Menschen mit Behinderung in den Medien: Nicht einmal eine Meldung

Seit Jahren kämpfen Behinderte für eine bessere Berichterstattung für und über sie. Doch es tut sich wenig. Die Berliner SPD will den örtlichen Rundfunkrat umkrempeln.

Das MDR-Magazin Länderzeit wurde – bis zu seiner Einstellung Ende April – von einer Gebärdensprachdolmetscherin übersetzt. Bild: dapd

BERLIN taz | Knapp 1.500 Demonstranten mit bunten Regenschirmen ziehen durch das Berliner Regierungsviertel, viele von ihnen im Rollstuhl. Unter dem Motto „Rettungsschirme für alle!“ haben Verbände wie Aktion Mensch zu der Aktion aufgerufen, die mehr Teilhabe für Behinderte fordert.

Für die Organisatoren ist diese Demonstration am 27. April 2012 ein großer Erfolg – doch das kommt nicht überall an. Als Bärbel Reichelt, Vorsitzende des Berliner Behindertenverbandes, am selben Tag die „Abendschau“ einschaltet, ist sie verärgert: Das Nachrichtenmagazin des Rundfunks Berlin Brandenburg (RBB) berichtet mit keiner Silbe von der Demo. „Nicht einmal eine Nachricht ohne Bild, gar nichts!“, sagt sie. „Wie im letzten Jahr!“

Und das, obwohl der RBB-Staatsvertrag ausdrücklich vorsieht „insbesondere die Anliegen behinderter Menschen“ in seinem Programm zu berücksichtigen. „Die fehlende Berichterstattung am 27. April war eine Panne, die wir bedauern“, entschuldigt sich RBB-Sprecher Justus Demmer. Ursache seien unzureichende Absprachen über den Einsatz von Kamerateams gewesen.

Doch Bärbel Reichelt, die selbst im Rollstuhl sitzt, beklagt nicht nur beim öffentlich-rechtlichen Sender für Berlin und Brandenburg Mängel: Themen wie die Inklusion von Behinderten fänden in vielen TV- und Radio-Programmen kaum statt. Und wenn sie doch gesendet werden, können viele sie nicht nutzen: „Seit Jahren fordern hörbehinderte Menschen einblendbare Gebärdensprache bei den Nachrichtensendungen von ARD und ZDF. Vergebens!“ Dabei ist dies in Ländern wie Großbritannien oder den USA längst Standard.

Vom Aufwand her angemessen?

Justus Demmer verweist jedoch auf den erheblichen technischen Aufwand: „Die ARD hat sich verpflichtet, von 2013 an jede Erstsendung im ’Ersten‘ zu untertiteln, der RBB hat zuletzt die Untertitelung von ’rbb aktuell‘ umgesetzt.“ Zu diskutieren wäre dann, ob eine Fassung mit Gebärdendolmetscher „noch sinnvoll beziehungsweise vom Aufwand her angemessen“ sei, sagt Demmer.

Etwa 12 Millionen Menschen mit einer leichten bis mittleren Hörbehinderung leben in Deutschland. Sie alle zahlen Rundfunkgebühren, obwohl sie viele TV- und Radio-Angebote mehr schlecht als recht nutzen können. Solche Probleme anzusprechen, ist Aufgabe der Rundfunkräte, die über die Einhaltung des Programmauftrages wachen und den Intendanten der Sender wählen. Doch obwohl die Mitglieder der Räte einen Querschnitt der Gesellschaft darstellen sollen, befindet sich in nur dreien ein Behindertenvertreter: im Westdeutschem Rundfunk (WDR), dem Südwestrundfunk (SWR) und dem Saarländischen Rundfunk (SR).

Dass dort Platz für eine so große Minderheit wie die der Behinderten sein müsste, findet auch die Berliner SPD-Landesabgeordnete Birgit Monteiro: Die Sprecherin der Fraktion für Behindertenpolitik kämpft seit 10 Jahren für einen Umbau des RBB-Rundfunkrates. Erst vor kurzem bewegte sich etwas: Am 24. April beschloss die Berliner SPD-Fraktion einen Antrag mit dem Ziel, auch Menschen mit Behinderung und Senioren eine Stimme im Rundfunkrat zu geben.

„Entweder durch eine Erhöhung der Zahl der Mitglieder von 30 auf 32 oder durch anderweitige Umstrukturierungen“, sagt Monteiro. Da die Entscheidung darüber Ländersache ist, müssen am Ende sowohl der Berliner als auch der Brandenburger Landtag zustimmen.

Eingeschränkte Arbeitsfähigkeit

Doch das könnte schwierig werden: Die Brandenburger SPD ist gegen den Antrag: „Eine Vergrößerung des Gremiums würde die Arbeitsfähigkeit erheblich einschränken“, sagt der brandenburgische SPD-Sprecher Matthias Beigel. Die in Potsdam mitregierende Linkspartei hingegen begrüßt den Vorstoß, ähnlich wie die Berliner CDU-Fraktion. Sie will aber auch weitere Punkte des RBB-Staatsvertrags neu verhandeln: „Auch andere Verbände möchten mit dabei sein“, sagt Christian Goiny, medienpolitischer Sprecher der Berliner CDU. „Wir sind da gesprächsbereit.“

Auch Christian Specht fordert seit Jahren einen Platz für Behinderte im RBB-Rundfunkrat. Der 43-jährige Berliner Politaktivist, der selbst mit einer geistigen Behinderung lebt, sitzt im Behindertenbeirat des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg und hat ein Büro im taz-Gebäude. Specht würde gern selbst Vertreter im Rundfunkrat werden, sagt aber: „Ich werde jeden unterstützen, der die Stelle am Ende besetzt.“ Er habe allerdings „Angst, dass sie da nur jemanden als Alibi hinsetzen, der dann nichts tut“.

Der RBB gelobt bereits Besserung: „Es wird eine interne Fortbildung zum Thema ’Menschen mit Behinderung‘ geben, unter anderem zur gleichberechtigten Darstellung in den Medien“, sagt Justus Demmer. „Menschen mit Behinderung fühlen sich oft gekränkt von unserem gedankenlosen Umgang mit Sprache im Alltag“, sagt RBB-Intendantin Dagmar Reim. „Wir können und werden das ändern.“

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