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Merz, Kollegah und das Verbrenner-AusVorm Abgrund gebremst?

Merz verhandelt in Sachen Ukraine und muss sich von Europa retten lassen. Kollegah wäre gerne Kanzler und mit dem Verbrenner-Aus ist es aus.

Die Erzählung beginnt stets so: „Deutschland am Arsch“. Bei Kollegah, Weidel, Wagenknecht kommt danach nicht mehr viel Foto: Uwe Erensmann/imago

t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Regierung will schon wieder Vorratsdatenspeicherung.

taz: Und was wird besser in dieser?

Küppersbusch: Regierung speichert Verfassungsgerichtsurteil dagegen, wenigstens mal drei Monate.

Friedrich Küppersbusch

Friedrich Küppersbusch ist Journalist, Produzent und feiert jede Minute mehr Licht ab heute.

taz: Der Kanzler wird in diesen Tagen für seine große Kanzlerei in Sachen Ukraine und Friedensverhandlungen gefeiert. Kann Merz doch was?

Küppersbusch: Merz hat die Europäer in die Ukraine-Verhandlungen gezeckt, indem er angedroht hat, die Bank noch schneller zu überfallen als Putin und Trump. Das mit dem Banküberfall ging dann schief, und ob Putin sich um die polierten Vorschläge schert, steht dahin. Also: Merz hat Europa angeschleppt und Europa ihn vorm Abgrund gebremst. Erstaunliches Gesamtkunstwerk.

taz: Einige AfD-Politiker feiern den Rapper Kollegah für dessen neuen Song „Deutschland“. Wäre er Kanzler, würde er „für Deutschland kämpfen bis aufs Blut“, rappt er darin. Kann Kollegah Kanzler?

Küppersbusch: Die klassische Erzählstruktur „Heldenreise“ beginnt stets mit „der gewohnten Welt des Mangels“: Deutschland am Arsch. Bei Kollegah, Weidel, Wagenknecht kommt danach nicht mehr viel. Ihr Elixier, Mentor, Zauberschwert heißt „heißes Blut“, „Vaterlandsliebe“ oder der Opa in Stalingrad. Das „Vordringen in die tiefste Hölle“ ist, sich den Schlamm anhören zu müssen. Und die Endstation „Erneuerung und Verwandlung“ schließlich verspricht stets eine glorreiche Zukunft, die im Wesentlichen aus einer gelogenen Vergangenheit besteht. Wer sechs Jahre braucht, um ein auch schon mal gar nicht so tolles „Rammstein“-Lied ins Deutsche zu übersetzen, sollte unbedingt hierbleiben dürfen. Wir sind ja nicht so.

taz: Der BND soll künftig nicht nur spionieren, sondern auch sabotieren. Endlich?

Küppersbusch: Der BND wird gern als „Vegetarier“ unter den Diensten gehänselt, weil er ohne „Lizenz zum Töten“ tatsächlich – kein Fleisch frisst. „Zum Löten“ tat's bisher auch, weil der Auslandsgeheimdienst netzwerkt, abhört und von Daten, vielleicht auch Spins der Kollegen lebt. Nun soll er im Inland Wohnungen mit Spyware vergiften, im Ausland Verbrechen begehen dürfen und Waffensysteme angreifen. Lieben Gruß an die Kollegen vom Militärischen Abschirmdienst MAD, das gibt wieder Ärger mit der Zuständigkeit. Der Gesetzentwurf verdoppelt die Zahl der BND-Regelungen, heillose Verwirrung des Gegners ist möglich – der Debatte auch. Premiumalbern der Passus, wonach das Parlamentarische Kontrollgremium ja draufschauen dürfe – in dem derzeit nur ein einziger Oppositioneller sitzt, der Grüne von Notz. Mal unter uns, Kollegen: Wer ist eigentlich Euer Feind?

taz: Am Mittwoch knickte die EU-Kommission vor dem Druck der Autolobby ein und verkündete das Aus vom „Verbrenner-Aus“. Zündschlüssel für die europäische Wirtschaft?

Küppersbusch: Die erste elektrische Lokomotive baute Werner von Siemens 1879 – die letzte Dampflok rollte 1959 aufs Gleis. Die 80 verschenkten Jahre dazwischen, volkstümlich „eine FDP“ genannt, könnte man heute einschneidend verkürzen. Doch den Ökos gelingt bisher nicht, Vernunft und Sexyness zu einer Vision zu schmelzen: „Wir verdienen uns mit Zukunftstechnik dumm und dusselig“, etwa. Wenn der Staat sich schon ständig einmischt in den deutschen Ingenieursgeist – kann er nicht einfach verbieten, noch dümmer zu sein als Elon Musk?

taz: Außerdem hat die EU über den Umgang mit etwa 210 Milliarden eingefrorener Euros aus Russland diskutiert. Wie würden Sie die Kreml-Milliarden verteilen?

Küppersbusch: Ich würde nicht unbedingt das Signal in die Welt senden, dass die Kohle in Europa nicht mehr sicher ist.

taz: Trump verklagt die BBC. Wie werden ARD/ZDF reagieren, wenn ihnen das Gleiche passiert?

Küppersbusch: Ja, hatte er noch nicht? „Zweite Chance – die Rückkehr von Donald Trump“ lief von November ´24 bis Januar ´25 fünfmal bei ZDFinfo und Phoenix, in einer auf 45 Minuten gekürzten Fassung des 58-minütigen BBC-Originals. Möge die Kürzung an der richtigen Stelle sitzen. Der inkriminierte Passus der ursprünglichen Doku ist journalistisch unsauber, man kann ihn ebenso gut als Wertung wie als Verfälschung lesen. Keine ganz unübliche Praxis. Trump ist inzwischen gewöhnt, dass US-Networks Millionen spenden, Moderatoren feuern und sich beflissen zwangsverteppichen, wenn er mit irrsinnigen Klagen droht. Die Öffentlich-Rechtlichen US-Ketten lässt er gerade verhungern. All das trifft auf europäische Sender nicht zu, doch auch in die Gremien der BBC sind Rechtspopulisten und Trump-Fans eingesickert, die das Drama von innen befeuern. Im ZDF-Fernsehrat sitzt noch kein offizieller Vertreter der AfD. Noch.

taz: Wir wünschen Ihnen frohe Festtage. Was wünschen Sie Ihren Leser*innen?

Küppersbusch: Danke! Ebenso!

taz: Und was macht der RWE?

Küppersbusch: Weihnachten auf Platz drei oder vier ist schon sehr schön, in der „Strafentabelle“ sind sie sogar zweiter: Bisher 82.250 Euro Knöllchen für Pyro. Stille Nacht.

Fragen: Tobias Bachmann, Doris Akrap

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Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
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1 Kommentar

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  • „Den Ökos gelingt bisher nicht, Vernunft und Sexyness zu einer Vision zu schmelzen "



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    Es schmilzt die Vision. Mensch kennt das schon. Die Tage werden wieder länger.