Manipulation von Sporterblut: Hinter dem schützenden Kokon

Vor dem Sportausschuss wird jetzt der Fall des mutmaßlichen Blutpanschers Andreas Franke verhandelt. Die Öffentlichkeit ist nicht zugelassen.

Nach Bestrahlung mit Schwarzlicht bekamen die Sportler ihr Blut zurück. Bild: dpa

BERLIN taz | Seit ein paar Monaten ist der Sportausschuss des Deutschen Bundestags geschlossen. Für Journalisten. Schreiberlinge. Das Fußvolk. Die Abgeordneten bleiben unter sich. Auch Mittwoch tagen sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Es geht um ein brisantes Thema: Manipulation von Sportlerblut.

Diskutiert wird der Fall des Erfurter Sportmediziners Andreas Franke. Er hatte von 2005 bis 2011 Athleten mit der UV-Methode behandelt. Hierbei werden etwa 50 Milliliter Blut entnommen, mit Schwarzlicht bestrahlt und zurück in die Armvene gespritzt.

Für diese Leistung hat der Mediziner vom Erfurter Olympiastützpunkt insgesamt 23.200 Euro erhalten. Über 30 Sportler hat Franke behandelt, darunter die Sportpromis Claudia Pechstein und Nils Schumann.

Es gibt viele Fragen zu diesem Fall: War das Doping, und wenn ja, seit wann? Handelt es sich gar um Staatsdoping? Wurde es vom Olympiastützpunkt geduldet? Welche Rolle spielt die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada)?

Warum hat die Nada bisher nur zwei Verfahren eröffnet – gegen die Eisschnellläuferin Judith Hesse und den Radsportler Jakob Steigmiller? Was ist mit den anderen Bestrahlten? Will der deutsche Sport auf Biegen und Brechen einen größeren Dopingskandal verhindern?

Fragen über Fragen, die heute hinter verschlossenen Türen erörtert werden. Geladen sind Vertreter der Nada, die Vorstandsvorsitzende Andrea Gotzmann und Vorstand Lars Mortsiefer, das Innenministerium, der Pharmakologe Fritz Sörgel und der Rechtsanwalt Georg Engelbrecht, der früher auch für den Internationalen Sportgerichtshof (Cas) Recht gesprochen hat.

UV-Methode ist verboten

Engelbrechts Expertise deckt sich mit den Recherchen dieser Zeitung: Die UV-Methode ist seit 2003 verboten.

In seiner Stellungnahme für den Ausschuss schreibt der Jurist aus Saarbrücken: „Wenn auch Leichtathleten am Olympiastützpunkt Erfurt von dem Arzt Andreas Franke ohne medizinische Indikation behandelt worden sein sollten (egal ob per Injektion oder Infusion und egal mit welchen Blutmengen), ist das ein Dopingverstoß. Die Mediendiskussionen, ob diese Methode überhaupt sinnvoll, zur Leistungssteigerung geeignet war oder nicht, spielt hierbei keine Rolle.“

Ein Cas-Urteil aus dem Jahr 2003 stützt Engelbrecht. Auch kleine Mengen von Blut, die entnommen, manipuliert und zurückgeführt werden, sind nicht erlaubt, heißt es da.

Die Mahnung überhört

Und weiter: „UV-Bluttransfusion ist eine Form der Eigenbluttherapie.“ Der Cas mahnte seinerzeit, dass bei Methoden, „die (noch) nicht als Teil der Schulmedizin betrachtet werden können, ein Mediziner besonders vorsichtig sein muss, um jeden Verdacht von verbotenen Handlungen zu vermeiden.“ Eine Mahnung, die man in Erfurt überhörte.

Die Stellungnahme des Innenministeriums folgt dieser Rechtssprechung nicht. Die Vorsitzende des Sportausschusses, Dagmar Freitag (SPD), sagte gestern, sie sei „enttäuscht von dem Papier“.

Sie habe es ungewöhnlich spät auf den Tisch bekommen: „Wahrscheinlich hat das BMI bis zuletzt daran gewerkelt.“ Das BMI übernimmt die Argumentation der mutmaßlich gedopten Sportler: Erst nach dem 1. Januar 2011 sei diese Methode von der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) „eindeutig“ verboten worden, heißt es.

Innenministerium spielt Verteidiger

Die Problematik lasse sich nur durch eine „juristische Bewertung der Verbote“ lösen, so das Innenministerium, das keinen sachlichen Bericht liefert, sondern in die Rolle des Verteidigers schlüpft. Verteidigt wird der deutsche Sport und somit auch der Erfurter Olympiastützpunkt (OSP).

Dokumentiert wird eine Anfrage des OSP-Leiters an die Nada aus dem Jahr 2007. Er fragt, ob die UV-Methode erlaubt sei. Laut Innenministerium habe die Wada „nicht widerspruchsfreie Auskünfte“ gegeben und die Nada „nicht eindeutig“ geantwortet.

Immerhin muss das BMI einräumen, dass die Nada damals eine „tendenziell ablehnende Bewertung des Sachverhaltes“ gegeben hat. Der OSP bekam also keinen Freibrief für die UV-Behandlung. Hätte der Olympiastützpunkt dann nicht lieber die Finger von fragwürdigen Blutbehandlungen lassen sollen?

Das sollte man annehmen, stattdessen durfte Doktor Franke munter weiterbestrahlen – mit Steuergeld.

Eine schützende Hand

Die UV-Methode war im Grunde seit dem Jahr 2002 diskreditiert. Das österreichische Langlaufteam unter der Leitung von Walter Mayer war damit bei den Winterspielen in Salt Lake City aufgeflogen.

Andere Blutdopingskandale sollten folgen, allen voran die Blutbeutelorgie des spanischen Frauenarztes Eufemiano Fuentes.

Um in einem solchen Umfeld weiterhin auf Blutbehandlungen zu setzen, bedarf es eines gerüttelt Maßes an Chuzpe. Dazu muss man sich auch sicher fühlen. Und wo ist es sicherer als im schützenden Kokon des deutschen Sports.

Es ist eine Hülle, die Sportler wohlig umschließt. Und die anderen draußen lässt.

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