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Madagaskars Präsident geflohenFrankreich zeigt sich erneut von seiner imperialen Seite

Dominic Johnson

Kommentar von

Dominic Johnson

Madagaskars Präsident Andry Rajoelina wurde durch einen französischen Hubschrauber zur Flucht verholfen. Fremde Einflussnahme kann Macron darin nicht erkennen.

Nach anhaltenden Protesten hat sich madagaskars Präsident Andry Rajoelina aus dem Staub gemach Foto: Rafalia Henitsoa/imago

W ie neokoloniale Machtpolitik alter Schule funktioniert, zeigt dieser Tage einen Blick nach Madagaskar, wo eine Revolte der unzufriedenen Jugend Unterstützung aus dem Militär bekommen und damit den Präsidenten Andry Rajoelina in große Bedrängnis gebracht hat. Rajoelina ist nicht nur der mächtigste, sondern auch der reichste Mensch im bitterarmen Inselstaat Madagaskar – und er hat nicht nur einen madagassischen, sondern auch einen französischen Pass.

Französische nicht-madagassische Medien enthüllten am Montag, dass ein französischer nicht-madagassischer Militärhubschrauber den offenbar um sein Amt gebrachten Rajoelina aus seinem Präsidentenpalast geholt hat; über die französische Insel Réunion soll er nach Dubai ausgeflogen worden sein. Man müsse Madagaskar vor fremder Einflussnahme bewahren, sagte dazu ganz unironisch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

Frankreich, die alte Kolonialmacht, sieht sich selbst natürlich nicht als fremd. Die letzte Imperialmacht Europas behält weite Gebiete des Indischen und Pazifischen Ozeans über ihre Eingliederung strategisch wichtiger Inseln quer über die Ozeane als französisches Staatsgebiet unter Kontrolle. Macron hat schon oft das Ende dieser neokolonialen Afrikapolitik proklamiert, aber wenn es ernst wird, ist diese neokoloniale Afrikapolitik doch sehr praktisch.

Die verkehrte Welt, in der wir leben

Die Menschen auf den Straßen, die seit Wochen für ein besseres Madagaskar demonstrieren, können da nur hilflos zusehen. Ihr Präsident ist weg, ihr Staat zerfällt, nichts funktioniert, das Klima kollabiert, einmalige Ökosysteme werden von skrupellosen Investoren zerstört – das ist alles legal.

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Aber sollte jemand in Madagaskar selbst die Dinge in die Hand nehmen, sich zum neuen Machthaber ausrufen und einen Neustart für das geschundene Land organisieren wollen – dann würde die Weltgemeinschaft, mit Frankreich an oberster Stelle, von Putsch und Verfassungsbruch und nötigen Strafmaßnahmen sprechen. Das ist die verkehrte Welt, gegen die inzwischen in ganz Afrika die junge Generation immer wieder in den Aufstand tritt.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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