Medienangebote für Flüchtlinge: Da geht noch mehr

Viele Medien in Deutschland haben die Geflüchteten als Zielgruppe entdeckt. Gleichzeitig sucht man vergeblich nach Vielfalt in den Redaktionen.

Constantin Schreiber und ein Talkgast in „Marhaba“

Ampeltreue ist wichtig für Deutschland. N-TV-Moderator Constantin Schreiber (r.) und sein Talkgast in „Marhaba“. Screenshot: N-TV

„Wir Deutschen benutzen Mobiltelefone nicht beim Autofahren. Wir achten üblicherweise auf rote Ampeln. Freizeit und Wochenende verbringen wir meist mit Familie und Freunden.“ Moderator Constantin Schreiber erklärt Deutschland – auf Arabisch. Er beschreibt, wie die Deutschen ticken. Oder jedenfalls, wie manche Deutsche ticken.

Seit vergangener Woche läuft die Sendung bei n-tv.de. Mit „Marhaba“ („Willkommen“) richtet sich der Nachrichtensender gezielt an Flüchtlinge. Ein vergleichbares Programm auf Arabisch gibt es bisher in Deutschland nicht. Der erste Clip wurde bereits mehr als 100.000 Mal angesehen. Es geht um grundlegende Aussagen über Deutschland: ums Brot und sonstige Essensgewohnheiten und vor allem – um Ampeln. Die zweite Sendung stellt das Grundgesetz, die „deutsche Scharia“, in den Mittelpunkt.

Doch nicht nur n-tv hat Flüchtlinge als Zielgruppe entdeckt. Seit Mitte September läuft beim Funkhaus Europa in Kooperation mit WDR, RBB und Radio Bremen das “Refugee Radio“. Täglich – symbolträchtig – um 5 vor 12. Gesendet wird auf Arabisch und Englisch: aktuelle Nachrichten, die für Geflüchtete relevant sind, und Service-Stücke über Integration, Recht, Gesundheit.

Auch die Deutsche Welle hat ein Onlineangebot speziell für Asylsuchende. So wurden Erklärfilme zum politischen System Deutschlands vom WDR ins Arabische übersetzt. Darüber hinaus werden multimedial in mehreren Sprachen Infos und Service für Flüchtlinge bereitgestellt. Ähnliche Angebote gibt es vom Bayerischen Rundfunk.

Zurückhaltender sind dagegen Printmedien. Das kann zum einen an finanziellen Mitteln, aber auch an Produktionsbedingungen liegen. Beiträge auf Arabisch einsprechen lassen ist das eine, sie auf Arabisch zu schreiben – und zu drucken – das andere.

Boulevardmedien sind Vorreiter

Vorreiter in Deutschland sind Boulevardmedien. So haben Bild und B.Z. Anfang September in Berlin eine vierseitige Beilage (pdf) auf Arabisch gedruckt. Mit Grußwort des Bürgermeisters, einer Übersichtskarte mit den wichtigsten Anlaufstellen und kleinem Wörterbuch.

Doch die überregionalen Tageszeitungen haben darüber hinaus noch wenig zustande gebracht. Das Zeit-Magazin erschien bereits im Mai einmalig zweisprachig. Und viele Medien berichten ausführlich über Flüchtlinge. Doch nur wenige auch mit ihnen oder gar für sie.

„Wir finden es gut, wenn deutsche Medien Menschen aus Einwandererfamilien und Geflüchtete als Zielgruppen wahrnehmen. Noch ist das aber nicht sehr häufig der Fall“, sagt Konstantina Vassiliou-Enz vom Verein Neue Deutsche Medienmacher, einem Zusammenschluss von Medienschaffenden, die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen.

Übersetzen reicht nicht

Fast alle bisherigen Projekte, die sich an Flüchtlinge und Migranten richten, sind genau das: Projekte. Einmalig oder zeitlich begrenzt. Für Boulevardmedien oft mit einem ordentlichen PR-Effekt verbunden.

In deutschen Redaktionen arbeiten allerdings bislang nur wenige Menschen mit Migrationshintergrund, laut Schätzungen nur zwei bis drei Prozent bei einem Bevölkerungsanteil von etwa 18 Prozent. „Dadurch entgehen Medien Themen, die in der Community diskutiert werden. Und außerdem entgehen den Redaktionen Zugänge“, sagt Vassiliou-Enz. Zudem sei es nicht damit getan, deutsche Inhalte ins Arabische zu übersetzen.

Und – so gut gemeint die Angebote sind – etwas mehr als die Vermittlung der vermeintlich deutschen Leitkultur durch Praxistipps (Ampeln, Arbeit, Brot) sollte es schon sein.

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