Medikamente im Hühnerstall: Kein "Datenschutz" für Hühner-Doping

Niedersachsens Landwirtschaftsminister Gert Lindemann (CDU) hätte gerne detaillierte Daten über den Antibiotika-Einsatz bei Geflügel. Notfalls soll eine Bundesratsinitiative für Übersicht sorgen.

Bekommen im Schnitt 2,3 Mal in ihrem 30-tägigen Leben Antibiotika: Masthühner. Bild: dpa

HAMBURG taz | Niedersachsens Agrarminister Gert Lindemann (CDU) hätte gerne einen besseren Überblick darüber, wie viele Antibiotika seine Bauern in der Geflügelmast einsetzen. Daten dazu werden gerade vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (Dimdi) erhoben. Doch anders als bei den Daten zum Arzneimitteleinsatz in der Rinder- und Schweinehaltung erhalten die Länder keinen postleitzahlengenauen Überblick zur Geflügelmast. Lindemann behält sich eine Bundesratsinitiative vor, um diesen Zustand zu ändern. Sein nordrhein-westfälischer Kollege Johannes Remmel (Grüne) hat bereits eine solche angekündigt.

Remmel und Lindemann sind besorgt darüber, dass immer mehr antibiotikaresistente Krankheitserreger gefunden werden. Es wird vermutet, dass ein Teil davon in der Massentierhaltung herangezüchtet wird. Werden Antibiotika übermäßig und ohne medizinische Notwendigkeit verabreicht, verschafft das Bakterien die Möglichkeit, Resistenzen zu entwickeln.

Im Landwirtschaftsministerium gibt es den Verdacht, dass in der Massentierhaltung vermehrt Antibiotika gegeben werden. Zwar antwortete das Ministerium auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Christian Meyer, es lägen "keine systematischen Daten vor, die eine Aussage zur Entwicklung des Antibiotikaeinsatzes erlauben".

Schätzungsweise jeder zweite Geflügelmastbetrieb Deutschlands steht in Niedersachsen.

Menge: rund 400 Millionen Hähnchen pro Jahr werden im Land gemästet.

Platz: Bis zu 39 Kilogramm Huhn darf auf einem Quadratmeter gehalten werden. Der Durchschnitt liegt in Deutschland bei 35 Kilogramm.

Krankheiten: Weil die Tiere sehr stark auf die Mast hin gezüchtet worden sind, stellen Tierärzte vermehrt Skeletterkrankungen und Stoffwechselstörungen fest. Die Haltung sehr vieler Tiere auf engstem Raum begünstigt die Ausbreitung von Infektionen. Weil die Tiere häufig in ihrem Kot stehen, entzünden sich ihre Fußballen.

Dem NDR hatte eine Ministeriumsmitarbeiterin aber kurz zuvor bestätigt, dass das Geflügel heute 2,3-Mal in seinem gut 30-tägigen Leben behandelt werde. Vor zehn Jahren seien es noch 1,7 Male gewesen. Stichproben hätten ergeben, dass drei Behandlungen nicht selten sind und bis zu sechs Behandlungen vorkämen, schrieb Sabine Petermann vom Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz in einem Fachaufsatz.

Um zu ermitteln, welche Tierarzneimittel in welchem Umfang wohin geliefert werden, haben das Bundesgesundheits- und das Bundeslandwirtschaftsministerium zum 1. Januar eine Verordnung erlassen, die es dem Dimdi erlaubt, diese Daten zu erheben. Dabei sollen die ersten beiden Postleitzahlen der Tierärzte erhoben werden, an die die Medikamente geliefert wurden. Diese Daten werden bei Arzneien für Schweine und Rinder an die Landesministerien weitergegeben, nicht jedoch für Geflügel. Weil es nur wenige auf Geflügel spezialisierte Tierärzte gebe, wären diese leicht zu identifizieren, argumentierte das Bundeslandwirtschaftsministerium.

Das leuchtet nicht einmal dem Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar ein. Hier sei der Verbraucherschutz wichtiger als der Datenschutz, gab er dem NDR zu Protokoll.

"Wir hätten die Daten gerne gehabt", sagt Natascha Manske, die Sprecherin des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums. Damit würde sich erkennen lassen, wo überproportional viele Antibiotika verabreicht werden. Minister Lindemann wolle die erste Auswertung der Daten im kommenden Jahr abwarten. Sollte diese nicht ausreichen, um die Praxis der Antibiotika-Vergabe im Land bewerten zu können, behalte er sich eine Bundesratsinitiative vor.

Die Sprecherin betonte, Niedersachsen habe bei den Verhandlungen mit dem Bund auch für die Geflügelhaltung weit aufgeschlüsselte Daten gefordert. Weil der Bund dem massiv mit rechtlichen Bedenken entgegen getreten sei, habe sich das Land auf einen Kompromiss mit weniger differenzierten Daten eingelassen. Der Bund argumentiert, die Daten dienten bloß dem Monitoring, nicht der Überwachung.

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