Merz' neue Stadtbild-Erklärungen: Nicht minder rassistisch
Statt sich bei den betroffenen Menschen zu entschuldigen, entscheidet für Merz nur der vermeintliche Nutzen, wer in Deutschland bleiben darf.
O ffenbar fühlte sich Kanzler Friedrich Merz am Mittwoch genötigt, seine unsägliche Stadtbild-Aussage erneut zu erklären. Zumindest sein Pressestab wird inzwischen verstanden haben, dass es aufgrund der Aufregung, die er losgetreten hat, einer solchen Erläuterung bedarf. Von rechten Wähler*innen, an die die Dog Whistle gerichtet war, wird er gefeiert – jetzt müssen nur noch die anderen wieder beschwichtigt werden.
Merz kam nicht etwa auf die Idee, sich bei all den Menschen, die sich von seiner Aussage ausgegrenzt fühlen, zu entschuldigen. Stattdessen formulierte er seinen rassistischen Blick auf Migrant*innen weiter aus: „Heute sind Menschen mit Migrationshintergrund ja ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Arbeitsmarktes“, las Merz vom Sprechzettel ab – „wir können auf sie eben gar nicht mehr verzichten.“ Probleme bereiteten vor allem diejenigen, „die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus haben und nicht arbeiten“.
Es gibt also die „guten“ Ausländer*innen, nämlich all jene, ohne die Deutschland leider gar nicht im globalen Wirtschaftswettbewerb bestehen kann. Daneben gibt es aber auch die „schlechten“ Ausländer*innen, also alle, auf die der deutsche Wirtschaftsstandort verzichten kann, weil sie nicht genug wirtschaftlichen Nutzen bringen.
Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.
Sie dienen dann als Sündenbock, um rechte Wähler*innen zu gewinnen. Die Gleichung, die Merz hier aufmacht, wonach die Daseinsberechtigung von Migrant*innen an ihrem Nutzen gemessen wird, ist nicht minder rassistisch als die ursprüngliche Aussage.
Kapitalistische Logik
Neu ist diese Gleichung aber nicht, sie ist der Logik kapitalistischer Nationalstaaten inhärent. Auch die Ampel-Regierung bediente sich ihrer mit ihrem Migrationspaket – nur eben mit dem Unterschied, dass sie diese in eine inklusivere rhetorische Hülle verpackte.
Das Grundprinzip war aber dasselbe: Wer gebraucht wird und sich in seinem Nutzen bewährt, darf kommen und bleiben. Die Unliebsamen werden draußen gehalten oder „im großen Stil“ abgeschoben. Dass sich Sozialdemokrat*innen jetzt als die großen Antirassisten inszenieren, ist vor diesem Hintergrund perfide.
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert