Meduza-Auswahl 2. – 8. Oktober: Was die Drohnenrevolution für Europa bedeutet
Sie sind günstig herzustellen, und werden von europäischen Überwachungssystemen scheinbar nicht erkannt: Mehrfach verletzten Drohnen jüngst den europäischen Luftraum. Und nun?

Inhaltsverzeichnis
Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.
In der Zeit vom 2. bis 8. Oktober 2025 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:
HIV- und Hepatitis-Erkankungen nehmen im Militär zu
In der russischen Armee breiten sich Hepatitis und HIV aus. Im September 2025 wurde bekannt, dass Menschen mit diesen Diagnosen in separaten Einheiten zusammengefasst werden.Meduza sprach mit dem Berater für HIV- und Hepatitis-Erkrankte Alexei Lachow auf Russisch.„Oft verheimlichen die Soldaten ihre Diagnose, um ihre Bezüge und Vergünstigungen nicht zu verlieren. Formal wäre eine Entlassung möglich, aber tatsächlich dienen viele so lange weiter, wie es ihr Gesundheitszustand zulässt. Unter den Truppen an der Front befinden sich derzeit offenbar viele Menschen mit diesen Infektionen. Wenn jemand im Krieg an Hepatitis erkrankt, wird er schneller müde, verliert den Appetit und kann unter Schwindel leiden“, sagt Lachow.
In der russischen Armee, in der Gefangene oder Menschen aus sogenannten marginalisierten Gruppen rekrutiert werden, ist der Anteil der bereits infizierten Personen von vornherein höher.
Die „Drohnenrevolution“ und ihre Folgen
Die jüngsten Drohnenangriffe Russlands auf Polen und Rumänien lösten in Europa Alarm aus. Für Brüssel schien dies ein politisches Signal für die Eskalationsbereitschaft Moskaus zu sein. Der Vorfall machte jedoch auch den technologischen Rückstand des Westens deutlich. Von den rund 20 russischen Gerbera-Täuschungsdrohnen, die die Grenze zu Polen überquerten, wurden 15 bis 17 nicht abgefangen und fielen einfach vom Himmel, als ihnen der Treibstoff ausging. Die wenigen, die abgeschossen wurden, kamen die NATO teuer zu stehen, denn sie wurden mit AMRAAM-Luft-Luft-Raketen bekämpft, die fast zwei Größenordnungen mehr kosten als die Drohnen selbst – und dabei sind die Kosten für den Einsatz von Kampfjets noch nicht einmal mitgerechnet.
Nachdem sie jahrelang das Blutbad an der russisch-ukrainischen Front beobachtet haben, sind viele Militäranalysten zu der Ansicht gelangt: Drohnen haben eine unumkehrbare Revolution in der Kriegsführung ausgelöst. Doch ihre Warnungen übertönen oft die Stimmen anderer Experten, die argumentieren, dass die derzeitige Dominanz von Drohnen weniger eine Revolution als vielmehr ein Flickenteppich aus Improvisationen sei, der die Schwächen beider Armeen verschleiere.
Ein Film zeigt, was Russland unter Dystopie versteht
„Schließen Sie die Augen und lassen Sie sich in das mythische Land ‚Franglia‘ entführen: Wo liberale Werte über Traditionen triumphiert haben, die Geschlechtsidentität fließend ist, und Flüchtlinge aus der muslimischen Welt willkommen sind. Ein Albtraum“ – das ist die dystopische Kulisse des neuen Filmes „Toleranz“. Die russische Regierung finanzierte diesen Sommer den Propagandastreifen, der Europa als einen Albtraum liberaler Werte präsentiert. Meduza berichtet auf Englisch.„Toleranz“ erwies sich aber als spektakulärer kommerzieller Misserfolg. Kinopoisk, eine führende Filmwebseite, berichtet: Der Film während seines kurzen Kinostarts lediglich 1.135 US-Dollar einspielte. Obwohl er drei Wochen lang in 41 russischen Kinos lief, zog der Film laut einem Branchenbericht am Eröffnungswochenende nur 192 Zuschauer an. Das entspricht einem Durchschnitt von nur drei Zuschauern pro Vorführung. Nun ist der Film vollständig aus den Kinos verschwunden. Nur einige Piraterie-Websites bieten ihn noch an.
135.000 Russen werden bald neu eingezogen
Russland hat seine Herbst-Wehrpflichtkampagne gestartet. Das bedeutet, dass bis Januar 135.000 Männer auf Anordnung des Präsidenten zum Militärdienst eingezogen werden. Meduza berichtet auf Englisch.
In den letzten Jahren hat Moskau die rechtlichen Möglichkeiten zur Umgehung der Wehrpflicht erheblich eingeschränkt. Und Gesetze verabschiedet, die eine ganzjährige Wehrpflicht, ein elektronisches Einberufungssystem und strengere Vorschriften für den Militärdienst vorsehen. Männer, die sich der Wehrpflicht entziehen, müssen mit strafrechtlicher Verfolgung und einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren rechnen.
Aber nicht nur Wehrdienstverweigerer müssen nach diesen Gesetzen mit einer Strafverfolgung rechnen: Die Behörden gehen auch gegen diejenigen vor, die versuchen, sich der Wehrpflicht zu entziehen, indem sie sich für den alternativen Zivildienst bewerben.
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