Maria Wessel-Niepel über Personalpolitik: „Wartezeiten sind noch zu lang“

Trotz Umstrukturierung des Stadtamts: Mehr als Erfüllung des Mindestbedarfs ist dort nicht zu erwarten, sagt Amtsleiterin Marita Wessel-Niepel.

Ohne Termin steht man im Regen: Das Bürger-Service-Center hat immer noch lange Wartezeiten Bild: Jean-Philipp Baeck

taz: Frau Wessel-Niepel, bei der letzten Sitzung des Innenausschusses wurde Ihnen aus den Reihen der CDU mangelnde Kontrolle im Bereich der Ordnungswidrigkeiten vorgeworfen. Was genau war damit gemeint?

Marita Wessel-Niepel: Das bezog sich auf Dinge wie Anleinpflicht für Hunde oder den Nichtraucherschutz. Es gibt Ordnungsdienste in Deutschland, die sehr viel Personal für Kontrollen einsetzen, aber wir haben hier nicht die Möglichkeit, jemanden über die Spielplätze zu schicken, um festzustellen, ob dort der Nichtraucherschutz eingehalten wird – ich habe nicht zehn oder 20 Mitarbeiter, die ständig durch die Stadt gehen können.

Dann bleiben viele Ordnungswidrigkeiten in Bremen aufgrund von Personalmangel unkontrolliert?

Wir kontrollieren durchaus: Wir haben einen Außendienst und wir gehen natürlich Beschwerden nach. Und wir machen Schwerpunktaktionen. Wir haben gerade alle Spielhallen in Bremen kontrolliert. Oder wir machen Waffenkontrollen – so intensiv wie kaum woanders im Bundesgebiet. Wir haben dadurch die Zahl der Waffenbesitzer stark reduzieren können. Im Jugendschutz machen wir die berühmten Testkäufe. Wir setzen auf Schwerpunkte und auf Stichproben, und die Polizei ist hier natürlich auch tätig. Es stellt sich ja auch die Frage: wie viel Kontrolldichte will man denn überhaupt in einer Gesellschaft?

Dennoch ist es ja nicht so, dass Sie freiwillig auf Kontroll-Personal verzichten ...

Die Ordnungswidrigkeiten sind nur ein ganz kleiner Ausschnitt aus dem Aufgabenspektrum des Stadtamtes. Aber natürlich haben wir wenig Mitarbeiter. Mit rund 420 Stellen, die uns nach dem Kontrakt zwischen Innen- und Finanzressort zugebilligt wurden, decken wir nur knapp den festgestellten Mindestbedarf – errechnet nach Erreichen aller Optimierungsmöglichkeiten, zum Beispiel im technischen Bereich. Auch konnten längst noch nicht alle Stellen besetzt werden.

In welchen Abteilungen fehlt denn noch Personal?

Zum Beispiel in der Ausländerbehörde, den Standesämtern und bei den Gewerbeangelegenheiten. Ein großes Problem dabei ist, dass die Nachwuchskräfte, und das sind ein Zehntel meiner Mitarbeiter, keine festen Stellen haben. Am Ende der Ausbildung werden sie uns zugewiesen, sie werden eingearbeitet – und dann kann ich sie nicht halten, weil sie sich auf die nächste freie Behördenstelle bewerben. Die kann auch im Bau- oder Sozialressort sein. Die Fluktuation ist einfach zu hoch.

Wie wollen Sie dieses Defizit auffangen?

Wir müssen die Möglichkeit haben, erreichte Maßnahmen zur Verbesserung des Bürgerservice durch den erhöhten Personaleinsatz abzusichern und auch in anderen Bereichen des Stadtamtes weiterzuentwickeln. Unsere Umstrukturierungen zielen auf Synergien und Steigerung der Effektivität ab. Aber vor allem haben wir Bereiche zusammengelegt und Abteilungen neu geordnet, wir zentralisieren unseren Telefon-Service und verbessern unsere technische Ausstattung, um künftig beispielsweise Termine per Internet vergeben oder online Dokumente zur Verfügung stellen zu können. Das dauert aber und ist teilweise mit Testphasen und Pilotprojekten verbunden – und erst einmal auch mit Aufwand und Veränderungs- und Lernprozessen für unsere Mitarbeiter. Das schürt bei vielen durchaus auch Ängste und Unzufriedenheit und erfordert umfassende Beteiligungsprozesse.

Im vergangenen Jahr war der Krankenstand beim Stadtamt sehr hoch – ist das ein Indiz dafür?

Ja, bestimmt. Aber auch die Arbeit an sich. Unsere Mitarbeiter arbeiten oft im Schichtdienst und haben nicht immer leichte Aufgaben. Die Arbeit beispielsweise in der Ausländerbehörde und im Bereich der gewerberechtlichen Verfahren ist interessant, aber oft auch belastend, denn dort geht es um ganz existentielle Entscheidungen, die mit einer hohen Verantwortung einhergehen. Stellen bei anderen Behörden sind für viele attraktiver als bei uns.

Noch merkt man als Kunde nichts von der Umstrukturierung: Die Wartezeiten beim Bürger-Service-Center sind nach wie vor enorm, ohne Termin geht eigentlich gar nichts ...

Die Wartezeiten sind noch zu lang. Viele Menschen wissen, dass sie sich beispielsweise innerhalb von zwei Wochen ummelden müssen, aber nur wenige wissen, dass sie ihrer Pflicht auch dann Genüge tun, wenn Sie einen Termin bei uns vereinbaren – auch wenn der nicht in zwei Wochen ist. Wer ein dringendes und eiliges Anliegen hat, kann uns anrufen und seine Situation schildern – dann ist auch ein schnellerer Termin möglich. Oder die Beratung am Telefon erübrigt den Besuch im Amt gleich ganz. Momentan ist Urlaubszeit, da wollen die Menschen einen neuen Reisepass oder nutzen ihre freien Tage, um Behördengänge zu erledigen. Wir können Kunden nur auffordern, bitte Termine zu vereinbaren und auch die telefonische Beratung über das Bürgertelefon zu nutzen.

Wann wird die Umstrukturierung abgeschlossen sein?

Weder in diesem noch im nächsten Jahr. So etwas dauert. Und auch dann wird nicht alles rosig sein, denn in einem Haushaltsnotlageland wie Bremen müssen wir uns leider auch mit den Kapazitäten begnügen, die uns zur Verfügung stehen.

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