Methadon-Eltern im Visier der Behörden: Kontaminierte Kinderhaare

Bremen lässt die Haare der Kinder von Substituierten auf Drogenrückstände testen. Diese finden sich zwar häufig, doch dass die Kinder die Drogen konsumiert hätten, sei sehr unwahrscheinlich, so der Gutachter.

Haarprobe: Bei einigen Kindern fanden sich Drogenrückstände, wo die herkommen ist allerdings unklar Bild: dpa

BREMEN taz | Als erstes Bundesland hat Bremen Kinder von Methadonsubstituierten per Haaranalyse untersuchen lassen. Am gestrigen Dienstag wurden die Ergebnisse vorgestellt: In 21 von 28 Fällen wurden Rückstände verschiedener Drogen, darunter Kokain und Cannabis, festgestellt.

Dass die suchtkranken Eltern ihren Kindern die Drogen gegeben haben, ist jedoch unwahrscheinlich. "Es gibt keinen Fall, in dem wir nachweisen können, dass die Substanz nicht von außen gekommen ist", sagte der Berliner Toxikologe Fritz Pragst, der die Untersuchung geleitet hatte. Meist dürften die Substanzen durch Schweiß, Rauch oder Raumluft in die Kinderhaare gelangt sein.

Die Bremer Sozialbehörde will nun prüfen, ob einige der Kinder in Pflegefamilien kommen. Zudem will Bremens Sozialsenatorin Ingelore Rosenkötter (SPD) künftig alle Substituiertenkinder untersuchen lassen - und zwar alle drei Monate.

Die Behauptung, Abhängige könnten ihre Kinder mit Drogen "ruhigstellen" war im März in die erste Phase des Bremer Landtagswahlkampfs geplatzt. Da hatte ein Labor zum ersten Mal die Haare von 15 Kindern untersuchen lassen. Ärzte des Methadon-Programms hatten deren Eltern verdächtigt, weitere Drogen zu konsumieren.

Dies verstößt gegen die Auflagen der Substitution - und gilt als Indiz für eine Gefährdung des Kindeswohls. Tatsächlich wiesen fast allen dieser ersten 15 Haarproben Drogenrückstände auf. Doch was dies zu bedeuten hatte, war unklar. Einige Politiker störte dies nicht: Die CDU unterstellte eine mutwillige Verabreichung, ein SPD-ler stellt das Methadon-Programm als solches in Frage.

In Bremen leben nach Schätzungen der Drogenhilfe über 5.000 Heroinabhängige.

1.300 von ihnen werden substituiert. Unter ihnen sind auch Eltern von 150 Kindern.

Etwa ein Drittel dieser Kinder leben bei Pflegefamilien.

Die Bremer Linkspartei warnte vor einer grundlegenden Verschärfung der Richtlinien des Methadon-Programms. Beigebrauch dürfe nicht sofort zum Ausschluss von der Substitution führen.

Auch sei die Methadon-Substitution nicht für alle Abhängigen die richtige Behandlungsform - in Bremen gelte dies für rund 150 Personen. Die Partei forderte für diese Gruppe die Zulassung der kontrollierten Heroinabgabe.

Das Sozialressort reagierte besonnener: Es ließ einige Kinder in Obhut nehmen und gab eine weitere Untersuchung in Auftrag. "Die Befunde haben uns alarmiert", sagte Rosenkötter. "Wir wollten aber mehr über die Methode der Analyse wissen, denn deren Ergebnisse sind schwer zu interpretieren."

Der an der Berliner Charité tätige Pragst gilt als führender Experte für forensische Toxikologie. Er untersuchte in einer ersten Testreihe die Haare der ein- bis dreijährigen Bremer Substituierten-Kinder. "Die sind am stärksten gefährdet, weil die am wenigsten gesehen werden", sagte Staatsrat Joachim Schuster.

Pragst konnte in fünf Fällen keinerlei Drogenrückstände entdecken. In fünf weiteren Fällen war Cannabis nachweisbar. Zehn Mal fand Pragst Methadon und Kokain in sehr geringer Konzentration. Bei sieben Kindern entdeckte der Toxikologe Rückstände von harten Drogen in "vergleichsweise hohen Dosen".

In einem einzigen Fall brachten seine Untersuchungen ein Indiz für den Vorwurf des "Ruhigstellens" - hier fand sich das Beruhigungsmittel Diazepam. Offen ist, welchen Weg die Stoffe nahmen. Laut Pragst ist eine Kontamination der Haare "von außen" der wahrscheinlichste Fall.

Sehr wahrscheinlich ist allerdings nun, dass viele Eltern gegen ihre Substitutionsauflagen verstoßen und andere Drogen konsumieren. Rosenkötter will deshalb den Vertrag, den die Substituierten unterzeichnen müssen, überarbeiten.

In diesen Tagen würden die Case-Manager der Sozialbehörde mit den Familien sprechen. "Wir gehen jedem Einzelfall nach und bewerten die Lebensumstände der Kinder", sagte Senatorin Rosenkötter. Teils könnten verstärkte Auflagen und Kontrollen die Folge sein, teils auch die Herausnahme der Kinder aus den Familien, so Rosenkötter.

Gesundheits-Staatsrat Joachim Schuster sagte, er sei "erleichtert", denn die Ergebnisse seien "nicht ganz so erschreckend, wie einige befürchtet haben". Dennoch sei die Staatsanwaltschaft über die Untersuchungsergebnisse informiert worden. Es sei aber "offen, ob da etwas strafrechtlich Relevantes nachweisbar ist", sagte Schuster. Er verteidigte das Substitutionsprogramm: "Viele Substituierte führen später ein sehr stabiles Leben."

Das Ressort erwäge jedoch, Substituierten künftig nicht mehr zu gestatten, Methadon zur Einnahme mit nach Hause zu nehmen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.