Manganknollen auf dem Meeresboden: Trüffel in der Tiefsee

Die Manganknollen auf dem Grund des Meeres gelten als eine Rohstoffquelle der Zukunft. Vor dem Seegerichtshof wird jetzt geklärt, wer für Schäden bei der Fahndung aufkommen muss.

Eine Kiste mit den von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (GBR) geborgenen Mangangknollen. Bild: ap

BERLIN taz | Deutschlands Interessen werden im Pazifik verteidigt, auf einer Meeresfläche, die kaum kleiner ist als Österreich. Südöstlich von Hawaii erstreckt sich das "Lizenzgebiet zur Exploration von Manganknollen"; 75.000 Quadratkilometer groß und in zwei Hälften geteilt, liegt es verlassen auf hoher See.

Seit vier Jahren darf die Bundesrepublik in diesem Gebiet Exploration betreiben. In einem Vertrag mit der Internationalen Meeresbodenbehörde (IMB) sicherte sie sich im Juli 2006 jene wichtigen Flächen nördlich des Äquators. Der Preis pro Quadratkilometer: 3,33 US-Dollar.

Deutschlands Interesse gilt einem Rohstoff, der 5.000 Meter unter der Wasseroberfläche am Meeresgrund ruht: den sogenannten Manganknollen. Das sind schwarzbraune Steine, die aussehen wie Kartoffeln und nur wenige Zentimeter messen.

Über Millionen von Jahren gewachsen, enthalten die Knollen neben Mangan wertvolle Buntmetalle, wie Nickel, Kupfer und Kobalt; zudem seltene Metalle wie Molybdän, Neodym, Cer und Yttrium, die bei der Herstellung von Elektronikprodukten eingesetzt werden.

Mangan gibt den Knollen zwar ihren Namen, da es den größten Anteil darin ausmacht. Der Rohstoff ist aber nicht so wertvoll und daher für den Abbau kaum interessant. In zehn Kilogramm Manganknollen stecken nur kleine Anteile der weit wertvolleren Buntmetalle: 140 Gramm Kupfer, 140 Gramm Nickel und 20 Gramm Kobalt. Steigen die jeweiligen Rohstoffpreise an Land, steigt auch das Interesse an den "Trüffeln der Tiefsee". Deutschland will vorbereitet sein.

"Die Bundesregierung betrachtet unsere Forschung als Zukunftsvorsorge", sagt Carsten Rühlemann von der Bundesanstalt für Geowissenschaft und Rohstoffe (BGR) in Hannover. "Wir haben so die Hand auf wichtigen Ressourcen." Seine Behörde berät und vertritt auch die Bundesregierung in "georelevanten Fragen".

Rühlemann kennt die deutschen Lizenzgebiete im Pazifik. Im Juni kehrte der BGR-Forscher von einer fünfwöchigen Expedition zurück. Mit anderen deutschen Wissenschaftlern erforschte er die Bodenschätze im deutschen Anspruchsgebiet. Die Bilanz der Suche: eine Milliarde Tonnen Manganknollen.

Ab wann sich ein Abbau der Knollen lohnt, kann Rühlemann nicht abschätzen. "Das hängt von den Rohstoffpreisen und der technischen Entwicklung ab." Frühstens in 10 Jahren sei es so weit, sagt Rühlemann. Deutsche Gerätehersteller, wie die schwäbische Würth GmbH, signalisieren bereits Interesse an den Ergebnissen des BGR, so Rühlemann. Sie könnten in Zukunft die passende Abbautechnologie liefern. Es wäre nicht der erste Griff in die Tiefsee.

Bereits vor dreißig Jahren zog der damalige deutsche Stahlkonzern Preussag testweise Manganknollen an Board. Die Abbautests wurden jedoch bald darauf eingestellt. Schon damals bestanden Zweifel an der Umweltverträglichkeit des Unterfangens. 1988 beauftrage die Bundesregierung den renommierten Hamburger Tiefseeforscher Professor Hjalmar Thiel die Auswirkungen des Tiefseebergbaus zu untersuchen.

In großflächigen Versuchen störte Thiel mit Hilfe eines speziellen Tiefseepflugs den Meeresboden. "Drei und sieben Jahre nach dem Eingriff untersuchten wir die Stellen erneut", sagt der inzwischen emeritierte Professor. Das Ergebnis: Die Narben am Meeresgrund waren noch deutlich zu erkennen, die ursprüngliche Lebensgemeinschaft kehrte jedoch fast komplett zurück.

Ist Tiefseebergbau folglich ungefährlich? Thiel verneint. Entscheidend für die Erholung des Meeresbodens sei die Größe der Abbauflächen und die Distanz zwischen ihnen. Er schlägt einen Mindestabstand von 30 Kilometern zwischen Flächen vor, die jeweils höchstens 200 Quadratkilometer groß sein dürfen. Nur so könnte sich der Boden und seine Lebensgemeinschaft nach einem Eingriff weit gehend erholen.

Fragt man Umweltschützer nach den Folgen des Tiefseebergbaus, klingen die Prognosen düster. Christian Neumann, Meeresschutzexperte beim WWF, befürchtet einen Abbau, vergleichbar mit der Abholzung des Regenwalds. "Angesichts der immensen Mengen von Metallen verfallen sicherlich einige in Goldgräberstimmung", sagt Neumann. Wann der Rausch beginnt, weiß er nicht.

Bevor es losgeht, muss eine juristische Frage geklärt werden, die momentan ein Gericht in Hamburg, drei internationale Organisationen und neun Länder beschäftigt: Wer zahlt, wenn beim Abbau Schäden entstehen? Rechtliche Grundlage ist die UN-Resolution 2749. Vor vierzig Jahren erklärte die Staatengemeinschaft das Gebiet des Meeresbodens und des Meeresuntergrunds abseits nationaler Hoheitsgewässer als "gemeinsames Erbe der Menschheit".

"Das Gebiet", wie Seerechtler jenen Erdausschnitt andachtsvoll bezeichnen, darf nur im Sinne der gesamten Menschheit erforscht und ausgebeutet werden. Will ein Unternehmen im "Gebiet" tätig werden, braucht es einen sogenannten Sponsoring State, einen Staat, der sich für das Unternehmen verbürgt. Soweit die Theorie.

In der Praxis tobt ein Kampf der Interessen. Ausgetragen wird er gegenwärtig in Hamburg vor der Kammer für Meeresbodenstreitigkeiten, die zum Internationalen Seegerichtshof gehört. Die Kammer tagt auf Antrag der Pazifikrepublik Nauru, einem Entwicklungsland mit 13.000 Einwohnern.

Nauru beherbergt ein Tochterunternehmen des kanadischen Bergbaukonzerns Nautilus Minerals. Nautilus braucht Nauru als seinen "Sponsoring State".

Was, wenn der Bergbaukonzern Schäden verursacht? Soll Nauru, der drittkleinste Staat der Welt, tatsächlich für Nautilus haften? Es ist ein historischer Fall; das erste Verfahren überhaupt in der vierzehnjährigen Geschichte der Kammer. In einigen Monaten werden die Richter ein Gutachten vorlegen. Es soll Rechtssicherheit schaffen, bevor die Trüffeljagd eröffnet wird.

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