Menschenhandel: „Arbeitgeber nutzen Macht aus“

Die Universität Bremen ist an einem Forschungsprojekt der EU beteiligt, das wissen will, wie sinnvoll Kampagnen gegen Zwangsarbeit sind

In privaten Haushalten arbeiten viele Menschen schwarz - oft in ausbeuterischen Verhältnissen. Bild: dpa

taz: Frau Vogel, Sie wollen Kampagnen zur Beeinflussung der Nachfrage nach Prostitution, Zwangsarbeit und Bettelei untersuchen. Was heißt das?

Dita Vogel: Es geht um Kampagnen, die die Öffentlichkeit informieren, Freier abschrecken oder zur Zusammenarbeit mit der Polizei bewegen wollen.

Funktioniert das?

Das wollen wir herausfinden. Kampagnen werden in der Regel evaluiert, aber oft fehlen Vergleichszahlen, sodass man nicht wirklich sagen kann, ob dadurch mehr Menschen Hilfe erhalten haben. Ein Beispiel: Durch eine umfangreiche Kampagne zur Sensibilisierung von Freiern während der Fußballweltmeisterschaft 2006 kamen 33 ernst zu nehmende Hinweise über die Telefon- und E-Mail-Hotline. War das ein Erfolg? Wir untersuchen Erfolgsmaßstäbe und wie man sie verbessern kann.

Es geht aber nicht nur um Prostitution, sondern auch um andere Branchen.

Es geht um extreme Ausbeutungssituationen. Und davon sind übrigens nicht nur Menschen, die nach Deutschland eingereist sind, sondern auch Deutsche betroffen.

geboren 1963, Diplom-Volkswirtin, arbeitet im Arbeitsbereich Interkulturelle Bildung an der Uni Bremen. Am Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut leitete sie zuvor den Bereich irreguläre Migration.

Aber nicht in demselben Umfang, oder?

Nein. Bei Ermittlungen wegen Menschenhandel ging es im Bereich der Prostitution aber immerhin bei einem Fünftel nur um deutsche Opfer. Das hat der aktuelle Lagebericht des Bundeskriminalamts zu Menschenhandel ergeben.

Macht der prekäre Aufenthaltsstatus Migranten und Migrantinnen noch anfälliger für Ausbeutungsverhältnisse?

Ja, natürlich. Wer sich eigentlich gar nicht in Deutschland aufhalten darf, sondern sich damit sogar strafbar macht, wird sich nicht so schnell wehren. Das merken Arbeitgeber. Oft beginnt es mit einem regulären und vielleicht sogar fairen Arbeitsverhältnis. Wenn der Arbeitgeber merkt, dass sich der Arbeitnehmer viel bieten lässt, kann sich daraus ein extrem ausbeuterisches Arbeitsverhältnis entwickeln. Aber auch legal in Deutschland lebende Menschen können sehr verletzlich sein, wenn sie auf die Arbeit bei einem bestimmten Arbeitgeber angewiesen sind, etwa als Spezialitätenkoch in der Gastronomie oder in Privathaushalten.

So wie bei Putzhilfen?

Besonders verletzlich sind eher Au Pairs oder Pflegekräfte mit oder ohne Aufenthaltsstatus, die am selben Ort arbeiten und wohnen.

Haben die Betroffenen überhaupt die Möglichkeit, sich zu wehren? Schließlich begehen sie mit ihrem Aufenthalt eine Straftat.

Das ist ein Problem, dass illegaler Aufenthalt in Deutschland nicht nur verboten ist wie in manchen anderen EU-Ländern, sondern sogar strafbar. Das bedeutet, dass die Polizei auch gegen Zeugen und Opfer ermitteln muss, die sich bei ihr melden. In einigen Städten in den USA sind Polizisten und andere städtische Angestellte angehalten, grundsätzlich nicht nach dem Aufenthaltsstatus zu fragen. Deutsche Behörden müssen dagegen die Ausländerbehörden informieren, wenn sie offiziell von illegalem Aufenthalt erfahren. Allerdings gibt es inzwischen Ausnahmen, wenn es um die Kostenerstattung von Notfallbehandlungen und um Bildungs- und Erziehungseinrichtungen geht.

Das heißt, Arbeitsgerichte können Klagen wegen einbehaltenem Lohn annehmen?

Das können und tun sie auch. Arbeitsgerichte sind leider nicht von der Übermittlungspflicht ausgenommen, aber sie müssen auch nicht nach dem Aufenthaltsstatus fragen. Sie können in Abwesenheit der Kläger verhandeln. Die müssen sich dann allerdings vertreten lassen, ohne Unterstützung, etwa von Gewerkschaften geht es nicht. Allerdings gibt es oft Probleme in der Nachweisbarkeit. Deshalb interessiert mich auch sehr, was die Bundesregierung im Sommer sagen wird, wenn sie über das Umsetzen einer EU-Richtlinie berichten soll.

Was beinhaltet diese?

Sie verlangt von den Mitgliedsstaaten „Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen“. Dazu gehören nicht nur Kontrollen und Strafen. Arbeitgeber sollen sich auch auf keinen Fall den Lohn für geleistete Arbeit sparen können, wenn ein illegaler Aufenthalt auffällt. Deshalb sollen die Mitgliedsstaaten effektive Mechanismen einrichten, damit Menschen ohne Aufenthaltsstatus ihren Lohn einklagen können, sogar wenn sie schon wieder im Ausland sind.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.