Merkel, die Union und die Wahl: Die Suchende

Angela Merkel ist als Kanzlerin ist gesetzt, doch ihr Weg zu einer Jamaika-Koalition wird nicht leicht. Denn die CSU drängt weiter nach rechts.

Zwei Hände greifen nach Personalausweis

Immerhin eine Konstante in der Bundesrepublik: Merkel bei der Stimmabgabe Foto: reuters

BERLIN taz | Um die 33 Prozent für Angela Merkels Union. Das würde bedeuten, die Union muss sich eine Jamaika-Koalition basteln. Die Option, noch einmal mit der SPD in eine große Koalition zu gehen, hat SPD-Chef Martin Schulz schon kurz nach der Verkündung der ersten Prognosen ausgeschlossen. Die Sozialdemokraten, die nur rund 20 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnten, wollen vor der AfD stärkste Oppositionskraft sein.

Im Berliner Konrad-Adenauer-Haus, der Parteizentrale der CDU, war kurz nach dem Bekanntwerden der Jubel groß, bringt man in Anschlag, dass die Union mehr als sieben Prozentpunkte Verluste zu beklagen hat. Die CDU-Spitze, die sich in den oberen Stockwerken versammelt hatte, zeigte sich erst kurz vor 19 Uhr. Angela Merkel sprach, an die Mitglieder gewandt, von „großen Herausforderungen in der letzten Legislaturperiode“. Gleichwohl: „Wir haben unser strategisches Ziel erreicht. Wir haben den Auftrag zur Regierungsbildung, gegen uns kann keine Regierung gebildet werden.“

Allen in der Union war bereits vor der Wahl klar, dass das Ergebnis der letzten Bundestagswahl – stattliche 41,5 Prozent – keineswegs wiederholbar sein würde. 2013 war noch der damalige CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe siegestrunken mit einem Deutschland-Fähnchen auf der Bühne herumgedüst; Angela Merkel musste sie ihm eigenhändig entwinden. Diesmal dagegen war der CDU-Wahlkampf ästhetisch eine einzige große Deutschlandfahne. Die beauftragte Agentur Jung von Matt wollte den rechten Populisten Schwarzrotgold nicht überlassen.

Klar war aber auch: Das Erstarken der AfD und die Auferstehung der FDP würden die Union Stimmen kosten. Als ordentlichen Erfolg schätzten die Parteistrategen daher vorab 36 Prozent ein. Mit dieser Prognose sollte einer Debatte über die Verantwortung der Kanzlerin für den Stimmenrutsch schon vorab der Boden entzogen werden. Das wird nun nicht funktionieren. Die Frage ist, wer aus der Parteiführung sich gegen die Vorsitzende stellen könnte. Beim Auftritt im Adenauer-Haus standen Vorstand und Präsidium noch milde Lächelns um Merkel gruppiert.

Horst Seehofer

„Wir haben 2018 eine Wahl in Bayern. Da kann sich eine CSU es nicht erlauben, ein Wahlversprechen nicht einzuhalten. Das wäre geradezu politischer Selbstmord.“

An diesem Montag nun treffen sich die Parteigremien in Berlin und in München. Für die Mittagszeit ist im Konrad-Adenauer-Haus eine Pressekonferenz mit Angela Merkel anberaumt. Bis dahin werden die Drähte zwischen den Unionsparteien heiß laufen. Abzusehen ist, dass Seehofer den für die Wahlkampfzeit zwischen CDU und CSU ausgehandelten Betriebsfrieden aufkündigt. Daraus hat er schon wenige Tage vor der Wahl keinen Hehl mehr gemacht, als er auf die Frage zu einer Obergrenze für Flüchtlinge geantwortet hatte: „Wir haben 2018 eine Wahl in Bayern. Da kann sich eine CSU es nicht erlauben, ein Wahlversprechen nicht einzuhalten. Das wäre geradezu politischer Selbstmord.“

Kampf um die Obergrenze

Seine CSU ist mit für Bayern sensationell schlechten 38 Prozent eingelaufen. Vor vier Jahren waren es noch 49,3 Prozent. Am Abend trat er im Franz-Josef-Strauß-Haus vor die Kameras und sprach von einer Enttäuschung. Man habe „bravourös gekämpft in einer nicht ganz einfachen Zeit“. Seehofer kündigte an, das Wahlergebnis „genau betrachten“ zu wollen. Es gelte nun, die „offene Flanke auf der rechten Seite“ zu schließen. Die Union müsse jetzt „eine Politik machen, die gewährleistet, dass Deutschland deutsch bleibt“.

Nachdem seine CSU bei der vorletzten Bayern-Wahl 2008 ihre absolute Mehrheit verloren hatte und deshalb in eine ungeliebte Koalition mit der FDP gehen musste, ist diesmal wieder die Alleinherrschaft der Christsozialen sein oberstes Ziel. Für eine künftige unionsgeführte Bundesregierung hat er deshalb schon vor längerem seinen bayerischen Innenminister Joachim Herrmann als Nachfolger von Amtsinhaber Thomas de Maizière (CDU) eingeführt. Der, so Seehofers Kalkül, würde dann in Berlin als eine Art lebende Obergrenze fungieren. Dass es die nicht geben würde, hatte Merkel während des Bundestagswahlkampfs mehrfach wiederholt.

In diesem aufgeputschten innenpolitischen Umfeld muss Merkel nun versuchen, eine Koalition mit den bürgerrechtlich orientierten Grünen und der liberalen FDP zu schmieden – während Seehofer schon wieder auf dem rechten Flügel heiß läuft.

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