Meduza-Auswahl 26. April bis 3. Mai: Wie der Kreml Russland einstimmt

Ein Dokument des Kreml weist russische Medien an, wie über eine ukrainische Gegenoffensive zu berichten sei. Es liegt dem Exilmedium exklusiv vor.

Rauch über einer Stadt, im Vordergrund eine Brücke

Ein brennendes russisches Treibstoffdepot in Krasnodar am 3. Mai Foto: reuters

Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.

In der Woche vom 27. April bis 3. Mai 2023 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:

Meduza leakt Handreichung des Kreml an Medien

Der Kreml hat Richtlinien für die Berichterstattung über die bevorstehende ukrainische Gegenoffensive für staatliche und regierungsnahe russische Medien vorbereitet. Meduza leakt in diesem Bericht Passagen dieser Handreichungen (russischer Text).

Unter anderem heißt es, dass die angekündigte ukrainische Gegenoffensive „mit Unterstützung der Nato nicht zu unterschätzen“ sei. Die Propaganda-Medien sollten allerdings den Fokus auf die Waffenlieferungen der westlichen Länder setzen.

Im geleakten Dokument steht auch, dass die russischen Medien nicht über die „Höhe der Mittel“ für den Wiederaufbau der Infrastruktur in den besetzten und annektierten ukrainischen Gebieten berichten sollten. Von einem großen journalistischen Aufschlag rund um die Vorbereitung für den 9. Mai, den „Tag der Befreiung“, rät der Kreml ebenfalls ab.

Umweltschutz? Nicht in Kriegszeiten

Die Sanktionen gegen die russische Industrie wirken – wenn auch nicht immer so wie beabsichtigt. Das russische Holzunternehmen Segezha ist ein Beispiel dafür. Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hat das Unternehmen 1,5 Millionen Hektar Wald in ganz Russland aus zuvor getroffenen Umweltschutzvereinbarungen herausgenommen. In der Region Karelien, im Nordwesten Russlands, holzt Segezha nun ab, was ursprünglich als Naturschutzgebiet ausgewiesen werden sollte. Experten befürchten, dass das ein Trend unter Holzunternehmen werden könnte.

Meduza hat einen Bericht des Mediums iStories aus dem Russischen ins Englische übersetzt (englischer Text). Im Fokus steht der Fall von Segezha in Karelien und wie die Zivilorganisation SPOK seit über 20 Jahren versucht, Russlands Wälder zu schützen. Wenn ein Gebiet keinen Schutzstatus hat, bleibt es der Arbeit von Nichtregierungsorganisationen und Aktivisten überlassen, gegen die Interessen von Unternehmen kämpfen. Nur 15 Prozent der Wälder in Russland haben einen Schutzstatus. Und in den letzten Jahren sind ungeschützte Wälder im Land noch schneller verschwunden als sonst.

Hollywood in Russland trotz Boykott

Die fünf größten Hollywood-Studios hatten nach dem 24. Februar 2022 angekündigt, nicht weiter mit Russland zusammenarbeiten zu wollen. Fünfzehn Monate später sieht die Realität anders aus: Zwar hatte der Boykott in den ersten Kriegsmonaten zu einem massivem Rückgang der Einnahmen an den russischen Kinokassen geführt. Ende 2022 meldete Russlands Filmwirtschaft bis zu 70 Prozent Einnahmeverluste. Über 40 Prozent der Kinohäuser in Russland mussten schließen.

Eine Liste der 2022 und 2023 gezeigten Hollywood- und europäischen Filmproduktionen veröffentlicht Meduza in diesem Bericht (russischer Text). Parallel dazu wurde in Russland eine alte Praxis aus den 1990ern wieder eingeführt: Das Zeigen von Raubkopien. Die Kinobesucher bezahlen dabei oft ein Kinoticket für einen Kurzfilm, der online umsonst zugänglich ist, und bekommen anschließend „umsonst“ noch eine Hollywood-Produktion zu sehen.

Russlands Nachbarn und ihre Grenzmauern

Ungewollt helfen die Nachbarländer Russlands Staatspräsident Wladimir Putin dabei, russische Männer in die Armee zu zwingen. Lettland, Litauen, Norwegen, Polen, Estland und jetzt auch Finnland errichten nun Mauern entlang der russischen Grenzen und führen weitere Visa-Beschränkungen ein.

Der Leiter des Meduza-Meinungsressorts, Maxim Trudoljubow, schreibt: Solche Maßnahmen würde dem Kreml helfen, die Bevölkerung “in Gefangenschaft“ zu halten und “in eine militarisierte Wirtschaft“ zu zwingen. Die Folgen der “Eingrenzung“ durch die Nachbarn werden in diesem Meduza-Text erklärt (englischer Text).

Die “Mauern“ um Russland sieht Meduza im Rahmen eines globalen Trends in den letzten Jahrzehnten, physische Grenzen zu errichten (etwa in Ungarn, Griechenland oder in der Türkei). Die, die ihre Verbindungen zum Rest der Welt aufrechterhalten wollen, müssen nun nicht nur eine, sondern zwei Hürden überwinden – die Abschottung des russischen Regimes und die Grenzen der Nachbarn.

Ist mit Putins Tod der Krieg zu Ende?

Immer wieder wird behauptet: Putin müsse nur sterben, damit der Krieg zu Ende ginge. Ist das so? Meduza geht auf die Suche nach einer Antwort im Gespräch mit der Politikwissenschaftlerin Erica Frantz (russischer Text). Frantz, die als Professorin an der Universität Michigan tätig ist, hat jahrelang zu Autokratien geforscht und eine Datenbank von fast dreihundert autokratischen Regime des 20. Jahrhunderts zusammengestellt.

Sie analysiert, warum Autokratien zusammenbrechen, wie oft die Führer solcher Regime die Macht verloren haben, nachdem sie einen Krieg begonnen hatten, und was nach ihrem Tod im Land geschah.

Frantz sagt: Putin habe sich mit dem Krieg in der Ukraine verkalkuliert. Er brauche einen Sieg, aber die Aussichten dafür sind völlig unzureichend. Einen Erfolg am Verhandlungstisch mit Putin hält sie für unrealistisch. Aus diesem Grund, sagt Frantz, könnte dieser Krieg „ewig weitergehen“, und plädiert dafür, „jetzt in einen Sieg der Ukraine zu investieren und Putin dazu zu bringen, sich innerhalb Russlands damit zu befassen“. Er werde dann seiner Bevölkerung erklären müssen, was mit der russischen Armee geschieht.

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