Männer-Bundesligaauftakt: Leverkusen und die Leere
Die Zauberfüße aus der Pillen-Kleinstadt sind weg, meist nach England. Die Meisterschaft verödet auch, weil viele Klubs wie Farmteams funktionieren.
Sie haben sich mit großen Gefühlen verabschiedet, die Zauberfüße vom Rhein. Aber natürlich ändert das nichts an der bitteren Leverkusener Realität des Verlassenwerdens. Oberzauberfüßler Florian Wirtz, Granit Xhaka, Jeremie Frimpong, Jonathan Tah, Lukáš Hrádecký, Amine Adli, alle weg. Auch der verehrte Xabi Alonso, der die Pillen-Kleinstadt wachküsste wie einst Jürgen Klopp den BVB, ist weitergezogen in jene globalen Fußballsphären, in die er gehört.
Es war Herzensbrecher-Zeit in der Männer-Bundesliga, und Leverkusen ist leer geräumt. Was eben einem deutschen Klub außer den Bayern blüht, wenn er mal zwei Spielzeiten zu gut spielt. Klubs wie Frankfurt oder Dortmund haben darauf ein ganzes Geschäftsmodell aufgebaut: Durchgangsstation zu sein für Großtalente in die Premier League. Steckt in der Geschichte dieser stillen Resignation mehr als das begrenzte Mitleid für einen Pharmaklub?
Die Bundesliga ist mit der Globalisierung der Märkte eine FC-Liefering-Liga geworden, ein Kettenglied irgendwo oberhalb der Niederlande und unterhalb Englands. In der Premier League kommt es nun zum großen Leverkusener Klassentreffen. Dort, wo jetzt auch Frankfurts One-Season-Wonder Hugo Ekitiké für 95 Millionen Euro, Jamie Gittens für 56 Millionen und Leipzigs Benjamin Sesko für 76 Millionen kicken. Und vielleicht werden künftig auch die Golfstaaten aufsteigen zu den ganz Großen, die den Krill des Fußballmeeres absaugen – Anzeichen dafür gibt es. Der Räumungsverkauf ist für ein Team wie Bayer natürlich nur ein temporäres Risiko. Man hat nachgekauft, „spannende Talente“, wie es so gern heißt, und mit etwas Glück beginnt alles von vorn.
In einer Liga, wo alle außer dem FC Bayern Liefering-Klubs sind, ist das Meisterrennen für dieses Jahr wohl geklärt. Wer sonst soll oben landen? Leverkusen in der Restauration? Der BVB, der sich mühsam in die Champions League geschuftet hat? RB Leipzig, das nach alter Investorenklub-Tradition für schlechte Arbeit viel Geld verbrennt? Frankfurt, Stuttgart? Eher nicht. Es liegt auch eine völlige Leere an Zukunftsideen in diesem Hoffen auf sechs Richtige im Lotto eines kaputten Systems. Die Bundesliga ist nicht so unähnlich geworden der Liga eines obskuren Kleinstaates, wo irgendein mittelmäßiger Primus fast jedes Jahr mit 15 Punkten Vorsprung Meister wird. Früher fand man so was schräg.
Wir können uns an alles gewöhnen
Dass sich kaum noch jemand dagegen stemmt, mag auf den ersten Blick erstaunen. Eine ganze Wagenladung westlicher Popkultur beruht schließlich auf Erzählungen von widerständigen Underdogs. Aber in Wahrheit ist der Wahlspruch des Kapitalismus seit jeher: Wir können uns an alles gewöhnen. Und so passt der Bundesliga-Start ganz gut zu einem Sommer, in dem alles in Flammen steht, tatsächlich wie metaphorisch, und fast alle aktiv wegsehen. Leverkusen immerhin kann sich mit Sisyphos freuen: Es ist genug Kohle da, um neu zu beginnen.
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