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Merz' neue Stadtbild-ErklärungenNicht minder rassistisch

Pauline Jäckels

Kommentar von

Pauline Jäckels

Statt sich bei den betroffenen Menschen zu entschuldigen, entscheidet für Merz nur der vermeintliche Nutzen, wer in Deutschland bleiben darf.

Der gute Friedrich ist und bleibt rassistisch in seinen Aussagen Foto: Harry Nakos/AP/dpa

O ffenbar fühlte sich Kanzler Friedrich Merz am Mittwoch genötigt, seine unsägliche Stadtbild-Aussage erneut zu erklären. Zumindest sein Pressestab wird inzwischen verstanden haben, dass es aufgrund der Aufregung, die er losgetreten hat, einer solchen Erläuterung bedarf. Von rechten Wähler*innen, an die die Dog Whistle gerichtet war, wird er gefeiert – jetzt müssen nur noch die anderen wieder beschwichtigt werden.

Merz kam nicht etwa auf die Idee, sich bei all den Menschen, die sich von seiner Aussage ausgegrenzt fühlen, zu entschuldigen. Stattdessen formulierte er seinen rassistischen Blick auf Mi­gran­t*in­nen weiter aus: „Heute sind Menschen mit Migrationshintergrund ja ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Arbeitsmarktes“, las Merz vom Sprechzettel ab – „wir können auf sie eben gar nicht mehr verzichten.“ Probleme bereiteten vor allem diejenigen, „die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus haben und nicht arbeiten“.

Es gibt also die „guten“ Ausländer*innen, nämlich all jene, ohne die Deutschland leider gar nicht im globalen Wirtschaftswettbewerb bestehen kann. Daneben gibt es aber auch die „schlechten“ Ausländer*innen, also alle, auf die der deutsche Wirtschaftsstandort verzichten kann, weil sie nicht genug wirtschaftlichen Nutzen bringen.

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Sie dienen dann als Sündenbock, um rechte Wäh­le­r*in­nen zu gewinnen. Die Gleichung, die Merz hier aufmacht, wonach die Daseinsberechtigung von Mi­gran­t*in­nen an ihrem Nutzen gemessen wird, ist nicht minder rassistisch als die ursprüngliche Aussage.

Kapitalistische Logik

Neu ist diese Gleichung aber nicht, sie ist der Logik kapitalistischer Nationalstaaten inhärent. Auch die Ampel-Regierung bediente sich ihrer mit ihrem Migrationspaket – nur eben mit dem Unterschied, dass sie diese in eine inklusivere rhetorische Hülle verpackte.

Das Grundprinzip war aber dasselbe: Wer gebraucht wird und sich in seinem Nutzen bewährt, darf kommen und bleiben. Die Unliebsamen werden draußen gehalten oder „im großen Stil“ abgeschoben. Dass sich So­zi­al­de­mo­kra­t*in­nen jetzt als die großen Antirassisten inszenieren, ist vor diesem Hintergrund perfide.

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Pauline Jäckels
Meinungsredakteurin
Redakteurin im Meinungsressort seit April 2025. Zuvor zuständig für die parlamentarische Berichterstattung und die Linkspartei beim nd. Legt sich in der Bundespressekonferenz gerne mit Regierungssprecher:innen an – und stellt manchmal auch nette Fragen. Studierte Politikwissenschaft im Bachelor und Internationale Beziehungen im Master in Berlin und London.
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11 Kommentare

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  • Das ist nicht rassistisch, das ist das Grundprinzip eines jeden heutigen Staates - Partizipation.



    Ohne Teilnahme am wirtschaftlichen Tun geht nichts, weil ohne Teilnahme keine Steuern und ohne Steuern kein Geld für nix.



    Und noch mehr wird diese Idee zwingend im Sozialstaat, der neben den gesellschaftlichen Grundbedürfnissen wie Infrastruktur ja auch noch die individuelle Absicherung leisten will.



    "Wer gebraucht wird und sich in seinem Nutzen bewährt, darf kommen und bleiben" gilt gleichermaßen auch für hier geborene - alle Aufwendungen, vom Kindergeld über Kindergarten bis zur Schule sind darauf ausgerichtet, dass das Kind später mal einen Mehrwert schafft, der wiederum dann die Ausbildung der nächsten Generation finanziert, die Rente der vorherigen, die laufenden Bedürfnisse aller und dann noch so Spielereien wie Entwicklungshilfe, etc...



    Auch Linke wollen ja großflächig Geld verteilen, nur halt anders gewichtet. Und auch wollen sie Geld im großen Stil beschaffen, nur halt nicht aus der kapitalistischen Wertschaffung, sondern bspw von Reichen oder Erben.



