Massenproteste in Barcelona: Unruhen nach dem Sternmarsch

Eine halbe Million Menschen demonstriert am Freitag in Barcelona gegen die Haftstrafen der Separatistenführer. Es kommt erneut zu Gewalt.

Eine Frau hält sich ein Tuch vor die Nase und schiebt ihr Fahrrad über eine Straße voller Schutt

Schutt in den Straßen Barcelonas Foto: ap

BARCELONA taz | Glücklich aber abgekämpft läuft David Ortega durch die riesige Menschenmenge auf einer der breiten Boulevards Barcelonas, dem Passeig de Gràcia. Der Rucksack, die Isomatte, die Trinkflasche deuten darauf hin, dass der 26-jährige Sportlehrer an den “Märschen für die Freiheit“ teilgenommen hat. Etwa 30.000 Demonstrierende hatten am Freitag nach zweieinhalb Tagen aus fünf Richtungen das Zentrum erreicht. Der dortigen Großkundgebung sollen sich laut Polizei etwa 525.000 Menschen angeschlossen haben.

Die Märsche fallen mit dem vierten Generalstreik in nur zwei Jahren zusammen. Geschäfte blieben geschlossen. Fabriken wie etwa die Autofirma Seat stellten die Produktion ein, Flüge und Züge fielen aus. Barcelona war durch die Märsche, kleinere Demonstrationen und Straßenblockaden den ganzen Tag nur schwierig mit dem Auto oder Bus zu erreichen.

„Es geht uns um die Verteidigung der Rechte und Freiheiten“, sagt Demonstrant Ortega. Die Menschen protestieren gegen die Verurteilung von neun Unabhängigkeitspolitikern und Aktivisten zu langjährigen Haftstrafen. „Freiheit für die politischen Gefangenen!“ und „Unabhängigkeit!“ ruft die Menge immer wieder.

Die Stimmung ist zunächst gelöst. Junge, Ältere, ganze Familien mit Kindern sind gekommen. Musiker stimmen traditionelle Lieder an, Protestierende tanzen. Nur die Brandflecken auf dem Asphalt lassen den Schluss zu, dass es die vergangenen vier Nächte seit der Urteilsverkündung immer wieder zu Ausschreitungen gekommen ist.

54 Festnahmen und 89 Verletzte

So auch an diesem Freitag: Nicht weit entfernt von den Tanzenden, vor dem abgesperrten Kommissariat der spanischen Nationalpolizei, bietet sich ein anderes Bild. Junge Menschen beleidigen die Beamten, werfen Gegenstände. Die Polizisten rücken daraufhin aus, setzen Schlagstöcke, Gummigeschosse und erstmals ihren einzigen Wasserwerfer ein. Das Gerät war in den achtziger Jahren angeschafft und seither nicht benutzt worden.

54 Festnahmen und 89 Verletzte soll es laut Polizei in der vergangenen Nacht gegeben haben. Eine Entspannung der Lage ist nicht in Sicht. Innenminister Fernando Grande-Marlaska trat am Freitag gleich zweimal vor die Presse. „Wir werden das Strafgesetzbuch mit aller Kraft gegen die gewaltsamen Unabhängigkeitsbefürworter anwenden“, erklärte er. Eine Spezialeinheit der paramilitärischen Guardia Civil ist mit 300 Einsatzkräften in ganz Katalonien im Einsatz.

Gleichzeitig wurde bekannt, dass der spanische Sondergerichtshof, die Audiencia Nacional in Madrid, gegen die Internetplattform „Demokratischer Tsunami“ wegen Terrorismusverdachts ermittelt. Die eigens für die Proteste gegen das Urteil gegründete Bewegung zählt mittlerweile über 330.000 AbonnentInnen bei der Nachrichten-App Telegram. Sie mobilisierten am vergangenen Montag Tausende zu einer weitgehend friedlichen Blockade auf dem Flughafen von Barcelona. Mittlerweile lässt sich die Internetseite von Spanien aus nicht mehr aufrufen.

Für das nächste Wochenende sind gleich zwei Demonstrationen angekündigt. Zum einen wird am Samstag ein breites Bündnis – nicht nur aus UnabhängigkeitsbefürworterInnen – gegen das Urteil und für Bürgerrechte auf die Straße gehen. Und am Sonntag will die von spanischen Parteien unterstützte Organisation „Katalanische Zivilgesellschaft“ für die Einheit Spaniens mobil machen. Das Spitzenspiel der Liga, FC Barcelona gegen Real Madrid, wurde aus Sicherheitsgründen auf Dezember verschoben.

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