MDR-Intendant gesucht: Schwere Zeiten für die Schunkler

Die Gremien des Mitteldeutschen Rundfunks emanzipieren sich von der Politik. Mit der Nominierung von Karola Wille setzen sie ein Zeichen für Aufklärung und Transparenz.

Stellvertretende Intendantin ist Karola Wille beim MDR schon. Jetzt soll sie den Chefsessel übernehmen. Bild: dpa

BERLIN taz | An emotionale Wechselbäder dürfte Karola Wille mittlerweile gewöhnt sein. Vor gerade einmal zwei Wochen saß sie am Vormittag eher bleich an der Seite ihres Nochintendanten Udo Reiter im Rundfunkrat des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR).

Schließlich sollte in der Sitzung am 27. September nicht sie, sondern Bernd Hilder, Chefredakteur der sächsischen Leipziger Volkszeitung, als Reiters Nachfolger abgenickt werden. Doch das ging bekanntermaßen gründlich daneben: Hilder erreichte nicht die laut MDR-Gesetz erforderliche Zweidrittelmehrheit im obersten Gremium des Senders für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Vielmehr stimmten mehr als zwei Drittel der Anwesenden gegen ihn. Willes unmittelbarer Gesichtsausdruck nach dem Votum blieb der Öffentlichkeit allerdings verborgen - die Presse wurde mit dem offiziellen Sitzungsbeginn aus den heiligen Hallen der Alten Börse auf dem ehemaligen Schlachthofgelände, auf dem der MDR in Leipzig residiert, verbannt.

Der Rundfunkrat tagt schließlich nicht öffentlich. Doch der entspannt wippende Gang und der fröhliche Gesichtsausdruck, mit dem Wille später am Nachmittag die große Freifläche zwischen Intendanz und MDR-Hochhaus hinter sich brachte, sprach Bände.

Jetzt folgte das zweite Wechselbad: Erst hatte der MDR-Verwaltungsrat, der das eigentliche Auswahlgremium für den obersten Job beim MDR ist, Wille trotz anfänglicher Mehrheit am 7. September durchrasseln lassen. Er war vor der Politik - genauer der CDU-Medienpolitik und ihrem Majordomus, dem sächsischen Staatskanzleichef Johannes Beermann - eingeknickt und nominierte im vierten Wahlgang schließlich den politisch genehmeren Hilder.

Eine Dame und sechs Herren

Seit Sonntag ist auch hier plötzlich alles ganz anders. Denn da brauchte die siebenköpfige Schar aus einer Dame und sechs Herren keine Stunde, um mit nur einem Wahlgang die 52-Jährige juristische Direktorin des MDR einstimmig für den IntendantInnenposten zu nominieren. Gegenkandidaten sind bei der Wahl im Rundfunkrat laut MDR-Satzung nicht vorgesehen.

Am 23. Oktober wird gewählt - auch hier wird offenbar mit einer raschen Entscheidung gerechnet: Erst um 16 Uhr tritt der Rundfunkrat im thüringischen Luftkurort Friedrichroda zusammen, und schon um 19 Uhr soll alles vorbei sein. Dann steht nämlich das Abschiedsessen für den aus gesundheitlichen Gründen (und ein paar Skandälchen) vorzeitig abtretenden MDR-Gründungsintendanten Udo Reiter an.

Obwohl Wille wie Reiter seit 1991 beim Mitteldeutschen Rundfunk dabei ist und schon 1996 als juristische Direktorin in die Geschäftsführung des MDR aufrückte, trauen ihr viele im Sender wie auch außerhalb zu, die skandalgeplagte Anstalt nach vorn zu bringen. Und, viel wichtiger, rückhaltlos und transparent die jüngsten Skandale aufzuklären.

Aufklärung angekündigt

Nach der Verwaltungsratssitzung erklärte dessen Vorsitzender, der ehemalige thüringische Bildungsminister Gerd Schuchardt (SPD), Wille habe ausdrücklich erklärt, dass sie eine "Überprüfung der Resourcen und Produktionsweisen" beim Sender anstrebe - was auf Deutsch Aufklärung bedeutet, wie der Millionenbetrug beim Kinderkanal und die merkwürdigen Finanztricksereien des mittlerweile geschassten MDR-Unterhaltungschefs Udo Foht möglich waren, ohne den zuständigen Stellen beim MDR aufzufallen.

Ein "transparenter, glaubwürdiger und nachhaltiger Aufklärungsprozess vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse", zitierte Exminister Schuchardt Karola Wille, sehe diese als wichtige "Herausforderung" an. Was beinahe noch ein bisschen untertrieben ist. Wille muss hier auf jeden Fall liefern. Denn genau dafür wird sie am 23. Oktober gewählt werden.

Dass die ARD dann ihre dritte Intendantin hat - noch dazu die erste aus Ostdeutschland, ist dann immer noch eine kleine Sensation. Und für den MDR tatsächlich eine gute Entwicklung. Denn Wille hat vor dem Verwaltungsrat auch erklärt, eine Lanze für junge Zuschauer brechen zu wollen. Auf die Schunkelshows der Volksmusik und all die andere Kessel Buntes beim MDR kommen also endlich schwere Zeiten zu.

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