Malawi vor den Wahlen: Unzufriedene Jugend gegen unfähige Alte
Am Dienstag will Malawis 70-jähriger Präsident gegen seine 85-jährigen und 75-jährigen Vorgänger bestehen. Die Bevölkerung ist mehrheitlich unter 30.

Nicht nur Präsident Lazarus Chakwera will sich wiederwählen lassen, auch 229 Sitze im Parlament und 509 kommunale Ämter stehen zur Disposition. Entscheidend wird die Haltung der zunehmend unruhigen Jugend, die zwei Drittel der rund 21 Millionen Einwohner ausmacht.
Malawi ist eines der ärmsten Länder der Welt, abhängig von Subsistenzlandwirtschaft und Entwicklungshilfe. In drei Jahrzehnten Demokratie nach Ende der Einparteienherrschaft 1994 ist es keiner Regierung gelungen, die Strukturprobleme des Landes zu lösen.
Das wirkt sich unmittelbar auf das Leben der Menschen aus. Die Inflationsrate lag laut Zentralbank im Durchschnitt des Jahres 2024 bei 25 Prozent.
Dürren und Überschwemmungen
Die Staatsschulden betragen fast 20 Milliarden US-Dollar, über 70 Prozent des BIP. Auslandsinvestitionen bleiben zu niedrig. Nach Angaben des UN-Welternährungsprogramms WFP sind 4,4 Millionen Menschen in Malawi, mehr als ein Fünftel der Bevölkerung, zum Überleben auf Nahrungsmittelhilfe abhängig – Ergebnis wiederholter Dürren und Überschwemmungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel, was Ernten vernichtet und die ländlichen Lebensgrundlagen zerstört.
Das Ergebnis: eine sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit von rund 40 Prozent, die nicht sinkt trotz hoher Alphabetisierung und einem Ausbau des Hochschulwesens. Dieser Umstand nährt Zynismus über die Politik und die Fähigkeit der Regierenden, etwas zu verändern.
Ob in der Hauptstadt Lilongwe, der anderen großen Stadt Blantyre oder in mittelgroßen Städten wie Mzuzu – junge Malawier äußern sich vor den Wahlen desillusioniert.
„Wenn ich mir das Kaliber der Präsidentschaftskandidaten anschaue, bin ich ganz ehrlich überhaupt nicht beeindruckt“, sagt Chiso Kambale, studierter Kaufmann. „Ich bin mir nicht sicher, dass irgendeiner davon in der Lage sein wird, Malawis Probleme anzugehen.“
Takondwa Mkandawire, ein weiterer Hochschulabsolvent, vermisst eine Erneuerung der politischen Klasse. „Diese Kandidatenliste sieht so aus, als seien Malawi die fähigen Anführer ausgegangen. Wir recyceln dieselben müden alten Gesichter. Wenn ich könnte, würde ich das Land davon überzeugen, für frische Gesichter zu stimmen, damit sich etwas ändert.“
Landwirtschaftsexpertin Mayamiko Nyirenda ist ähnlich direkt: „Was sollen wir von diesen alten Leuten erwarten? Diese Kandidatenliste ist uninspirierend. Ich finde, die Malawier sollten die unbekannten Kandidaten wählen, denn die alte Garde hat versagt“.
Ein gealtertes politisches Establishment
Aus Sicht der Jugend klebt in Malawi ein gealtertes politisches Establishment an der Macht zum Zweck der persönlichen Bereicherung und vernachlässigt dringende Herausforderungen wie die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Herstellung von Klimaresilienz oder der Umgang mit technologischen Innovationen.
Empfohlener externer Inhalt
Alle wichtigen Kandidaten versprechen ähnliche Dinge, etwa massive Arbeitsbeschaffungsprogramme – aber die Details bleiben vage. Nur die Probleme sind konkret, aber auch darüber sind sich alle einig. Malawi hat ein chronisches Defizit in der Produktion des Grundnahrungsmittels Mais. Bessere Bewässerungs- und Düngesysteme sowie Diversifizierung des Anbaus wären nötig. Aber auch klimawandelbedingte Extremwetterereignisse wie Wirbelstürme und schwere Überschwemmungen, abwechselnd mit schweren Dürren, nehmen zu und müssen bewältigt werden.
Malawi muss zugleich seine Abhängigkeit von zunehmend unzuverlässigen internationalen Geldgebern verringern – externe Hilfsgelder machen 40 Prozent des Staatshaushalts aus, was Malawis Souveränität einschränkt. Die Wut der Öffentlichkeit über korrupten Umgang mit diesen Geldern durch Politiker ist riesengroß.

