommt meist ohne tierische Produkte aus. Es ist zwar nach EU-Recht erlaubt, dass Margarine einen geringen Teil tierische Fette enthalten darf, doch laut dem staatlichen Bundeszentrum für Ernährung besteht Margarine heute „normalerweise nur aus pflanzlichen Fetten“.

Sie schont den Geldbeutel

Wer sich für Margarine entscheidet, spart mehr als die Hälfte. Typischerweise rund 3,40 Euro kostet derzeit ein Kilogramm konventionelle Margarine, mit knapp 8 Euro schlägt die gleiche Menge Butter zu Buche. Während der durchschnittliche Butterpreis im November 42 Prozent höher war als ein Jahr zuvor, betrug die Steigerung bei Margarine nur 35 Prozent, so das Statistische Bundesamt.

Sie ist besser als ihr Ruf

Margarineprodukte waren lange berüchtigt für Transfettsäuren, die das ungüns­tige Cholesterin im Blut erhöhen. Das ist vorbei, stellt die Stiftung Warentest fest. „Unser jüngster Test Margarine (test 8/2017) bestätigt, dass Trans­fett­säuren in Margarine heute kaum noch eine Rolle spielen.“ Das liege vor allem an verbesserten Produktionsmethoden.

Heute habe das Streichfett „im Vergleich zu Butter einen höheren Gehalt an ungesättigten Fettsäuren und damit eine bessere Fettsäuren­zusammensetzung“, schreibt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Gemeint sind zum Beispiel Omega-3- und Omega-6-Fett­säuren, die laut Stiftung Warentest nach­weislich positiv auf Blut­hoch­druck, Blut­gerinnung und die Herz­gesundheit wirken. Die DGE empfiehlt deshalb: „Bevorzugen Sie die pflanzlichen Öle und Fette.“

Gruseliges Detail: Alle getesteten Margarinen enthielten die Fett­schad­stoffe Glycidyl-Ester, die bei der Produktion entstehen und das menschliche Erbgut verändern können. Allerdings in sehr geringen Mengen, relativiert die Stiftung. Beunruhigend auch dieses Ergebnis: Die Zeitschrift Öko-Test fand Mineralölbestandteile in Margarine, vermutlich aus Produktion und Verpackung. Allerdings auch in fast allen untersuchten Butterprodukten.

Noch eine gute Nachricht in Sachen Fett: Sowohl Butter als auch Vollfettmargarine liefern viel Energie: mindestens 720 Kilokalorien pro 100 Gramm. Die DGE rät daher, täglich nicht mehr als 15 bis 30 Gramm dieser Streichfette zu essen.

Sie ist gesund

Zwar finden sich in Biomargarine in der Regel keine chemisch-synthetischen Pestizide. Aber in der Untersuchung der Stiftung Warentest von 2017 war die beste Biomargarine nur „befriedigend“ – unter anderem wegen lediglich „ausreichender“ ernährungs­physiologischer Qualität.

Auch in der Öko-Test-Ausgabe vom November 2021 schnitt „Bio“ schlechter ab. Die Fettzusammensetzung war weniger günstig als bei der konventionellen Konkurrenz. Das liegt daran, dass Bio verstärkt auf bei Zimmertemperatur streichfestes Kokos- oder Sheafett setzt. Diese Fette sind aber reich an gesättigten Fettsäuren. Vor allem langkettige gesättigte Fette erhöhen das ungünstige LDL-Cholesterin im Blut.

Immerhin: Selbst die Biomargarinen lagen in puncto Fettqualität vor der Butter. Die fünf getesteten Produkte enthielten „etwa 40 bis 50 Prozent gesättigte Fettsäuren. Das ist immer noch günstiger in der Zusammensetzung als Butter, die typischerweise etwa 60 Prozent gesättigte Fettsäuren enthält“, sagt Katja Tölle, Vize-Chefredakteurin von Öko-Test, der taz.

Sie schmeckt

Gerade wenn Margarine nicht in einem Plastikbehälter, sondern wie Butter in Folie verpackt daherkommt, dürften viele KonsumentInnen den Unterschied gar nicht bemerken. In den letzten Untersuchungen von Stiftung Warentest zu Butter und Margarine bekamen in beiden Produktklassen jeweils 47 Prozent der getesteten Artikel die Note „gut“ für „Sensorik“ – also für Kategorien wie Aussehen, Textur, Geruch, Geschmack und Mundgefühl. „Sehr gut“ wurde nicht vergeben.

Sie bäckt und brät

„Braten Sie mit Margarine“, rät die Stiftung Warentest. Sie bestätigt, dass Braten mit allen geprüften Produkten gut bis sehr gut gelingt. Nur wenige Fett­spritzer gingen neben die Pfanne, wenn zum Beispiel eine Frikadelle darin brutzelt. Auch Bratkar­toffeln und Steaks ließen sich prima in Margarine braten – solange ihr Fett­gehalt hoch genug ist.

Das bedeutet Abschied von den Halbfettmargarinen: Diese haben nur 39 bis 41 Prozent Fett. „Mancher Fett­experte hält Margarine im Vergleich zu Öl sogar für das bessere Brat­fett. Ihr Wasser­anteil von nahezu 20 Prozent leitet die Wärme besonders schonend an das Brat­gut weiter“, so die Stiftung. Butter hingegen eigne sich schlecht zum Braten bei hohen Temperaturen, da Bestand­teile wie Milch­zucker und Eiweiß verbrennen.

Und was das Backen angeht: Laut Packungsangaben sind fast alle von Stiftung Warentest geprüften Produkte für die Röhre geeignet. Wer Kalorien sparen will, greift zu fettreduzierten Varianten.

Sie hat Geschichte

Butter wird meist nur aus Milch hergestellt. Margarine dagegen ist ein künstliches Gemisch aus Fett und Wasser, das Emulgatoren wie Lecithin braucht, um stabil zu bleiben. Dazu kommen heute oft Zitronensäure als Säuerungsmittel und der Farbstoff Beta-Carotin. Margarine als Brotaufstrich hat eine lange Geschichte: Sie wurde auf Initiative des französischen Kaisers Napoleon III. erfunden und bereits 1869 als Patent angemeldet. Der Imperator brauchte damals ein preisgünstiges und lange haltbares Streichfett für seine Truppen.

Sie bleibt zweite Wahl

Trotz alledem: Es geht noch immer mehr Butter als Margarine über die Ladentheke. Von Januar bis November 2022 lag der Margarineabsatz laut GfK bei 153.864 Tonnen, der von Butter bei 181.694 Tonnen. Wider alle Ver­nunf­t.

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