Mein Wahlkampftagebuch (3): Wortakrobatik nach Führerprinzip

Wahlkämpfer aus Baden-Württemberg haben sich auf ein Podium mit der AfD gesetzt. Ihr Vorsitzender Meuthen führte Kunststücke auf.

Sechs Männer an Stehtischen

Im Ländle können nicht nur alte, weiße Männer Spitzenkandidat sein. Auch alte, weiße Männer von der AfD dürfen Foto: dpa

STUTTGART taz | Jetzt haben sie es also doch getan und es hat nicht mal geschmerzt. Bei einer Podiumsdiskussion der Stuttgarter Nachrichten trafen am Mittwoch die fünf baden-württembergischen Spitzenkandidaten der Parteien aufeinander und mittendrin der immer etwas scheu von unten nach oben blickende Jörg Meuthen, AfD-Vorsitzender im Land und Stellvertreter von Frauke Petry auf Bundesebene.

Lange hatten sich SPD und Grüne geweigert, mit dem Professor aus Karlsruhe zu reden. Das hatte sich zuletzt zu einem absurden Schlagabtausch zwischen dem SWR zugespitzt, der eine solche Runde gewünscht hatte und Boykottdrohungen der beiden Spitzenkandidaten erhielt. Besonders der SPD-Spitzenkandidat Nils Schmid wollte lange nicht. Selten sei der sonst kühl analysierende Finanzminister bei einem Thema so emotional gewesen, konnte man aus seinem politischen Umfeld hören. Der mediale Gegenwind hat ihn dann doch umgestimmt, was bei einem wie Schmid nicht oft passiert.

Und siehe da, der SPD-Kandidat gewann in seiner Haltung zur AfD an Profil. Etwa wenn er ungewohnt leidenschaftlich ausruft: „Anständige Leute wählen keine Rassisten, Ende der Durchsage.“

Applaus, Applaus, nur nicht für Geflüchtete

Kann man in so einer Diskussion Extremisten entlarven? Wahrscheinlich nicht. Aber sie kann ihre Strategien offenlegen. Etwa dass Jörg Meuthen gern nach dem Prinzip „Wenn das der Führer wüsste“ argumentiert: Er versucht nicht, Petrys Schießbefehl oder die völkischen Redebeiträge eines Björn Höcke zu verteidigen. Stattdessen sagt er, wenn er davon erfahre, gehe er sofort dagegen vor. Tatsächlich? Beweise dafür blieb er schuldig, bisher gab es keinen Parteiausschluss in seiner Landespartei.

Sein besonderes rhetorisches Kunststück aber ist der Meuthen-Zirkel: Eine Partei, deren Vorsitzer er sei, sagt er, könne gar nicht rassistisch sein. Denn sonst wäre er nicht der Vorsitzende. Führerprinzip mal ganz anders.

Der Fachhochschulprofessor muss bei dieser Strategie nur aufpassen, nicht für manchen leidenschaftlichen Anhänger der AfD als unwählbar liberal zu erscheinen. Wenn er an diesem Abend sagt, natürlich müssten die jetzt hier lebenden Flüchtlinge integriert werden, und sich sehr allgemein zu humanitären Aufgaben Europas bekennt, rühren die AfD-Anhänger im Publikum keine Hand.

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Benno Stieber ist seit 2015 Landeskorrespondent der taz in Baden-Württemberg. In Freiburg als Österreicher geboren, lebt er heute als eingefleischter Freiberufler wieder im badischen Landesteil. Er ist Absolvent der "Deutschen Journalistenschule" in München und hat dort auch Geschichte und Politik studiert. Er schrieb unter anderem für die "Financial Times Deutschland", hat einen erfolgreichen Berufsverband gegründet und zwei Bücher geschrieben. Eins über Migranten nach der Sarrazin-Debatte und eins über einen Freizeitunternehmer aus dem Südwesten.

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