    Andere Herangehensweise, selbes Prinzip - ohne Moos nix los 🤷

  • Die AfD ist bei 27%, die CDU bei 25. Was soll Merz denn sonst machen? Sein bisheriger Kurs mit Anti-AfD und totaler Brandmauer scheint nicht zu funktionieren. Jetzt nach links zu schwenken wäre politischer Selbstmord, aus Angst vor dem Tod. Allerdings ergibt sich das große Dilemma für ihn dass er jetzt seinen Worten auch Taten folgen lassen muss, sonst ist seine Glaubwürdigkeit (und die der CDUCSU) vollständig und für immer darhin. Ich bin wirklich gespannt.

    • @Gerald Müller:

      Merz und Anti-AfD? Davon habe ich bislang nichts mitbekommen. Merz zusammen mit der AfD im Bundestag ist mir da eher in Erinnerung geblieben. Eine totale Brandmauer seitens der CDU existiert auch nicht, eher ein löchriges Mäuerchen, insbesondere in den ostdeutschen Landtagen und Kommunen.

      • @Flix:

        Sie können Merz und seine Politik in Frage stellen, aber nicht seine Abneigung gegen die AfD.



        Merz könnte sofort mit der AfD koalieren. Es wäre eine stabile Mehrheit und die CDU hätte keine Probleme ihre Agenda durchzudrücken, im Gegensatz jetzt zur SPD, die natürlich nur widerwillig ihre Weichenstellungen von der Ampel aufgeben mag und sich überdies deutlich stärker aufspielt als es das Wahlergebnis hergibt.



        Merz Idee wie man sich von der AfD abgrenzen kann ist lückenhaft, höflich ausgedrückt. Sie können ihm auch das Talent dazu absprechen.



        Aber mit der AfD wird er nie koalieren, vorher geht er.

  • Hat mit kapitalistischer Logik nichts zu tun.

    Sondern ganz einfach mit den Menschen in diesem Land, die dafür zahlen müssen.

    Es geht neben sonstigen Risiken und Nebenwirkungen ganz einfach auch um den Kostenfaktor. Der NRW-MP Wüst spricht von 20.000 Euro/Jahr für einen Asylbewerber. Mindestens den gleichen Betrag legt der Bund nochmal drauf. Das Migrationssystem hier kostet jährlich gigantische 50 Milliarden Euro. Konservativ gerechnet.

    Schon mal mitgekriegt wie viel Schulden Deutschland grade macht? Wie viel Zinsen wir dafür zahlen werden? Aktuell bezahlen wir 30 Milliarden Euro im Jahr für Zinsen. 2029 werden es 66 Milliarden sein, der drittgrößte Haushaltsposten. Schon wird angedacht weitere Schulden aufzunehmen um diese Zinslast jährlich schultern zu können.

    Höhere Schulden bedeuten auch immer höhere Inflation.

    Mal mitgekriegt, dass die Regierung den Menschen hier die Pflegestufe 1 streichen will nur um ein oder zwei Milliarden Euro im Jahr zu sparen? Die Leute haben zig Jahre in die Rentenkasse eingezahlt.

    www.waz.de/politik...romiss-hadert.html

  • Menschenskind Merz - gib ihnen halt einen Aufenthaltsstatus - dann können die hier auch arbeiten. Dass die Migranten Menschen sind und eine Bereicherung für die Kultur sind, wird dir sowieso nie aufgehen!



    Und tue nicht so, als wäre es ein Geschenk an die Rentner, wenn sie ab 2026 bis zu 2.000 € steuerfrei dazuzuverdienen dürfen. Statt für mehr Rentengerechtigkeit zu sorgen, sollen die Alten jetzt bis zum Umfallen malochen. Das ist allenfalls ein Geschenk an die Wirtschaft, die ohne die Erfahrungen der "Altgedienten" nicht zurecht zu kommen scheint.



    "Wirtschaft Wirtschaft über alles" - so sollte die Nationalhymne in Zukunft beginnen.

    • @Il_Leopardo:

      Genau so!

  • Genau, so ein Ausländer ist immer nützlich, sei es, um die Wirtschaft in Gang zu halten, sei es um die rechtsextreme Politik zu fördern. So ein alter Blackrocker lässt ja nichts verkommen.

  • Kann sich Deutschland einen solchen Kanzler erlauben/leisten?

  • Der utilitaristische Ansatz der SPD und das Punktesystem Kanadas mögen auf ihre Weise menschenverachtend sein sein: "Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen" (Max Frisch, 1965).



    Aber er verträgt sich überhaupt nicht mit Merzs Rassismus, der in diesem Denkschema nur als irrationaler Störfaktor auftaucht. Immerhin ist er also 20 Jahre weiter als die Nazidenke.

  • Es ist mir sehr unangenehm dieser Kanzler. Hatte mir mehr erwartet.