Madsack-Gruppe mit Zentralredaktion: Alles aus keiner Hand

18 Zeitungen – ein überregionaler Teil. Die Madsack-Mediengruppe zeigt, dass sich viele Verleger kaum noch um eigene Recherchen kümmern.

Immer mehr Zeitungen haben immer weniger unterschiedliche Inhalte. Bild: dpa

BERLIN taz | Wenn Unternehmen oder Parteien hinter ihr Projekt eine in mehr oder weniger ferner Zukunft liegende Jahreszahl anfügen, ist das nur selten von großem Erfolg gekrönt. Der Fußballklub Karlsruher SC hat es Anfang der 90er mal mit dem Plan „KSC 2000“ versucht. Als das Jahr 2000 dann tatsächlich kam, stieg der Klub in die dritte Liga ab. Die SPD haute einst die „Agenda 2010“ raus. Auch für sie ging es danach bergab.

Die Entscheider des Regionalzeitungsverlags Madsack scheinen derlei Beispiele nicht abzuschrecken, sie setzen auf ihr Programm „Madsack 2018“. Die Mediengruppe, der 18 Regionalblätter (und deren Lokalausgaben) gehören, bezeichnet sich darin selbst als „strategischer Konsolidierer“. Hört sich nicht gut an für die Belegschaft.

Der Kern des Programms ist ein altbekanntes Sparmodell: Der Aufbau einer Zentralredaktion noch in diesem Jahr. „In der Zentralredaktion kümmern sich die Kollegen um alle überregionalen Themen – von der Recherche über das Schreiben bis zur Seitenproduktion. Für alle Print- und Digital-Publikationen der Gruppe“, ließen die Chefredakteure der Madsack-Zeitungen Hannoversche Allgemeine Zeitung, Leipziger Volkszeitung und Märkische Allgemeine Zeitung verlautbaren.

An den vielen verschiedenen Standorten solle sich dann nicht mehr mit dem bundesdeutschen und internationalen Blabla beschäftigt werden, sondern mit „unverwechselbaren regionalem Inhalt, der tief in der Lebenswelt der Menschen verankert ist und Heimat widerspiegelt“, wie es der erst vor drei Monaten installierte Geschäftsführer Thomas Düffert in schönstem Werbesprech ausdrückt.

Natürlich könnten Stellen wegfallen

Dass bei dieser Fokussierung und Zentralisierung auch Stellen wegfallen, klar, das kann niemand im Konzern ausschließen. Trotzdem ist sich Düffert sicher: „Die überregionale Berichterstattung wird besser, wenn wir sie mit den vereinten Kräften der ganzen Gruppe gestalten.“

Glauben mag man es kaum. Und für die gesamtdeutsche Medienlandschaft ist es schon mal gar kein Qualitätsanstieg. Denn welcher Teil ihrer Arbeit wird bei den zukünftig in der Zentralredaktion arbeitenden RedakteurInnen wohl am ehesten unter den Tisch fallen, wenn sie Inhalte für diverse Titel recherchieren, schreiben und produzieren sollen? Richtig, das Recherchieren.

Immer weniger Recherchen

Es ist eine gefährliche Entwicklung: Die Anzahl der Vollredaktionen, in denen sich um überregionale wie regionale Berichterstattung gekümmert wird, sinkt hierzulande beständig. Immer weniger JournalistInnen schauen den Entscheidern in Politik, Wirtschaft und sonstwo auf die Finger und in die Augen.

Zeitaufwändige Reportagen, tiefergehende Recherchen, das alles ist nur schwerlich unter massivem Zeitdruck zu stemmen. Das, was bei so etwas herauskommen sollte, die exklusive Story, die Enthüllung, hat in den letzten Jahren massiv an Wert verloren – zumindest in den Augen der meisten Verleger.

Springer gibt eigene Planung preis

Wie sonst ist es zu erklären, dass die Springer AG zwar ihre Regionalblätter (Berliner Morgenpost, Hamburger Abendblatt) an die Funke-Gruppe abgibt, aber dennoch will, dass der neue Eigentümer der weiter zu Springer gehörenden Welt zukünftig die Inhalte abnimmt. Würde die Welt zukünftig mit viel Exklusivem aufwarten, sollte man diese Themen doch vor den neugierigen Blicken anderer Verlage schützen. Doch Springer scheint daran kein Interesse zu haben.

Die Funke-Leute sollen ruhig schon morgens wissen, welche Themen die Welt-Redaktion auf dem Zettel hat. Dass von Welt-Redakteuren recherchierte Inhalte dann zuerst von der zu Funke gehörenden Thüringer Allgemeinen rausposaunt werden – wen kümmert's?

Bei Springer raunen sich die Mitarbeiter schon zu, dass die Konzernspitze abgerückt ist von der Jagd nach exklusiven Geschichten: Es komme in Zeiten des Internets nicht mehr darauf an, wann, sondern wie ein Thema aufbereitet wird.

Doch auch für das aufwändige Wie wird in Redaktionen, die für diverse Blätter und Internetseiten Themen aufbereiten sollen, kaum Zeit bleiben. So werden es immer weniger Journalisten, die Themen ausgraben. Und es werden immer weniger spannende Inhalte, die die Zentralredaktionen hübsch aufbereiten können. „Mit dem Programm 'Madsack 2018' fit für die Zukunft.“ Man würde es zu gerne glauben.

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