Meduza-Auswahl 30. Oktober – 5. November: Was bei Grokipedia und Ruwiki über den Ukraine-Krieg steht
Die neuen Online-Enzyklopädien – eine von Elon Musk, die andere vom Kreml initiiert – berichten eigenwillig. Meduza vergleicht die Darstellungen.
Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.
In der Zeit vom 30. Oktober bis 5. November 2025 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:
Warum Trump sich China annähert
Am 30. Oktober traf US-Präsident Donald Trump zum ersten Mal seit sechs Jahren wieder mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping zusammen. Um Trumps plötzliche Kehrtwende im Handelskrieg mit China und die möglichen Auswirkungen auf Wladimir Putins Russland besser zu verstehen, sprach Meduza mit dem China-Experten Alexander Gabuev, dem Direktor des Carnegie Russia Eurasia Center in Berlin (englischer Text). Meduza veröffentlicht das Gespräch auf Englisch.
Gabuev sagt: Trump ändere seine Strategie, weil China deutlich gemacht hat, dass es wirksame Gegenmaßnahmen besitzt. Besonders wichtig sind dabei Exportbeschränkungen für kritische Rohstoffe, die die US-Industrie dringend braucht, vor allem auch die Rüstungsindustrie. Im vergangenen Jahr hat China erstmals gezeigt, dass es solche Exportkontrollen erfolgreich einsetzen kann.
Wie der belarussische Diktator bald in Russland leben wird
Im Frühjahr 2024 berichtete die Vereinigung ehemaliger belarussischer Sicherheitskräfte Belpol, dass in der Nähe von Sotschi (Russland) wohl die erste bekannte Auslands-Residenz von Staatschef Alexander Lukaschenko gebaut werde. Meduza berichtet auf Russisch.
Das sogenannte Belarussische Untersuchungszentrum hat gefilmt, wie der Bau voranschreitet, herausgefunden, wer ihn finanziert, und seine zukünftigen Innenräume gezeigt. Der Komplex wird von einem mindestens zweieinhalb Meter hohen Stahlzaun mit scharfen Spitzen umgeben sein, der gegen Untergrabungen und Rammangriffe geschützt ist. Entlang des Geländes befinden sich sechs Wachposten. Außerdem sind Kameras, Alarmanlagen, Wärmebildkameras, Metall- und Röntgendetektoren, Systeme zur Abwehr von Drohnen und sogar ein System zur Erkennung radioaktiver Materialien vorgesehen.
In der Nähe von Sotschi liegt auch eine der vier offiziellen Residenzen von Russlands Staatschef Wladimir Putin. Dort hat er mehrfach Lukaschenko empfangen.
Hart gegen die Liberalen in Russland
Im Vorfeld der Parlamentswahlen im nächsten Jahr geht der Kreml hart gegen die liberale Partei Jabloko vor, die sich gegen den Krieg in der Ukraine ausspricht. Erst diesen Monat haben die Behörden einen ihrer führenden Köpfe verhaftet, Gerüchte über einen Anderen verbreitet und einen Dritten unter Hausarrest gestellt.
Gleichzeitig liegt die Zustimmungsrate für Jabloko in Russlands Bevölkerung lediglich bei etwa drei bis vier Prozent, und die Partei hat derzeit keine Sitze im Parlament. Der Meduza sprach mit Kreml-Insidern darüber, warum die russischen Behörden so besorgt über Jabloko sind und wie Moskau die Wahlen zur Staatsduma im Jahr 2026 gestalten will (englischer Text).
In einem ohnehin schon instabilen Umfeld, so sagte er, stelle Jabloko ein „Risiko“ für den Kreml dar. „Jabloko vertritt eine klare Position zu Themen, die für die Behörden sensibel sind – allen voran der Krieg“, sagte der Stratege gegenüber Meduza. Die Menschen seien dessen müde – und wenn Jabloko offen für den Frieden werde, „wird das unweigerlich Wähler anziehen“.
Wie Grokipedia in Russland aussieht
Diese Woche wurde Grokipedia gestartet – eine große Online-Enzyklopädie, die von Elon Musk entwickelt wurde. Der US-Tech-Milliardär behauptet: Die Plattform sei eine weniger „voreingenommene“ Alternative zu Wikipedia – der jahrzehntealten Online-Enzyklopädie, die als Überbleibsel eines demokratischeren Internets gilt. Der Kreml selbst hatte bereits vor Monaten eine Wikipedia-Alternative namens Ruwiki etabliert. Meduza vergleicht Grokipedia mit Ruwiki – und untersucht, wie beide Seiten bestimmte politisch brisante Themen abbilden. Die Ergebnisse wurden auf Englisch veröffentlicht.
Der Artikel von Grokipedia über den allumfassenden Krieg Russlands in der Ukraine ist weit weniger offensichtlich propagandistisch als der von Ruwiki. Im Gegensatz zu Wikipedia hebt Grokipedia jedoch gängige russische Propaganda-Argumente hervor und misst ihnen im Allgemeinen das gleiche Gewicht bei wie evidenzbasierten Behauptungen.
Der Ruwiki-Eintrag mit dem Titel „Feindseligkeiten in der Ukraine“ hält sich eng an die offizielle Darstellung Moskaus zum Krieg in der Ukraine. Schon der erste Satz definiert den Konflikt als „indirekte militärische Konfrontation zwischen Russland und den Vereinigten Staaten und der NATO“. Der Eintrag in Grokipedia räumt ein, dass Russland „eine umfassende Invasion initiiert“. Gleichzeitig führt die Darstellung des Konflikts in Grokipedia trotz ihrer angeblichen Neutralität zu einer falschen Ausgewogenheit: Leicht widerlegbare russische Desinformationen wird als eine andere „Perspektive“ auf den Krieg präsentiert.
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