Maria-2.0 in Berlin: Protest ohne Protest

Katholisches Kunstwerk: Eine Frauenbewegung fordert die Abschaffung des Patriarchats. Anstatt zu demonstrieren hält sie eine Andacht ab.

Die gefalteten Hände einer Frau.

Ob Beten hilft? Gott, schenke den Männern Einsicht Foto: Friso Gentsch/dpa

Gott, du schenkst uns Vollmacht, Zukunft zu gestalten“, singen etwa 150 Frauen und rund 20 Männer am Donnerstagabend auf dem Bebelplatz vor der St.-Hedwigs-Kathe­drale. Nur eine Frau singt nicht mit, sie hat sich den Mund mit Tesafilm zugeklebt und tut es damit dem Symbolbild der Protestaktion „Maria 2.0“ gleich, auf dem die Heilige Maria mit einem Pflaster vor dem Mund von der Künstlerin Lisa Kötter abgebildet wurde.

Auf Initiative einer Frauenbewegung in Münster traten katholische Frauen in dieser Woche bundesweit in den Streik, um gegen die männlichen Strukturen in ihrer Kirche zu protestieren. In Berlin ist die Aktion von einzelnen Frauen aus verschiedenen katholischen Pfarrgemeinden organisiert. Die Andacht ist der Protest: Zwei Frauen lesen abwechselnd Gebete vor, halten Predigten und stimmen Lieder an. Zu ihren Füßen ist ein Kreuz auf einem weißen Laken aufgebahrt. Eine Frau begleitet den Gesang mit einer Querflöte.

Es regnet, das Publikum schützt sich unter großen Schirmen und beginnt stockend einen Gebetstanz: vier Schritte nach rechts, Drehung um die eigene Achse, dann verweilen sie mit gekreuzten Armen vor der Brust. Einige Teilnehmerinnen, von denen die meisten über 50 sind, tragen weiße Umhänge: „Das soll kein Priesterinnengewand sein, sondern steht dieses Mal für Hoffnung“, sagt die Besucherin Inge Lux. Sie erzählt von einer Frauenbewegung, die sich Ende der 80er Jahre unter dem Namen „Lila Stola“ in Berlin formiert habe. Nach Diakon- und Priesterweihen seien die Frauen vor die St.-He­dwigs-­Kathedrale gekommen, hätten den Männern gratuliert und sie gebeten, sich für die Gleichberechtigung der Frauen einzusetzen. Daraus sei aber nichts geworden, berichtet Lux.

Jetzt probieren es die katholischen Frauen erneut: Sie fordern die Aufhebung des Zölibats und den Zugang von Frauen zu allen Weiheämtern, die rechtmäßige Aufarbeitung der Missbrauchsfälle vor weltlichen Gerichten – und sie sind gegen die Ausgrenzung von wiederverheirateten Geschiedenen in der Amtskirche.

„Mir als geschiedener Frau soll nicht die ganze Kommunion verboten werden, wenn ich wieder heirate“, sagt Ursula Snay, Pressesprecherin des Sozialdienst katholischer Frauen.

Revolution im Weichspülgang

Die Teilnehmer*innen auf dem Bebelplatz bilden nicht einmal ein Prozent der rund 300.000 in Berlin lebenden Katholik*innen ab. Sie scheinen auch nicht wütend zu sein: Sie singen von Maria und danken Gott. Auch Kalle Lenz, Pfarrer in der St.-Christophorus-Gemeinde in Neukölln, ist gekommen: Ob er verstehen könne, wenn Frauen dieser Tage aus der Kirche austreten? „Ja, nicht nur dieser Tage, die Strukturen müssen sich grundlegend ändern.“

Ob sich nun wirklich etwas ändern wird in der Katholischen Kirche? Das scheinen selbst die Teil­neh­me­r*in­nen auf dem Bebelplatz skeptisch zu sehen. Am Sonntag werden sie auf jeden Fall wieder in die Kirche gehen.

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