Lust auf Stadt: Istanbuls Altstadt, ein Freilichtmuseum

In dem Viertel um Hagia Sophia und Blaue Moschee gibt es kaum noch normale Mieter. Stattdessen dominieren Hotels und Pensionen in dem Stadtteil.

Hagia Sophia: Der Tourismus beherrscht das ganze Viertel. Bild: imago/Xinhua

„Das darf doch nicht wahr sein.“ Die Dame im Cafe am Schiffsanleger auf Büyükada, der größten der Prinzeninseln im Marmarameer vor Istanbul, ist entsetzt. Schon wieder strömen massenhaft arabische Touristen vom Schiff auf die Insel, darunter zahlreiche ganzkörperverschleierte Frauen, bei denen auch an heißen Sommertagen nur die Augen aus dem Hidschab, dem Gesichtsschleier herausschauen, und auch diese sind durch eine Sonnenbrille verdeckt.

Jahrzehntelang waren die Prinzeninseln ein Refugium der christlichen Minderheiten und säkularer Istanbuler Familien, die hier ihre Sommer verbrachten. Seit einigen Jahren wird die Idylle nun zunehmend durch immer mehr Touristen gestört, vor allem solchen, die wie die Golf-Araber, so gar nicht ins Bild der Inseln passen.

„Was wollen die eigentlich hier“, fragt die empörte Dame ihre Tischnachbarn, „die gehen nicht schwimmen, die laufen nicht und einen Raki, eigentlich obligatorisch zum Fischessen am Abend, trinken sie auch nicht.“

Die Dame weiß sich der Zustimmung in ihrer Umgebung sicher. Die alteingesessenen Sommerhausbesitzer sind zunehmend genervt von den arabischen Touristen, in diesem Jahr kam es sogar zu öffentlichen Protesten.

Nicht der Tourist ist der Störenfried. Nachhaltig störend ist die Art wie mit ihm schnelle Geschäfte gemacht werden.

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Doch die Prinzeninseln sind ein Extremfall, einer der ganz wenigen Plätze in Istanbul, wo durch den Tourismus unterschiedliche Kulturen direkt aufeinanderprallen. Im Großen und Ganzen sind ausländische Besucher in der Metropole am Bosporus gern gesehen, denn sie bringen Geld und stören den Alltag der Bewohner kaum.

Die Stadt hat in den letzten 15 Jahren einen beispiellosen Boom im Tourismus erlebt. Istanbul ist innerhalb weniger Jahre von einer vergessenen ehemaligen Weltstadt zu einer der gefragtesten Adressen im Städtetourismus weltweit geworden.

Doch trotz des enormen Ansturms – seit Ende der 90er Jahre hat sich die Besucherzahl ungefähr verzehnfacht auf jetzt rund 12 Millionen Besucher im Jahr – fallen die Touristen in der 15-Millionen-Einwohner Metropole nicht besonders ins Gewicht, beziehungsweise sie konzentrieren sich auf zwei Stadtteile, in denen kaum noch eine „normale“ Wohnbevölkerung existiert.

Die historische Altstadt rund um die Hagia Sophia und die Blaue Moschee ist mehr oder weniger zu einem Freilichtmuseum geworden, in dem kaum noch jemand wohnt. Es gibt praktisch nur noch Hotels und Pensionen, sodass der Altstadtbezirk Eminönü als Verwaltungsbezirk mangels Einwohner aufgelöst und dem benachbarten Fatih angegliedert wurde.

Hotels und Ferienapartments

Der zweite Tourismusschwerpunkt, der heutige Bezirk Beyoglu, das frühere europäische Pera, ist ebenfalls kein echtes Istanbuler Wohngebiet. Früher lebten dort überwiegend Griechen und Armenier. Als die in den 50er Jahren vertrieben wurden, verfiel die ganze Gegend. Durch den Tourismus sind nun viele der früheren Bürgerhäuser wieder restauriert worden, werden jetzt aber nicht mehr als Wohnhäuser, sondern als Hotels oder Ferienapartments genutzt.

Die Stadt führt zwar hier einen verbissenen Kampf gegen private Anbieter von Ferienwohnungen, doch anders als in Berlin oder New York wurden aus diesen Wohnungen nicht normale Mieter verdrängt, sondern der Konflikt verläuft zwischen steuerzahlenden Hoteliers und solchen, die ihre Ferienwohnungen unter der Hand anbieten.

Außerhalb dieser beiden Bezirke lässt sich kaum einmal ein Tourist blicken. Im täglichen Stau vor den Bosporusbrücken, in der überfüllten Metro und an den Promenaden entlang des Marmarameers bleiben die Istanbuler zumeist unter sich.

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