Meininger-Gründer Nizar Rokbani: Durchboxen wie Muhammad Ali

Mit einer Budget-Hotel-Kette ist Nizar Rokbani reich geworden. Jetzt hat er ein neues Ziel: Er will in Berlin eine Schule gründen.

„Ich konnte bis zur vierten Klasse meinen Namen nicht schreiben“, sagt Rokbani. Bild: Julia Baier

BERLIN taz | Zwei Lehrer waren im Leben von Nizar Rokbani besonders wichtig. Der eine, Herr Riedhoff, sorgte dafür, dass das Kind tunesischer Gastarbeiter trotz Hauptschulempfehlung auf ein Wirtschaftsgymnasium wechseln konnte. Der andere, Herr Kieselbach, brachte ihm in der neunten Klasse den Wirtschaftsteil der Zeitung mit und forderte ihn auf, bis zum Ende des Schuljahrs das Wirtschaftsjahr zu bilanzieren. „Das hat meinen Ehrgeiz geweckt“, ist der 42-jährige Unternehmer bis heute überzeugt.

Der Ehrgeiz hat Nizar Rokbani weit gebracht: Nach seinem Studium gründete er mit einem Geschäftspartner die Budget-Hotel-Kette Meininger, die europaweit expandierte und zuletzt über 250 Millionen Euro Umsatz machte. Auf dem vorläufigen Höhepunkt der Expansion verkaufte er vor zwei Jahren überraschend seine Anteile, überließ seinen Nachfolgern ein Unternehmen mit rund 450 Mitarbeitern und ließ sich auszahlen.

Jetzt verfolgt er ein neues Ziel: Er möchte eine Schule gründen. In Wilmersdorf, einem bürgerlichen Viertel im alten Westen Berlins, hat er sich für dieses Ziel eigens ein neues Büro eingerichtet. Er empfängt in hellen, hohen Räumen, am Fenster lehnt ein elegantes schwarzes Rennrad, an den Wänden hängt HipHop-Graffiti-Kunst. Eines der Bilder zeigt den Boxer Muhammad Ali. Mit dem kann sich Nizar Rokbani identifizieren, denn auch er hat sich von ganz unten weit nach oben durchgeboxt.

Nizar Rokbani ist in Moabit aufgewachsen, einem alten Arbeiterbezirk im Nordwesten Berlins. Als er dort in den 1980er Jahren die Grundschule besuchte, waren fast alle Kinder wie er ausländischer Herkunft. „Da war die halbe Welt“, sagt er. Damals wandelte sich der Bezirk langsam zu einem Problemkiez: Die Industrie wanderte ab, viele der ehemaligen „Gastarbeiter“, die dort wohnten, wurden arbeitslos, und in die billigen Altbauten im Kiez zogen immer mehr Flüchtlinge aus dem Libanon ein. Sechs vom Bürgerkrieg traumatisierte Kinder kamen damals auch in seine Klasse, sagt Nizar Rokbani: „Die waren wie unter Strom.“ Aber seine Lehrer meinten nur, er sei „doch auch Araber“, und setzen sie zusammen.

Prügelnder Vater, fleißige Mutter

Manche dieser ehemaligen Mitschüler sind mittlerweile tot – durch Heroin, das sie erst verkauft und dann selbst genommen haben. Auch Nizar Rokbanis jüngerer Bruder geriet in diese Kreise, inzwischen ist er clean. Nizar Rokbani hielt sich zwar von den Drogen fern, aber ein guter Schüler war er trotzdem nicht: „Ich konnte bis zur vierten Klasse meinen Nachnamen nicht schreiben, ich war mehr so der Klassenclown“, sagt er. „Aber in der Schule war es immer noch besser als zu Hause.“ Denn zu Hause führte der Vater ein patriarchales Regiment, und es setzte öfters mal auf Prügel.

Zum Glück war da noch seine Mutter, die Nizar Rokbani mit ihrem Fleiß ein Vorbild war. Sie stellte sich auch quer, als er nach der zehnten Klasse die Schule mit einem Realschulabschluss verlassen wollte. „Gefühlt etwa tausend Bewerbungen“ hatte er da geschrieben, erzählt Rokbani, und mit Glück und Mühe einen Ausbildungsplatz bei einem Glühbirnenkonzern ergattert.

Doch als er ihr voller Stolz seinen Ausbildungsvertrag zeigte, riss seine Mutter diesen kurzerhand in Stücke. „Dafür bin ich nicht nach Deutschland gekommen“, lautete ihr knapper Kommentar. Die Mutter bestand darauf, dass ihr Sohn zumindest das Abitur machen sollte. Letztlich hat er ihr sogar seine Berufswahl zu verdanken, denn schon als Schüler half er ihr dabei, Hotelzimmer und Toiletten zu putzen. „So bin ich zur Hotellerie gekommen“, sagt der Unternehmer. „Eine klassische Hotelausbildung habe ich nie gemacht.“

Selbstständig mit Studentenhotel

Später jobbte er neben dem Studium an der Rezeption eines kleinen Hotels, und nach seinem Abschluss eröffnete er 1998 mit einem Geschäftspartner in Berlin-Schöneberg sein erstes Studentenhotel. Mit der Selbstständigkeit kamen andere Probleme. So schrieb Rokbani seitenlange Konzepte an die Banken, ganz wie er es im Studium gelernt hatte. Aber die ersten sieben Institute, denen er sie schickte, sandten sie ungelesen zurück. „Keiner wollte uns einen Kredit geben“, berichtet Nizar Rokbani. Erst als ein dritter Partner mit einem rein deutsch klingenden Namen mit ins Boot stieg, klappte es plötzlich überraschend schnell.

