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Massaker an Drusen in SyrienGegen die Gewalt der Islamisten

In Berlin demonstrieren Hunderte gegen die Massaker an Drusen in Syrien. Auch in Deutschland wird die Minderheit von Islamisten bedroht.

Trotzen den islamistischen Drohungen: Drusen vor der US-Botschaft in Berlin am Sonntag Foto: Daniela Sepehri

Berlin taz | Sie stehen in der prallen Sonne vor der US-Botschaft am Brandenburger Tor. Viele sind aus umliegenden Städten angereist. Rund 10.000 Drusen von weltweit einer Million leben in Deutschland. In Berlin protestieren Hunderte von ihnen gegen ein Massaker, das Tausende Kilometer entfernt tobt, und ihre Familien direkt trifft.

In As-Suwaida, einer drusisch geprägten Region im Süden Syriens, eskaliert seit einer Woche die Gewalt. Sunnitische Milizen, HTS-Kämpfer und regierungstreuen Truppen überziehen die Region mit gezielten Angriffen. Hunderte Zivilisten wurden laut Menschenrechtsgruppen ermordet, teilweise enthauptet, ganze Dörfer in Brand gesetzt.

Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von Pro Asyl, ist selbst Druse und hat Angehörige verloren: Zwei Onkel und ein Cousin wurden getötet. Er spricht von Völkermord: „Nicht nur Drusen werden angegriffen, sondern ganz Suweida, also auch Christen. Aber die Absicht geht gezielt in Richtung unserer Auslöschung.“

Seit Tagen organisiert Alaows mit anderen täglich Proteste in Berlin. Dafür erhält er Drohungen. „Ich wurde auf Demos gefilmt, man droht mir mit Verfolgung meiner Familie. Einige derjenigen, die mich angreifen, habe ich selbst im Asylverfahren unterstützt. Aber ich werde nicht aufhören, mich für die Rechte aller einzusetzen, unabhängig von Religion.“

Hoffen auf die USA

Seine Cousine Zeina Alaous hat gerade ihr Abitur in Berlin gemacht. Die Ohnmacht ist spürbar. „Wir sind machtlos. Es ist schwierig, politisch Gehör zu finden, obwohl das einer der wenigen Wege ist, wie wir hier helfen können.“ Sie hat Abgeordnete kontaktiert und wartet bis heute auf Antwort. Gleichzeitig erlebt sie offenen Hass. „Ich saß in der U-Bahn, da sagte jemand: ‚Wir werden sie alle schlachten.‘ Ich hatte Angst.“ Auch Menschen aus ihrem direkten Umfeld posten in den sozialen Medien gegen die Drusen. „Ich frage mich: Mit wem habe ich all die Jahre gelebt?“

Omar Alkadamani, Mitorganisator der Kundgebung, hat zwei Onkel zweiten Grades verloren, einer von ihnen wurde mit seiner Frau geköpft. „Ich habe Angst, alles zu verlieren“, sagt er. Und doch bleibt er unbeugsam. „Sie können uns morden, foltern, unsere Würde angreifen, aber wir bleiben kämpferisch.“

Seine Familie lebt in Suweida. Strom und Lebensmittel sind seit Tagen blockiert. Die Region ist abgeriegelt, die Welt schaut kaum hin. Von einigen bekommt er Unterstützung, erzählt der Leipziger Aktivist, doch gleichzeitig berichtet er von Diffamierungen. „Viele glauben der Propaganda der syrischen Regierung und stellen unsere Würde in Frage. Das macht mich traurig.“

Der Protest richtet sich bewusst an die USA. Sie haben Einfluss auf die syrische Regierung unter Ahmed Al-Scharaa, das angeblich zur Stabilisierung militärisch in Suweida eingriff, in Wahrheit aber Kämpfer mobilisiert und die Gewalt anheizt. Sie fordern ein Ende der Angriffe, Schutz für Zivilisten, humanitäre Korridore und unabhängige Beobachtungstruppen. Dafür sollen Deutschland und die USA Druck auf die syrische Interimsregierung ausüben.

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4 Kommentare

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  • Es müsste doch jetzt nach dem Regime Change in Syrien das Paradies ausgebrochen sein. Als der Vize des IS Chefs Al Bagdhadi endlich an die Macht gekommen war wurde dies hier doch euphorisch begrüßt. Nun scheint man ja wirklich "überrascht" zu sein, das der Islamistenführer seine Zeit hauptsächlich damit verbringt "Ungläubige" ermorden zu lassen.

  • Wer kann denn ernsthaft überrascht sein? Der politische Islam, vertreten von Islamisten, hat sich noch nirgendwo durch Toleranz und Achtung von Minderheitenrechten hervorgetan und er wird es auch nicht in Syrien. Islamisten können keinen Partner sein, umso absurder ist es, dass im Falle der Hamas nicht wenige Linke genau diese Meinung vertreten. Erschreckend, dass Herr Alaows für seinen Einsatz hier bei uns von Menschen allein aufgrund seiner Religion bedroht wird, denen er geholfen hat Schutz zu suchen und denen dieser Schutz anscheinend auch gewährt wurde. Diese Entscheidungen sollten zügigst überdacht werden.

  • Wiki: " . . . dass man von einer eigenständigen Religion und nicht von einer Richtung des Islam sprechen muss. Die Drusen haben eine allegorische Interpretation des Koran mit einer eigenen Doktrin."

    Wie die Christen gelten sie im Islam als "Ungläubige". Müssen also getötet werden.

    Die Drusen sind eine fortschrittliche Religion, sehen die Abfolge von Reinkarnationen, fast ein Touch Buddhismus, dabei mit großem Respekt vor den verschiedenen Religionen und dem Sein anderer.

    Eine tolerante, sympathische Religion, missionieren nicht.

    Volle Solidarität mit den Drusen! Auch hier in Deutschland.

    de.wikipedia.org/wiki/Drusen

    • @shantivanille:

      Ich frage mich immer wieder, woher Sie Ihr Wissen über „den“ Islam haben; selbst konservative islamische Rechtsschulen fordern nicht, Christen zu töten, sondern sichern Ihnen einen (wenngleich untergeordneten) Schutzstatus zu; Drusen wurden zwar teils als Apostaten betrachtet, aber auch das gilt nicht uneingeschränkt und nicht unbedingt für die Gegenwart (Ihnen ist klar, dass irgendein Jahrhunderte altes Gutachten nicht unbedingt den theologischen und sozialen Status quo wiedergibt?). Die meisten Muslime fordern überhaupt nicht, dass irgendjemand wegen seines Glaubens umgebracht werden sollte – und dass in Syrien Minderheiten (übrigens auch islamische) wieder von extremistischen Halsabschneidern bedroht werden, liegt nicht zuletzt an westlichen Versuchen, eine säkulare Regierung zu stürzen. Einen islamischen Staat nach dem anderen zu zerstören und den Muslimen das ausbrechende Chaos dann zum Vorwurf zu machen, ist ein bisschen billig. Die Illusionen über Buddhismus und Drusentum (die genauso wunderbar und genauso scheußlich sein können wie jede andere Religion) rede ich Ihnen später noch aus.