Medienvielfalt: Springer-Flaggschiff ausgeflaggt

Nach Kartellamt-Einwilligung gehört das „Hamburger Abendblatt“ fortan dem Essener Funke-Konzern. Die ehemalige Springer-Verlagszentrale verwaist zunehmend.

Sein Erstling ist verkauft, zwar nicht gerade für ein Linsengericht - aber dennoch: Axel Caesar Springer dreht sich wohl im Grabe um. Bild: dpa

HAMBURG taz | Der Bruch ist vollzogen. Seit dem 1. Mai gehört das Hamburger Abendblatt offiziell zur Essener Funke-Mediengruppe. Nach 66 Jahren kreuzt das Hamburger Tageszeitungs-Flaggschiff des Axel-Springer-Konzerns nun unter anderer Flagge.

Erst vergangene Woche hatte das Bundeskartellamt dem im vergangenen Sommer eingetüteten 920 Millionen Euro-Deal zugestimmt. Zu diesem Preis übernahm die Funke-Gruppe mehrere Tageszeitungen, Programm- und Frauenzeitschriften aus dem Springer-Portfolio.

Zum Betriebswechsel erhielten alle Abendblatt-Mitarbeiter am Wochenende aus der Berliner Springer-Zentrale einen schnöden Abschiedsbrief mit besten Wünschen für die berufliche Zukunft. 16 der rund 300 Abendblatt-Mitarbeiter haben nach Informationen der taz ihrem Wechsel zu Funke widersprochen – und sind jetzt bis auf Weiteres freigestellt.

Doch ganz vollzogen ist die Abnabelung von Springer noch nicht. Seit Ende 2012 produziert die Abendblatt-Lokalredaktion auch den Hamburg-Teil von Welt und Welt am Sonntag mit. Die Welt-Lokalredaktion war zuvor aufgelöst worden. Noch ein weiteres Jahr soll der journalistische Lieferservice auch über Verlagsgrenzen hinweg aufrechterhalten werden – was danach kommt, weiß niemand.

Das Konzept: Der Verkauf des Abendblatts, der Berliner Morgenpost und diverser Zeitschriften an die Funke-Mediengruppe ist zentraler Baustein der Springer-Strategie, in Zukunft vorrangig ins Internet zu investieren und sich von einem Großteil seiner Zeitungen und Zeitschriften zu trennen.

Die Auflagen: Das Kartellamt hatte den Deal nur unter der Bedingung bewilligt, dass Funke die von Springer übernommenen Bild Woche, Funk Uhr und TV Neu sowie fünf eigene Titel an die Klambt-Mediengruppe veräußert.

Der Erfolg: Durch das Wachstum digitaler Geschäftsmodelle konnte Springer rückläufige Erlöse im Printgeschäft überkompensieren und den Konzernumsatz im ersten Quartal des Jahres um 4,4 Prozent steigern. Die digitalen Medien erwirtschafteten dabei laut Konzernmitteilung erstmals mehr als die Hälfte sämtlicher Erlöse.

Aber die Neigung vieler Abendblatt-Redakteure, das Konkurrenzprodukt ihres ehemaligen Arbeitgebers qualitativ hochwertig zu bestücken, hält sich in engen Grenzen. „Wir werden uns in Zukunft sicher kein Bein mehr ausreißen, späte Ereignisse für die Welt mit ihrem früheren Redaktionsschluss aufzubereiten“, sagt einer der Abendblatt-Journalisten. In Zukunft gelte stattdessen: Alle Konzentration auf das Abendblatt.

Doch nicht nur wie es mit dem Welt-Lokalteil weitergeht, steht in den Sternen. Als Funke-Geschäftsführer Manfred Braun vergangenen Montag das Abendblatt besuchte, kam er mit leichtem Gepäck. „Die Chefredakteure unserer Blätter in Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Braunschweig, Hamburg und Berlin werden in den nächsten sechs Monaten entscheiden, welche Seiten Sie künftig gemeinsam produzieren können“, kündigt Braun an.

Zugleich versprach er: „Es wird nicht so sein, dass eine unserer Zeitungen einen nationalen Mantel für alle macht.“ Eine verlegerische Strategie sei noch nicht erkennbar, klagt ein Abendblatt-Redakteur.

Man werde Ressourcen „an einem Standort bündeln“, kündigte Braun an. Ob das Hamburg sein wird, ist ungewiss. Klar hingegen ist, dass die komplette Abendblatt-Combo Anfang 2015 aus dem Springer-Hochhaus ausziehen muss. Der 14-stöckige Koloss steht dann fast leer. Was Springer mit seinem Ex-Stammsitz plant, bleibt derweil ein gut gehütetes Konzerngeheimnis.

Doch nicht nur Springer kehrt Hamburg den Rücken, der Medien-Metropole drohen durch den Springer-Funke-Deal weitere Einbußen. Denn wo der Essener Mediengigant die von Springer übernommenen Programm- und Frauenzeitschriften, darunter Hörzu und Bild der Frau, in Zukunft herstellt, ist offen. Man werde hier „in vier bis acht Wochen erste Klarheit haben“, sagte Braun. Zur Debatte ständen Hamburg und München oder „eine Mischung aus beidem“.

Als kleinen Abschiedsgruß kündigte Springer den Abendblatt-Redakteuren erst einmal ihr kostenfreies Mitarbeiter-Abo der Welt, deren Lokalteil sie noch immer produzieren. Immerhin machte der Verlag seinen langjährigen Mitarbeitern ein großzügiges Angebot: Sie könnten die Zeitung fortan zu einem Vorzugspreis abonnieren.

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