Mit seinem Studentenhotel gehörte Rokbani zu den Pionieren der Berliner Hostelszene, die den etablierten Jugendherbergen den Kampf ansagten. Den Namen der Straße, in der seine erste Pension lag, übernahm er für sein Haus, weil der so schön süddeutsch und gediegen klang. Heute ist der Name „Meininger“ ein Markenzeichen. „Klassenfahrten nach Berlin, damit sind wir gewachsen“, resümiert Rokbani.

Und dieses Wachstum war rasant: In wenig mehr als zehn Jahren folgten 16 Filialen in neun Städten, darunter in Wien, Amsterdam und London. Allein in Berlin gibt es heute vier Meininger-Häuser, davon eines am Hauptbahnhof und eines am neuen Flughafen, der noch immer auf seine Eröffnung wartet. Neben Schülern und Studenten checken heute auch Reisegruppen, Senioren und Familien bei Meininger ein, wo freies WLAN und Flachbildfernseher inzwischen, wie überall, zum Standard gehören.

Arm im Villenviertel

„Ich hatte eine Vision vor Augen“, sagt Nizar Rokbani rückblickend über die Gründe für seinen Erfolg. „Aber letztlich war auch viel Zufall im Spiel. Und genau das kotzt mich an.“ Die Schule, die er gründen will, soll dafür sorgen, dass die Chancen weniger zufällig verteilt werden – für Kinder von Armen und Migranten, aber auch für andere. Denn auch in Villenvierteln gebe es Kinder, die zwar Markenklamotten trügen und von ihren Müttern von einem Kurs zum anderen gefahren würden, aber emotional verwahrlost seien, sagt Rokbani, der heute selbst in einem solchen Villenviertel wohnt.

An staatlichen Schulen stört ihn, dass es dort oft „zu verkrustete Strukturen“ und „zu wenig Raum für große Kreativität“ gebe. Seine eigenen Kinder schickt er trotzdem auf eine solche Schule. Das sei weder eine Elite- noch eine Problemschule, sagt er, aber die Lehrer seien gut, und darauf käme es an. Doch: „Solche Durchschnittsschulen gibt es immer weniger“, findet er.

Sein Schulprojekt versteht er nicht als Gegenmodell zu staatlichen Einrichtungen, sondern als Ergänzung. Denn: Konkurrenz belebt das Geschäft, davon ist er überzeugt. Einst hätten die Jugendherbergen ein Monopol auf die jugendliche Klientel gehabt, über das sie eifersüchtig wachten. Erst als sie sich der wachsenden Konkurrenz durch die Low-Budget-Herbergen beugen mussten, hätten sie sich gewandelt, nun böten sie „viel mehr Service und Komfort als früher“, sagt Rokbani. Bei den staatlichen Schulen könne durch die Konkurrenz durch freie Träger ein ähnlicher Effekt eintreten.

Controller statt Pädagoge

Nicht mehr als 24 Kinder sollen an seiner Schule in eine Klasse gehen, und sie sollen dort von der ersten bis zur zehnten Klasse zusammenbleiben. Wer will, soll dort Abitur machen können, wenn einmal eine gymnasiale Oberstufe hinzukommt. Die Eltern, die ihre Kinder auf diese Schule schicken, werden dafür Schulgeld bezahlen müssen, doch das will er sozial verträglich staffeln. Derzeit sucht er noch nach einem geeigneten Gelände, und zum pädagogischen Konzept sagt er nur, man müsse „das Rad nicht neu erfinden“.

Eine erste Wirtschaftlichkeitsrechnung hat Rokbani bereits gemacht, und er hat sich ein Leitungsteam zusammengestellt. Der künftige Schuldirektor werde „mit Absicht kein Pädagoge“ sein, hat er entschieden, sondern ein Controller, der „mit Zahlen und Menschen kann“. Seine eigene Aufgabe sieht er darin, die Schule als Gründer nach außen zu repräsentieren und „über ihren Spirit zu wachen“.

Die Motivation des Personals sei dabei besonders wichtig. Um seine Lehrer anzuspornen, will ihnen Rokbani einen Coach zur Seite stellen, die zusätzlichen Kosten dafür stören ihn nicht: „Das ist gut investiertes Geld“, glaubt er. Denn: „Nur ein Lehrer, der zufrieden ist, ist ein guter Lehrer.“ Und auf die Lehrer kommt es, wie er aus eigener Erfahrung weiß, letztlich am meisten an.

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