Lobbyarbeit in der EU: Von echter Transparenz keine Rede

Seit einem Jahr hat die EU ein Lobbyregister. Die Eintragung ist freiwillig. Jetzt hat ein Forscherteam überprüft, was diese Meldungen tatsächlich aussagen.

Der Eingang des Europäischen Rates: Auch hier gehen die Lobbyisten ein und aus. Bild: dpa

BRÜSSEL taz | "Ein Telefonbuch, in dem die Telefonnummern fehlen" - so lautet die vernichtende Kritik von Jorgo Riss, Chef des Brüsseler Greenpeace-Büros, nach einem Jahr Erfahrung mit dem EU-Lobbyregister. Im Juni 2008 hatte Kommissar Siim Kallas die neue Internetplattform eröffnet, auf der sich Unternehmerverbände, NGOs, Beratungsfirmen und Think-Tanks, die Einfluss auf die EU-Politik nehmen wollen, freiwillig eintragen sollten. Inzwischen stehen 1.488 Personen und Organisationen auf dieser Liste. Eine Sprecherin von Kallas sagte gestern, das sei nach nur einem Jahr Laufzeit kein schlechtes Ergebnis.

Die Transparenzinitiative Alter-EU ließ die Eintragungen von einem Wissenschaftlerteam genauer unter die Lupe nehmen. Dabei zeigte sich, dass nur 593 Eintragungen von Personen oder Organisationen stammen, die überhaupt ein Büro in Brüssel unterhalten. Der Rest ist laut Riss "Datenverschmutzung", wie zum Beispiel der Eintrag des "Unternehmerverbands Erotikgewerbe Deutschland", der seine Aufwendungen für EU-Lobbying mit 10 Euro im Jahr angibt.

Sortiert man die Karteileichen aus, wird deutlich, dass nur 22,8 Prozent der Büros, die im kommerziellen Handbuch für Politikberater aufgeführt sind, im Lobbyregister stehen. Von den 2.600 Beratungsfirmen, die das Europaparlament schon im Jahr 2000 in Brüssel gezählt hat, haben sich nur 14,5 Prozent auf der Website der Kommission eingetragen. Rechtsanwaltsfirmen, die im Lobbygeschäft eine große Rolle spielen, kommen fast gar nicht vor - "sie boykottieren das Register", glaubt Olivier Hoedeman aus dem Forscherteam.

Vor allem aber kritisiert er, dass die Website so unübersichtlich ist. Informationen würden eher versteckt als zugänglich gemacht, Daten seien kaum vergleichbar. Eigens für die Untersuchung entwickelte die Forschergruppe eine Software, um die Daten besser bewerten zu können. Dabei zeigte sich, dass in der Gruppe der Unternehmensverbände der Europäische Zusammenschluss der Handwerksbetriebe, Klein- und Mittelständler das meiste Geld für Lobbying ausgibt. 1,5 Millionen Euro ist seinen Mitgliedern die Überzeugungsarbeit in Brüssel wert.

Business Europe, der Verband der Großunternehmen, lässt für die Lobbyarbeit angeblich nur 500.000 Euro springen. Damit steht er an 32. Stelle auf der Liste. Noch bescheidener ist der Europäische Chemieverband Cefik. Sein Brüsseler Büro kostet zwar jährlich 37 Millionen Euro und beschäftigt 140 Mitarbeiter. Die Lobbyausgaben aber belaufen sich laut Register auf 50.000 Euro - wahrscheinlich sind das die Portokosten für Broschüren des Verbands. Alter-EU fordert, dass Siim Kallas dem US-Beispiel folgen und ein Register einführen soll, in dem sich alle Organisationen eintragen müssen, die mit der Kommission in Kontakt treten wollen. Im Juli sollen zunächst die Erfahrungen mit dem freiwilligen Register ausgewertet werden. Es wird wohl dem Nachfolger des estnischen Kommissars überlassen bleiben, Konsequenzen zu ziehen.

DANIELA WEINGÄRTNER

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