Mathias Döpfner über das Netz: "Freiheit von innen bedroht"

Die Pressefreiheit sei "von innen" bedroht, sagt Springer-Vorstandschef Döpfner. Nämlich durch die "Gratis-Kultur" im Internet. Der müsse man "sich widersetzen".

Mathias Döpfner vor dem Springer-Haus, mit der Skulptur "Balance-Akt" Bild: reuters

Pressefreiheit ist ein weiter Begriff – zumindest das bleibt hängen vom "M100 Sanssouci Colloquium", dem jährlichen Treffen europäischer Medien-Bosse in Potsdam. Dort sprach Agnieszka Romaszewska-Guzy, die Chefredakteurin von Belsat, der aus Polen für weißrussische Zuschauer sendenden TV-Station, über den Tod des 36-Jährigen Oleg Bebenin, dem kürzlich bei Minsk erhängt aufgefundenen Kollegen. An Selbstmord, wie die weißrussischen Behörden behaupten, glaubt die Journalistin nicht. Den weißrussischen Staatschef Lukaschenko forderte sie auf, den Tod aufzuklären – und appellierte an die anwesenden Medienmacher um Rückhalt für die Journalisten im Osten.

Wie von einem anderen Stern wirkte da die Rede von Mathias Döpfner, dem Vorstandschef der Axel Springer AG. Ein paar Stunden vor der Verleihung des M100-Preises an den dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard durch Kanzlerin Merkel und Präsidentschaftskandidaten Gauck behauptete Döpfner allen Ernstes, die Pressefreiheit werde durch das Internet selbst bedroht, sozusagen durch eine schlechte Angewohnheit des Internets: die "Gratis-Kultur".

Zunächst lobte der Springer-Chef noch die chaotische Struktur des Netzes, die auch in autoritären Staaten ein Mehr an Meinungsfreiheit ermögliche. Doch eben diese Struktur sei es, welche die Pressefreiheit hierzulande "von innen" angreife: "Die Tatsache, dass Informationen aller Art im Netz meist kostenlos erhältlich sind, werden als besonders gute Sache angesehen", so Döpfner. Die Verlagshäuser hätten alle zu diesem "großen Fehler" beigetragen. Es gebe eine "beinahe parareligiöse Heils-Ideologie": Die Open-Access-Bewegung habe eine digitale Welt propagiert, in der Freiheit nur herrschen könne, wenn jede Information für jedermann zu jeder Zeit kostenlos ist – Döpfner zitierte hier Jaron Laniers Worte vom "digitalen Maoismus". Aufmerksamkeit habe Geld als Währung ersetzt – doch Werbung reiche zur Finanzierung nicht aus. Döpfner: "Indem wir uns der Gratis-Kultur im Internet widersetzen, verteidigen wir unabhängigen Qualitätsjournalismus, verteidigen wir die Freiheit der Presse."

So leicht lassen sich also unternehmerische Interessen auf das glanzvolle Niveau der Pressefreiheit heben. Ein paar Details lässt Döpfner freilich weg: Etwa, dass das Internet keineswegs kostenlos zu kriegen ist. Während der Zeitungsleser ja auch für Papier, Druck und Transport bezahlt, fallen diese Kosten im Netz gar nicht an. Deshalb ist das Internet aber noch lange nicht kostenlos: statt Papier kauft sich der Leser Computer, Smartphones oder neuerdings Tablet-PCs. Und für den Vertrieb bezahlt er bei seinem Provider. Daran verdient Axel Springer übrigens auch: zum Beispiel über "BILDmobil", wo ein 30-Minuten-"Surfpaket" 59 Cent kostet.

Döpfner verdreht die Tatsachen: Dass es Unternehmen wie Google besser gelungen ist, im Netz mit Anzeigen Geld zu verdienen, kann wohl kaum dem Internet angelastet werden. Und dass die Nutzer durchaus bereit sind, im Internet Geld zu lassen, zeigt zum Beispiel der Erfolg von Apples iTunes Store. Open-Access und Gratis-Kultur – für Döpfner alles dasselbe. Folgerichtig also, dass er die Probleme der Verlage (lassen wir das Rekordergebnis von Axel Springer mal außer Acht) mit den Bedrohungen der Pressefreiheit gleichsetzt. Auf seinem Stern.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.