Unter den 17 Präsidentschaftskandidaten gelten nur drei als aussichtsreich: der 70-jährige Amtsinhaber Lazarus Chakwera von der MCP (Malawi Congress Party), der seit 2020 regiert; sein 85-jähriger Vorgänger Peter Mutharika von der DPP (Democratic Progressive Party), der von 2014 bis 2020 regierte; und dessen 75-jährige Vorgängerin Joyce Banda von der PP (People’s Party), die von 2012 bis 2014 im Amt war.
Chakwera kam unter kuriosen Umständen an die Macht. Die Wahlen 2019, bei denen der damalige Amtsinhaber Mutharika gewonnen hatte, wurden von der Justiz annulliert. Bei der Wahlwiederholung 2020 siegte dann Chakwera und brachte dann die MCP, die Malawi vor 1994 dreißig Jahre lang als straffe Einparteiendiktatur geführt hatte, zum ersten Mal seit Ende der Diktatur an die Macht zurück.
Seinen Wahlkampf führt der Präsident nun mit seiner Bilanz institutioneller Reformen. Mit dem Slogan „Build Malawi“ verspricht er Investitionen: Bewässerungssysteme gegen die Lebensmittelknappheit, Computerisierung der öffentlichen Dienste und der Bildung, Ausbau von Industrie. „Malawi kann sich nicht länger auf Subsistenzwirtschaft und milde Gaben verlassen,“ sagte Chakwera auf einer Wahlkampfveranstaltung in Lilongwe. „Wir müssen unsere Wirtschaft modernisieren, Arbeitsplätze für unsere Jugend schaffen und Malawi in ein produktives, innovatives und wettbewerbsfähiges Land verwandeln.“
Seine Anhänger auf der Kundgebung finden, dass Chakwera eine zweite Amtszeit verdient. „Wenn er Touristen anlockt, Computertechnologie bereitstellt und auf Industrialisierung setzt, wird Malawi aufsteigen“, glaubt Lumbani Chriwa.
Andererseits weist sein Vorgänger Mutharika darauf hin, dass Chakwera in seinen bisherigen fünf Jahren im Amt zu wenig getan habe. Die aktuelle Regierung sei „richtungslos“ und gehe Probleme wie Hunger und Verschuldung nicht an. Unter ihm, Mutharika, habe Malawi hingegen ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 4 Prozent erzielt und die Inflation sei nicht zweistellig gewesen. Nun will er zurück an die Macht, „Stabilität“ wiederherstellen und vor allem die Infrastruktur modernisieren.

„Als ich aus dem Amt schied, war Malawi auf dem richtigen Weg“, behauptete Mutharika auf einer Kundgebung in Blantyre. „Heute leiden die Menschen mehr denn je. Ich komme wieder und werde Ordnung, Ernährungssicherheit und Arbeit zurückbringen!“
Aber bei manchen ist Mutharikas Zeit an der Regierung durch Vorwürfe von Willkür, Korruption und Vetternwirtschaft in Erinnerung geblieben. Wählerin Mkandawire äußert sich skeptisch. „Diese Rentner kommen nur wieder, um das Land auszuplündern.“
Für Malawis bisher einzige Präsidentin Joyce Banda ist diese Wahl eine Gelegenheit, Inklusion und Frauenförderung als Wahlkampfthemen zu setzen. Sie will gegen Korruption vorgehen und vor allem soziale Sicherungssysteme verbessern und die Müttersterblichkeit verringern. In ihrer kurzen Amtszeit 2012-14 habe Malawi das Vertrauen internationaler Geber wie dem IMF zurückgewonnen, sagt sie.
Aber Bandas Zeit ist vor allem durch den Korruptionsskandal „Cashgate“ in Erinnerung geblieben, als bei mehreren Ministern große Mengen offensichtlich aus den Staatskassen abgezweigten Bargeldes gefunden wurden. Banda selbst wurde nie angeklagt, aber sie verlor die Wahlen 2014 deutlich und ist immer noch angreifbar.
Straßenumbenennungen als Wahlkampfmanöver
Im Wahlkampf hat Präsident Chakwera versucht, seine Hauptrivalen einzubinden. Er verblüffte im August die Öffentlichkeit, indem eine wichtige Straße in der Hauptstadt Lilongwe jetzt „Joyce Banda Highway“ heißt und der zentrale Kreisverkehr Cloverleaf Interchange den Namen von Peter Mutharika bekam. In Blantyre ist der Flughafen jetzt nach Bakili Muluzi benannt, Malawis Präsident von 1994 bis 2004, dessen Sohn Atupele Muluzi Vizepräsident unter Mutharika war und jetzt auch zu den Wahlen antritt.
Die präsidialen Umbenennungen seien ein billiger Wahlkampftrick, fanden viele Kritiker. „Der Zeitpunkt ist verdächtig. Das soll unentschlossene Wähler anlocken und Chakwera als Vereiniger dastehen lassen“, sagte der Analyst Yamikani Masamba. „Aber es könnte dafür zu spät sein. Diese Wahl wird von der Wirtschaftslage entschieden.“
Viele Wähler sagen, sie würden jetzt eher für ein unbekanntes Gesicht stimmen, nicht für einen der drei bekannten Alten. „Wir wissen, was die Alten können. Wir müssen die Neuen ausprobieren, vielleicht können sie liefern“, sagt Wählerin Tamanda Mwanza.
Zu den Neuen gehört der ehemalige Zentralbankchef Dalitso Kabambe. Der 51jährige punktet mit Appellen an fiskalische Disziplin und ökonomische Modernisierung bei der jungen städtischen Mittelschicht.
Zwei Drittel der Malawier sind unter 30 Jahre alt. Sie suchen innovative Lösungen und Politiker, die verantwortungsbewusst regieren. Diese Wahl in Malawi reflektiert eine Spaltung, die in ganz Afrika die Politik immer stärker prägt: zwischen einer politischen Elite, die fest im Sattel sitzt und immer älter wird, und einer unruhigen jungen Bevölkerung, die nach neuen Führern mit neuen Ideen ruft.
Zur Wahl steht jetzt Kontinuität mit Chakwera, eine Rolle rückwärts mit Mutharika oder Banda, – oder ein Sprung ins Ungewisse mit einem ganz neuen Gesicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess um verprügelte Neonazis
Anwälte fordern Freispruch für Hanna S.
Aktivistin über Autos in der Stadt
„Wir müssen Verbote aussprechen“
Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen
Kein Bock auf Sahra
Aufnahme gefährdeter Afghan*innen
Dobrindts Tricksereien untergraben den Rechtsstaat
Soziologin über AfD
„Rechte Themen zu übernehmen, funktioniert nicht“
Rüstungsgüter für Krieg in Gaza
Staatssekretär wollte Waffenexporte für Israel stoppen