Medien klauen Facebook-Bild: Als „Klickhure“ missbraucht

Wie es eine lustige Persiflage auf ein SPD-Plakat auch zum „Handelsblatt“ und der „Bild“ schaffte – und das ganz ungewollt. Unser Autor hat's erlebt.

Das geklaute Fotomotiv des Posters. Bild: Pascal Beucker

KÖLN taz | Es hätte langweilig und öde werden können. Wieder eine von vielen peinlichen Aktionen, mit denen sich die etablierten Parteien besonders in Wahlkampfzeiten an die Internet-Community heranzuschleimen pflegen. Doch diesmal kam es anders: Was für ein Glück hatte die nordrhein-westfälische SPD bloß, dass sich an ihrem Online-Plakatwettbewerb auch jene zwei pfiffigen Tübinger Jusos mit ihrem Vorschlag „Currywurst ist SPD“ beteiligten. Gaga oder genial?

Ob in sozialen Netzwerken oder klassischen Medien: Schon lange wurde nicht mehr so heiß über ein Plakatmotiv diskutiert. Und nicht nur das: Das schräge Plakat lud einfach dazu ein, über weitere mögliche sozialdemokratische Lebensmittelvarianten nachzudenken. Im Netz tummeln sich seitdem viele mehr oder weniger originelle Kreationen: „Frikandel speciaal ist SPD“, „En Happen Mett es SPD“, „Flönz es SPD“, „Franzbrötchen ist SPD“, „Äbbelwoi ist SPD“ oder auch „Bierchen ist SPD“. Bei letzterem Slogan kommt der Autor dieser Zeilen ins Spiel. Denn der Spruch stammt von mir.

Die Idee dazu war mir am 16. April beim Warten auf die Autorisierung eines Interviews mit der stellvertretenden NRW-Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann (Grüne) gekommen, das am folgenden Tag in der taz veröffentlicht werden sollte.

Mit verkniffenen Augen und Kölsch in der Hand

Da sitzt man als taz-Landeskorrespondent immer etwas auf heißen Kohlen, ob auch alles klappt, kann aber nichts anderes machen, als abzuwarten – und sich abzulenken. Und dabei fiel mir ein Foto ein, das ich während des Landtagswahlkampfes 2005 von dem damaligen SPD-Ministerpräsidenten Peer Steinbrück geschossen hatte. Es zeigt den angehenden Wahlverlierer, wie er mit verkniffenen Augen ein Glas Kölsch trinkt.

Zu dem Bild setzte ich den Spruch „Bierchen ist SPD“ und stellte das Ganze als kleinen satirischen Beitrag zum aktuellen Landtagswahlkampf auf meine Facebook-Seite. Mein „Vorschlag“ wurde kommentiert, er wurde geteilt und verbreitete sich schnell im Netz.

So bekommt man Klicks - mit geklauten Fotos. Bild: Screenshot: Bild.de

Mein Bild als „Klickhure“

So weit, so gut. Doch wenige Tage später stieß ich darauf, dass mein „Bierchen ist SPD“-Scherzplakat auch bei journalistischen Kollegen auf Interesse gestoßen war – und zwar auf professionelles, kommerzielles Interesse. Denn ich fand mein Motiv auf den Webseiten vom Handelsblatt und von Bild, eingepasst in Bilderstrecken, in Branchenkreisen auch derbe „Klickhuren“ genannt.

Das verwunderte mich sehr, auch wenn ich mich durchaus geschmeichelt fühlte, vom Handelsblatt als „ein Kreativer im Netz“ bezeichnet zu werden. Aber führt die Wirtschaftszeitung nicht gerade eine Kampagne, die vorgibt, die Rechte der Urheber gegen die Piratenpartei zu verteidigen? Und dann benutzt das Handelsblatt für seine Online-Bilderstrecke einen satirischen Plakatentwurf von mir, mit einem Foto, das ich geschossen habe – und zwar ohne jegliche Quellenangabe, ohne mich vorher gefragt zu haben, ohne mich als Urheber namentlich zu nennen und selbstverständlich ohne mir ein Honorar angeboten zu haben?

Angeprangerte Kostenlosmentalität

Ist die Zeitung also etwa doch insgeheim für jene ansonsten von ihr angeprangerte Kostenlosmentalität – und zwar genau dann, wenn es ihren eigenen ökonomischen Verwertungsinteressen nutzt? Hat Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner nicht unlängst gegen die „Gratis-Kultur im Internet“ gewettert, vor „Piraten-Geschäftsmodellen“ gewarnt und sich als Verteidiger des Urheberrechts präsentiert? Bei Bild.de ist das offenkundig noch nicht angekommen.

Was die Angelegenheit in Bezug auf die Raubkopierern von Bild.de noch etwas ärgerlicher macht: Anders als dem Handelsblatt hätte ich denen niemals ein Bild von mir überlassen, wenn sie mich gefragt hätten. Da bin ich sehr altmodisch: Ich mag weder die Bild-Zeitung noch deren Online-Version. Was tun?

Sicherlich, ich hätte direkt nach irgendwelchen Abmahnanwälten Ausschau halten können. Aber die mag ich nicht. Also versuchte ich, dem Handelsblatt und Bild.de auf anderem Wege auf die Sprünge zu helfen: Durch entsprechende Hinweise auf ihre Urheberrechtsverletzungen auf meiner Facebook-Seite. Auch diese Hinweise verbreiteten sich wieder schnell, wurden unter anderem vom Mediendienst turi2.de und dem Blog des Medienjournalisten Thomas Knüwer aufgegriffen.

„Ein grober Fehler“

Und sie erreichten ihre Adressaten. Nur deren Reaktionen fielen sehr unterschiedlich aus. Am Montagmittag meldete sich das Handelsblatt zerknirscht bei mir und entschuldigte sich vielmals, „dass wir das Bild ohne Ihr Einverständnis verwendet haben“. Das sei ein grober Fehler gewesen. „Ich hatte nur einen Link auf das Bild zur Verfügung, anhand dessen für mich nicht nachvollziehbar war, wer der Urheber ist“, erklärte der zuständige Online-Redakteur seinen Fauxpas. „Wir haben aus der Sache gelernt: Künftig lassen wir von solchen uneindeutigen Quellen die Finger.“ Im konkreten Fall bat er um eine gütliche Einigung. Und wir haben uns gütlich geeinigt.

Aber was machen die Raubkopierer von Bild.de? Von denen hat sich bisher niemand bei mir gemeldet – sie versuchen es lieber auf die miese Tour: Um die Peinlichkeit zu vertuschen, wurde ihre Bilderstrecke unter der Überschrift „Wahlplakate der SPD: Spaßvögel verwursten Krafts Curry-Plakat“ einfach klammheimlich gelöscht. Wer auf den entsprechenden Link bei Google geht, landet jetzt nur noch auf der Seite „Düsseldorf aktuell“.

Ob Bild.de wirklich glaubt, mit einer solchen Dreistigkeit durchkommen zu können? Na ja, dann werde ich den Damen und Herren wohl ganz offiziell ihre Urheberrechtsverletzung mitteilen müssen, inklusive der dazugehörigen Rechnung. Schließlich habe ich ja einen Screenshot der Seite gemacht. Und wenn das auch nicht hilft, geht’s halt doch noch zum Anwalt. Dafür wird Springer bestimmt das größte Verständnis haben, so wie dessen Gazetten immer wieder die vermaledeiten „Internetschnorrer“ geißeln, oder?

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