Marktmacht im Internet: Alle auf einen

Der Kurznachrichtendienst WhatsApp führt eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ein. Können wir jetzt alle wechseln? Klar. Aber.

Hinweis zur Sicherheit bei WhatsApp auf einem Smartphone

Frohe Kunde – doch über die übrigen Schwächen von WhatsApp wird lieber geschwiegen Foto: reuters

Man kann versuchen, sich das mal vorzustellen: Wie es wohl zuging, als sie in den Büros von NSA über BND bis zum britischen GCHQ erfahren haben, dass WhatsApp ab sofort verschickte Nachrichten von Ende zu Ende verschlüsselt. Verzweiflung? So richtig, mit auf den Boden stampfen, Haare raufen, und Kopf gegen die Wand schlagen? Oder – Achtung! Verschwörungstheorie – Gelassenheit? Weil sie längst von einer bislang unveröffentlichten Sicherheitslücke wissen?

Einiges spricht dafür, dass es eher das Szenario mit den Köpfen und der Wand gewesen sein wird. Das Team von Openwhispersystems um den in der Szene bekannten Moxie Marlinspike hat die Verschlüsselung entwickelt. Lob kommt auch von Menschen, die des Verklärens eher unverdächtig sind – etwa dem Hacker und Journalisten Jacob Appelbaum. Eine Milliarde Menschen weltweit nutzen WhatsApp. Für einen Teil der Nutzer, die das Betriebssystem Android nutzen, gab es WhatsApp-Verschlüsselung schon länger. Die Übrigen kommunizierten für Dritte mitlesbar. Davor aber sind nun die Kurznachrichten von potenziell allen WhatsApp-Nutzern geschützt. 42 Milliarden Nachrichten täglich, deren Inhalt sich der Massenüberwachung entzieht. Das ist nicht nichts. Das ist ein Fortschritt.

WhatsApp hat hier – wenn auch nicht gerade als Vorreiter – einen Standard gesetzt. Genau wie Google, das etwa schon früher die Transportverschlüsselung von E-Mails ermöglichte und ein Jahr nach Snowden angab, für sein Suchmaschinen-Ranking das Kriterium Verschlüsselung positiv zu gewichten. Der Nachteil eines Unternehmens, das den Markt beherrscht, ist hier ein Vorteil.

Daher ist nicht das zentrale Problem, dass WhatsApp immer noch eine Reihe an Schwächen hat. Dass der Account überflüssigerweise mit der Telefonnummer verknüpft ist. Dass der Dienst die persönlichen Kontakte ausliest. Dass die Verschlüsselung überhaupt nur zwischen Nutzern mit der neuesten Version funktioniert. Alles nicht schön, aber das meiste lösbar, wenn das Unternehmen will. Und da sind wir beim wirklichen Problem, beim Haken bei der Nutzung des Dienstes: dem Ausgeliefertsein.

Priorität sieht anders aus

Warum macht das Unternehmen das eigentlich mit der Verschlüsselung? „Der Wunsch, die private Kommunikation von Menschen zu schützen, ist einer der wichtigsten Punkte, an den wir bei WhatsApp glauben“, schreiben die Gründer. Gut, so wichtig kann er nicht gewesen sein, schließlich existiert die Firma bereits seit 2009. Verschlüsselung gab es damals auch schon. Aber eben nicht bei WhatsApp. Was also sollte den Dienst daran hindern – wenn es die wirtschaftliche Situation, politischer Druck oder persönliche Präferenzen der Chefs einfordern –, das mit der Verschlüsselung wieder einzustellen?

Wie viele Nutzer dem Anbieter den Rücken kehren würden, ließ sich bereits erleben, nach der Übernahme durch Facebook. Von der groß angelegten Kündigungswelle blieben am Ende vor allem Absichtserklärungen übrig.

Doch wenn alle zur Nummer eins rennen, haben es Alternativen schwer. Das ist etwa bei Browsern zu sehen, wo Googles Chrome seit einigen Jahren dabei ist, Anbieter wie Firefox in die Nische zu schieben. Und damit auch Möglichkeiten der privatsphärenfreundlichen Konfiguration. Positive Effekte von Marktmacht sind eben eher Einzelfälle. In der Regel ist sie zum Nachteil für die Nutzer.

Es kann also nicht schaden, sich beizeiten nach Alternativen umzusehen. So lange es sie noch gibt.

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