Merkel-Kritiker Josef Schlarmann: Der Kubicki der CDU

Angela Merkel wird aus den eigenen Reihen attackiert. Doch die Kritik des CDU-Wirtschaftsexperten Josef Schlarmann gefährdet ihre Macht nicht. Sie stabilisiert sie.

Vielleicht mögen sie sich nicht. Aber sie brauchen sich. Josef Schlarmann und Angela Merkel. Bild: dapd

Josef Schlarmann ist ganz anders als Wolfgang Kubicki. Nie würde der große, schlanke Herr mit dem vollen Haar und der weichen Stimme tönen, im großen Berlin würde er zum „Hurenbock“. Nie käme es dem eleganten Vorsitzenden der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der Union in den Sinn, Journalisten zum Kriegsfilmgucken ins eigene Wohnzimmer zu laden. Dennoch ähneln der laute FDPler und der leise CDU-Mann einander sehr. Beide sind die vehementesten Kritiker ihrer Führung. Davon profitieren sie selbst – und ihre Parteien.

Am gestrigen Mittwoch begrüßte Schlarmann die Kanzlerin nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub mit barschen Interviewäußerungen. Der Leipziger Volkszeitung sagte der 72-Jährige: „Es gibt keinerlei grundsätzliche Debatte mehr, weil alles in Frau Merkels CDU als alternativlos angeboten wird.“ Die Macht konzentriere sich aufs Kanzleramt: „Alle Minister sind von der Kanzlerin unmittelbar abhängig.“ Es gelte allein Merkels Linie, für potenzielle Nachfolger sei es unmöglich, unter dem „System Merkel“ nach oben zu kommen. Die Partei empfange nur noch „Anweisungen“.

Diese Worte sind bemerkenswert und zugleich banal. Sie sind bemerkenswert, weil sie den Zustand der Union und den Führungsstil der Kanzlerin ziemlich genau beschreiben. Dieses Urteil ist aber auch banal, denn dieses Verdikt lässt sich jeden Tag in Zeitungen nachlesen. Nur stammt es selten von einem Vertreter der CDU-Führung.

Schlarmanns Worte erschüttern dennoch nicht Merkels Macht. Der Niedersachse ist in einer ähnlichen Lage wie der Schleswig-Holsteiner Kubicki: Beide haben eine solide parteiinterne Hausmacht. Beide haben keine Aussichten mehr, im Bund Karriere zu machen – und damit keinen Anlass, vor Merkel zu kuschen. Sie sagen daher gern ausführlich ihre Meinung.

Querulant oder Quartalsirrer

Aber in der Politik ist es wie im sonstigen Leben: Wer dauernd die Wahrheit sagt, dem glaubt man nicht. Einem, der nicht lügt, kann man schließlich nicht trauen. Wer die eigene Haltung nicht permanent den Erfordernissen anpasst, gilt als Enfant terrible, Querulant oder Quartalsirrer. Mit diesem Ruf können beide Politiker gut leben. Und ihre Parteien auch.

„Es gibt zwei Wege für den politischen Aufstieg“, sagte Konrad Adenauer. „Entweder man passt sich an. Oder man legt sich quer.“ Schlarmann legt sich quer. Damit sichert er seine Macht im Wirtschaftsflügel der Union, der schon lange über den Regierungskurs murrt. Zugleich bildet Schlarmann aber auch ein Ventil für weit verbreiteten Unmut in der Partei: Was ist noch konservativ am Handeln der Union? Das regelmäßige Öffnen des Druckventils stabilisiert das kritisierte „System Merkel“. Paradoxerweise dient es als Beweis, dass die Partei eben nicht allein „Anweisungen“ von oben erhält. Schlarmanns Kritik nimmt so Druck heraus, anstatt ihn zu erhöhen.

Deutsche Christdemokraten wissen besser als Sozialdemokraten: Macht muss man innehaben, um über sie meckern zu können. Einen parteiintern betriebenen Sturz Merkels wird es nicht geben. Das beherzigt auch ihr heftigster Kritiker.

Schlarmann ist so lange Vorsitzender der Wirtschaftsvereinigung, wie Merkel Kanzlerin ist. Er sitzt qua Amt im CDU-Bundesvorstand. Dort stimmte er 2009 Konjunkturpaketen zu, nur um sie kurz darauf öffentlichkeitswirksam zu verdammen. Damals holte er sich einen Rüffel von Merkel, manche Unionisten klopften ihm heimlich auf die Schulter, andere rollten die Augen, und das Spiel begann von vorn. Bis heute geht das so. Hätte die CDU keinen Schlarmann, sie müsste ihn erfinden.

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