Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen: Bundesregierung hat keine Eile

In der Istanbul-Konvention verpflichtet sich die Bundesregierung dazu, Hilfsangebote für Frauen zu schaffen. Tatsächlich tut sich aber wenig.

Frau mit pinker Mütze vor dunklem Hintergrund

Women's March in Berlin: Diese Frau demonstrierte im Januar gegen Frauenfeindlichkeit Foto: Stefan Boness/Ipon

BERLIN taz | Mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention vor einem Jahr verpflichtete sich die Bundesregierung, systematisch gegen Gewalt an Frauen und Mädchen vorzugehen. Nun erfragte die Linke mittels einer Bundestags-Anfrage den Stand der Umsetzung und zeigte sich alles andere als zufrieden. „Die Regierung entzieht sich den Verpflichtungen der Konvention. Das ist mehr als enttäuschend“, sagte Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Fraktion.

Die Istanbul-Konvention ist ein Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, das 2011 in Istanbul unterzeichnet wurde. Es schafft verbindliche Rechtsnormen gegen Gewalt, schreibt die Gleichstellung der Geschlechter in den Verfassungen vor und will die Situation von Frauen mit Prävention, Bildung, Hilfsangeboten und funktionierender Strafverfolgung verbessern. Den völkerrechtliche Vertrag unterzeichneten seitdem 46 Staaten, 33 ratifizierten ihn.

„Die Bundesregierung scheint zu glauben, dass sie unter Menschenrechtsabkommen einfach ihre Unterschrift setzen kann und damit dem Abkommen genüge getan wird“, sagte Möhring. Zahlreiche Verpflichtungen seien noch nicht erfüllt, zum Beispiel die Gründung einer Koordinierungsstelle auf Bundesebene und einer unabhängigen Monitoring-Stelle. Die Einrichtung eines unabhängigen Forschungsinstitut für Gewalt gegen Frauen ist ebenfalls nicht vorgesehen.

„Deutschland erfüllt bereits die Anforderungen der Istanbul-Konvention“, lautet hingegen die Antwort der Bundesregierung. Dies trifft bisher aber höchstens auf die Anpassung von Gesetzen zu. Aufgrund der Konvention reformierte die Bundesregierung Ende 2016 zum Beispiel das deutsche Sexualstrafrecht. Strukturelle Probleme ist sie dagegen noch nicht angegangen.

Frauenhäuser seien Ländersache

Für den gravierenden Platzmangel in Frauenhäusern zum Beispiel habe die Regierung nach wie vor keine Lösung, so Möhring. Die Finanzierung eines flächendeckenden Hilfesystems für Frauen sei Ländersache, entgegnet die Bundesregierung. 2019 solle jedoch das Bundesförderprogramm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ starten, das Konzepte zur Schließung der Lücken erproben solle.

„Momentan verzeichnen wir einen Rückgang an Frauenhausplätzen, obwohl der Bedarf steigt. Mit so einer Politik setzt die Regierung Menschenleben aufs Spiel“, sagte Möhring. Die aktuellsten Zahlen der Bundesregierung stammen aus dem Jahr 2012. Damals fehlten rund 1.300 Frauenhausplätze.

Ebenfalls fehlen Pläne für spezielle Hilfsmaßnahmen für ältere oder obdachlose Frauen. „Ältere Frauen haben die Möglichkeit (…) die gleichen Angebote wahrzunehmen wie Frauen und Mädchen in jüngerem Alter“, heißt es in der Antwort der Bundesregierung. Und: „Die Hilfsangebote der (…) Schutz- und Beratungseinrichtungen stehen in der Regel auch wohnungs- und obdachlosen Frauen offen.“

Auch zusätzliche, spezialisierte Hilfsdienste für digitale Gewalt sind nicht geplant. So verwies die Regierung lediglich auf das seit 2017 laufende Projekt „Aktiv gegen digitale Gewalt“, ohne dabei auf dessen Umfang oder eine mögliche Ausweitung einzugehen. Das Projekt fördert unter anderem Weiterbildungen für Berater*innen im Umgang mit Cyberstalking.

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