Machtkämpfe in Libyen: Regierungschef abgesetzt

In Libyen überschlagen sich die Ereignisse: Erst sticht ein Tanker mit „illegalem Öl“ in See. Dann wird der Ministerpräsident abgesetzt. Milizionäre machen mobil.

In Libyen ging es früher schon um die Kontrolle über das Öl. Bild: dpa

TRIPOLIS dpa | Libyen ist auf dem Weg ins Ungewisse. Das libysche Parlament setzte am Dienstag Regierungschef Ali Seidan per Misstrauensvotum ab, ohne sich auf einen Nachfolger zu einigen. Die Amtsgeschäfte soll für eine kurze Zeit Verteidigungsminister Abdullah al-Thenni übernehmen.

In der Küstenstadt Sirte kam es nach Angaben des Nachrichtensenders Al-Arabija zu Zusammenstößen zwischen Milizen der selbst ernannten Autonomieregierung und ehemaligen Rebellen aus der Stadt Misrata, die loyal zum Parlament stehen.

Die Ex-Rebellen, die dem Vernehmen nach auf Parlamentspräsident Nuri Abu Sahmein hören, sollen den Befehl erhalten haben, die Besetzung von Ölanlagen durch Separatisten und bewaffnete Banden mit Gewalt zu beenden.

Kurz zuvor soll ein nordkoreanischer Öltanker den Hafen Al-Sidra verlassen haben. Das Schiff hatte am Wochenende Öl geladen, das die bislang von niemandem anerkannte Autonomieregierung ohne Genehmigung der Behörden verkauft hatte.

Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Lana stimmten 124 Abgeordnete für den Misstrauensantrag. In spätestens 15 Tagen wollen die Parlamentarier einen neuen Ministerpräsidenten wählen. Binnen drei Monaten sollen außerdem Parlamentswahlen stattfinden. Das nächste Parlament wird dann die in Libyen viel diskutierte Frage klären, ob der künftige Präsident Libyens vom Volk direkt gewählt werden soll oder nicht.

Nachfolger nicht in Sicht

Zu Seidans Kritikern im Parlament gehörten zuletzt vor allem Angehörige der Partei der Muslimbruderschaft sowie andere Politiker aus dem islamistischen Spektrum. Frühere Versuche, den Chef der Übergangsregierung zu stürzen, waren daran gescheitert, dass sich die Abgeordneten nicht auf einen Nachfolger hatten einigen können.

Seidan hatte als Oppositioneller 30 Jahre im Exil verbracht, unter anderem in Genf und in Deutschland. Das Parlament hatte ihn im Oktober 2012 zum Ministerpräsidenten gewählt, nachdem der mit den Muslimbrüdern verbandelte Politiker Mustafa Abu Schagur es nicht geschafft hatte, eine Regierung zu bilden.

Seidan hatte Rücktrittsforderungen in den vergangenen Tagen mit der Begründung abgelehnt, er wolle kein Machtvakuum entstehen lassen.

Arabische Medien und Angehörige der Separatistenbewegung, die das Ölgeschäft eingefädelt hatte, erklärten unterdessen, der nordkoreanische Tanker befinde sich schon in internationalen Gewässern. Angeblich soll eine ehemalige Revolutionsbrigade aus der Stadt Misrata vergeblich versucht haben, das Schiff aufzuhalten.

Parlament gestürmt

Der Nachrichtensender Libya li kull al-Ahrar meldete, Bürger hätten aus Wut über das Auslaufen des Schiffes versucht, den Sitzungssaal des Parlaments zu stürmen.

Der UN-Vertreter in Libyen, Tarek Mitri, wies am Montag während einer Debatte im UN-Sicherheitsrat in New York auf die Verschlechterung der Sicherheitslage in Libyen in den vergangenen drei Monaten hin. Er berichtete über die aktuelle Attentatswelle in Bengasi und warnte vor einer weiteren Eskalation der Gewalt. Mitri sagte, Libyen brauche mehr internationale Unterstützung.

Ein UN-Expertenkomitee stellte fest: „Libyen ist zu einer Hauptquelle für illegale Waffenlieferungen geworden.“

Lokale Medien berichteten unterdessen, in der östlichen Stadt Bengasi sei ein Polizeioffizier erschossen worden. Unter dem Auto eines anderen Polizisten detonierte den Angaben zufolge am Montag ein Sprengsatz. Der Beamte wurde schwer verletzt. In der Stadt Derna, einer Hochburg islamistischer Extremisten, wurde ein indischer Arzt tot aufgefunden.

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