Mehr Arbeit, aber auch mehr Armut: Einmal unten, immer unten

In Deutschland arbeiten mittlerweile 41,5 Millionen Menschen. Das sind so viele wie nie zuvor. Gleichzeitig steigt der Anteil der Armen.

Besonders Minijobber, Zeit- und Leiharbeiter können kaum von ihrem Lohn leben. Bild: dpa

BERLIN taz | In Deutschland waren noch nie so viele Menschen berufstätig wie heute. Gleichzeitig steigt die Zahl derer, die in Armut leben müssen. Das ist das Ergebnis des neuen Datenreports 2013, den das Statistische Bundesamt, die Bundeszentrale für politische Bildung, das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung sowie das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) am Dienstag herausgaben. Demnach gingen im Jahr 2012 41,5 Millionen Menschen einem Beruf nach.

Das Arbeitsvolumen war mit knapp 58 Milliarden Arbeitsstunden aber geringer als im Jahr 1991 mit knapp 60,1 Milliarden Stunden bei 38,7 Millionen Erwerbstätigen. „Ein Grund für diese Entwicklung war die zunehmende Zahl der Erwerbstätigen, die gewollt oder unfreiwillig in Teilzeit arbeiten, darunter vor allem Frauen“, sagte Roderich Egeler, Präsident des Statistischen Bundesamts.

Die Forscher stellten zudem fest, dass der Anteil atypischer Arbeitsverhältnisse, neben der Teilzeit gehören dazu vor allem Minijobs oder Leiharbeit, seit mehreren Jahren auf hohem Niveau stagniert. So waren 2012 fast 22 Prozent oder jeder fünfte Erwerbstätige atypisch beschäftigt. Vor allem Frauen finden sich in atypischen Beschäftigungsverhältnissen wieder.

Die Forscher beobachten zugleich einen Anstieg der Armutsquote. Waren im Jahr 2007 noch 15,2 Prozent der Menschen in Deutschland armutsgefährdet, so waren es im Jahr 2011 schon 16,1 Prozent. Als arm galt dabei, wer weniger als 980 Euro im Monat zur Verfügung hatte.

Dauerhafte Armut nimmt zu

Besonders gefährdet durch sozialen Abstieg sind dabei Arbeitslose und Frauen. Blickt man auf die Altersgruppen, waren zuletzt vor allem 18- bis 24-Jährige sowie 55- bis 64-Jährige häufiger von Armut betroffen als Menschen anderer Altersgruppen.

Die neuen Zahlen zeigen jedoch nicht nur einen Anstieg der Armut, sondern auch ihre Verfestigung. „Die dauerhafte Armut hat zugenommen“, resümierte Roland Habich vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. So waren von den im Jahr 2011 armutsgefährdeten Personen 40 Prozent bereits in den letzten fünf Jahren arm. 2000 lag der Wert bei 27 Prozent.

Armut bedeutet dabei nicht nur, von gesellschaftlicher Teilhabe und Entscheidungsprozessen ausgeschlossen zu sein, wie Thomas Krüger von der Bundeszentrale für politische Bildung betonte. Es wirkt sich ganz konkret auch auf die Lebenserwartung aus, zeigen die Daten.

Arme sterben früher

„Überspitzt könnte man diese Befunde treffend so charakterisieren: Arme sterben früher“, sagte Habich vom WZB. Demnach liege die Lebenserwartung von Männern der niedrigsten Einkommensgruppe im Schnitt fast elf Jahre unter der von Männern mit hohem Einkommen. Bei Frauen betrage der Unterschied acht Jahre.

Claudia Weinkopf, Forscherin am Institut für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg Essen, erneuerte am Dienstag die Forderung, in Deutschland die 450-Euro-Minijobs abzuschaffen. Vor allem Frauen seien in solchen oftmals schlecht bezahlten Beschäftigungsformen gefangen.

„Dabei zeigen Studien immer wieder, dass viele Minijobber länger arbeiten wollen“, sagte Weinkopf. Außerdem sei es endlich an der Zeit, „den Grundsatz gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit durchsetzen“, so die Wissenschaftlerin.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.