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Männer-BundesligaauftaktFußball als Schweinsbraten

Der 1. FC Nürnberg, einstmals Rekordmeister, spielt mit seinen Männern gar nicht mehr in der Bundesliga. Das ist wohl besser so.

Und dann verkackt man gegen Illertissen: Nürnberg scheidet im DFB-Pokal aus Foto: Jan-Philipp Strobel/dpa

Am vorvergangenen Freitag war Neven Subotić im ARD-„Morgenmagazin“. Subotić hatte mit dem BVB zwei deutsche Meisterschaften gewonnen und mit Anfang zwanzig etliche Millionen auf dem Konto. „Mit den Titeln kam Geld, und mit dem Geld kam die Dummheit“, erzählte er, und sein Gegenüber, der Moderator Sven Lorig, guckte exakt so drein, wie er ist: bohnendoof.

Ob er nicht die „aufsehenerlebenden Sachen“, die mit dem Fußball zusammenhingen, vermisse, fragte der Schnatterganter Lorig, und Subotić, der ein Deutsch spricht – ohne „mega“, „definitiv“ und „absolut“ –, von dem Lorig nicht einmal zu träumen vermag, verneinte: „Bitte nicht mehr ins Stadion! Der Fußball hat keine Rolle mehr“ – weshalb dieser nachdenkliche Menschenfreund sein Vermögen in die Entwicklungshilfestiftung „well:­fair“ steckt.

Ich bin seit Längerem vom Fußball „schrottgenervt“ (Vince Ebert). Dem gründlich ausgeprägten Gefühl der tiefen Bedeutungslosigkeit des medial aufgeschäumten Rasengeschehens war allerdings ein zäher Prozess der Abnutzung vorausgegangen, an dessen Ende eine dumpfe Ermüdung in meinen Gliedern nistete.

In den Achtzigern saß ich regelmäßig beim Nachbarn morgens an der Werkbank und erfuhr aus der Zeitung, wie Gladbach zwei Tage zuvor in Bukarest gespielt hatte. Dazu der Geruch des Leims, die qualmende Schleifmaschine, der niedersausende Hammer, der die Stahl­nägel in die Ledersohlen trieb, die artistisch ausufernden Schimpftiraden vom Hans – es waren Feierstunden; sehr viel später noch die herzzerquetschenden Bundesligapartien Ende Mai 1999, die Klimax von alledem (der Hieb: Der Club stieg ab, unbegreiflich ist’s nach wie vor), mit Manni Breuckmann und Günther Koch im Radio – zeitliche Distanz und räumliche Ferne erzeugten einst eine Aura, die sich aus der Kostbarkeit und den fehlenden Bildern speiste. Fußball war der Schweinsbraten am Sonntag.

Die Magie ist verdampft

Die Magie ist zerstoben und verdampft. Wir leben in einer terroristisch totalen Gegenwart, die keine an Vorstellungspartikel und nackte, luftige Wörter geheftete, seelisch weitende Erinnerung mehr zulässt, und allein aus der erwächst kontinuierliche Hingabe. Stündlich werden „Topspiele“ ausgeschrien, ständig erquicken uns „Breaking News“ auf Sky (Coman nach Saudi-Arabien verkauft, leck mich am Arsch!), der schwer belämmerte DFB zelebriert in Spots „125 Jahre Fußballliebe“, Penunzen, PR, Technikfetischismus (VAR), „Experten“, diese ganze geisttötende Scheiße, vierhundert Sender, unablässig hechelnde Kommentatoren, die sich extrem geil finden („Er kommt nicht komplett in die Streckung!“), achttausend Podcasts, endlose Fieldinterviews, man hält die gebieterische Andauerndheit nicht mehr aus.

Trotzdem schaue ich mir in meiner fränkischen Kneipe ab und zu den Club an, um mich abzulenken vom Verlustschmerz. Und dann vergeigt es der maßlos depperte FCN sogar gegen Illertissen. Ich nenne das einen „Traumstart in die neue Saison“ (Stadionwerbebanner von Sky).

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