Lob für Gesetzentwurf zur Beschneidung: „Der Staat muss neutral bleiben“

Wolfram Höfling, Mitglied des Deutschen Ethikrates, lobt den Regierungsvorschlag zur Beschneidung. Das Gesetz soll am 10. Oktober durchs Kabinett.

In diesem Fall ist die Haut noch dran. Bild: TimToppik / photocase.com

taz: Herr Höfling, Sie sind Mitglied im Deutschen Ethikrat. Wie finden Sie die Eckpunkte des Justizministeriums zur Beschneidung von Jungen?

Wolfram Höfling: Ich finde, das ist ein vernünftiger Vorschlag, eine gute Diskussionsgrundlage, die im Kern den Empfehlungen des Ethikrates folgt.

Das Ministerium hält eine Beschneidung im Wesentlichen dann für zulässig, wenn die Eltern im Rahmen ihres Sorgerechts dem Eingriff zustimmen. Wo bleiben die Rechte der Kinder?

58, katholisch, ist seit 2012 Mitglied im Deutschen Ethikrat und Direktor des Instituts für Staatsrecht der Universität Köln. Einer seiner Schwerpunkte ist Medizinrecht.

Das Elternrecht ist ein dienendes Grundrecht, das auf das Kindeswohl ausgerichtet ist. Deshalb ist es falsch, hier einen Gegensatz zwischen Eltern- und Kinderrechten zu konstruieren. Das im Grundgesetz garantierte Elternrecht schützt das Beziehungsgeflecht Eltern/Kind vor staatlichen Eingriffen. Der Staat soll sich gegenüber Eltern nicht als Obererzieher aufspielen.

Kann der Staat nicht verhindern, dass Eltern schon Säuglinge und kleine Kinder religiös brandmarken?

Es gibt sehr unterschiedliche Erziehungskonzepte. Manche Eltern wollen, dass ihr Kind seinen Weg selbst finden kann. Andere Eltern finden es wichtig, dass das Kind in kulturellen Traditionen verwurzelt ist. Diese Vielfalt hat der Staat zu akzeptieren. Er muss hier neutral bleiben.

Schon am 10. Oktober will die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Beschneidung kleiner Jungen beschließen. Nachdem die „Eckpunkte“ der Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vorige Woche überwiegend gelobt wurden, hat sie jetzt einen Gesetzentwurf erarbeitet, der der taz vorliegt. Die gesetzliche Regelung selbst entspricht den Eckpunkten. Danach können Eltern im Rahmen ihres Sorgerechts in eine Beschneidung ihres Sohnes einwilligen, wenn diese „nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt“ wird.

Neu ist eine 23-seitige Begründung des Gesetzentwurfs. Darin heißt es, die Regeln der ärztlichen Kunst geböten es, dass bei der Beschneidung „eine im Einzelfall angemessene und wirkungsvolle Betäubung“ stattfindet. Auf Nachfrage der taz erklärte ein Ministeriumssprecher, diese Betäubung müsse in jedem Einzelfall stattfinden, es sei aber nicht stets eine örtliche Betäubung mittels Spritze erforderlich. Je nach Alter des Kindes könne auch ein schmerzstillendes Zäpfchen oder Ähnliches genügen. Im Mai hatte das Kölner Landgericht die Beschneidung als rechtswidrige Körperverletzung bewertet. Das Urteil hatte intensive Debatten ausgelöst. (chr)

Aber wir sprechen bei der Beschneidung über eine Körperverletzung …

Auch für mich ist der Ritus schwer nachvollziehbar. Wichtig ist aber, dass es nicht darum geht, dem Kind Schmerz zuzufügen oder es zu demütigen. Es ist aber auch richtig, dass der Staat Mindestbedingungen für eine Beschneidung vorschreibt, dass sie nach den Regeln ärztlicher Kunst und unter Vermeidung von Schmerzen durchzuführen ist. Das verlangen zu Recht auch die Eckpunkte des Ministeriums.

Eine örtliche Betäubung wird aber nicht eindeutig vorgeschrieben. Kinderärzte sehen deshalb die Gefahr von Traumatisierungen …

Ich bin kein Mediziner. Aber bei weltweit rund 1,5 Milliarden beschnittenen Männern, davon rund hundert Millionen in einem westlichen Land wie den USA, hätte es doch auffallen müssen, wenn sich diese Männer signifikant anders entwickeln als unbeschnittene Männer. Auch aus diesem Grund finde ich es richtig, die Entscheidung über die Beschneidung den Eltern zu überlassen.

Ihr Kollege im Ethikrat, der Strafrechtler Reinhard Merkel, hat die Eckpunkte des Ministeriums als „kläglich“ bezeichnet. Wer spricht nun für den Ethikrat?

Der Kollege Merkel hat bei den Diskussionen im Ethikrat eine Minderheitenposition vertreten. Die kann er natürlich auch in Interviews äußern.

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