Metropolregion Hamburg wächst weiter: Richtungswechsel im Norden

Die Erweiterung bis an den Fehmarnbelt und nach Mecklenburg macht die Metropolregion Hamburg zum regionalen Kraftzentrum Norddeutschlands.

Der Mittelpunkt zwischen Nord- und Ostsee: die erweiterte Metropolregion Hamburg. Bild: Abb.: Infotext

HAMBURG taz | Für Olaf Taurus ist es ein Richtungswechsel: Nicht mehr die 30 Kilometer östlich gelegene schleswig-holsteinische Landeshauptstadt Kiel sei für Neumünster der Orientierungspunkt, sagt der dortige Oberbürgermeister, sondern die doppelt so weit entfernte Metropole im Süden: „Wir schauen jetzt in Richtung Hamburg.“ Von dort kämen die wirtschaftlichen Impulse, hofft der Parteilose Taurus, und deshalb tritt die kreisfreie Stadt im Zentrum Schleswig-Holsteins nun der Metropolregion Hamburg bei.

Am heutigen Freitag wird im Rathaus der Hansestadt der Staatsvertrag unterzeichnet, zum 1. Mai tritt er in Kraft. Dann wird die Metropolregion sich über vier Bundesländer in Ost und West erstrecken und 17 Landkreise und zwei kreisfreie Städte umfassen, von der Weser bis an den Fehmarnbelt, von Wismar bis Helgoland.

Neu aufgenommen werden neben Neumünster auch Lübeck und der Kreis Ostholstein sowie die Landkreise Ludwigslust und Nordwestmecklenburg. „Hamburg ist das wirtschaftliche Zentrum im Norden Deutschlands“, begründet Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) die Orientierung der beiden ostdeutschen Kreise hin zur westdeutschen Metropole. Der Beitritt werde „die gemeinsame norddeutsche Identität stärken“.

Mitglieder: Die 1995 gegründete Metropolregion erstreckt sich bislang über drei Bundesländer: Sie besteht aus der Hansestadt Hamburg, den sechs südlichsten Kreisen Schleswig-Holsteins und den acht nördlichsten von Niedersachsen.

Bewohner: Etwa 4,3 Millionen Einwohner, davon knapp 1,8 Millionen in Hamburg.

Erweiterung: Zum 1. Mai wird sie in Schleswig-Holstein erweitert um die Städte Lübeck und Neumünster und den Kreis Ostholstein. Mit den Kreisen Ludwigslust und Nordwestmecklenburg in Mecklenburg-Vorpommern umfasst die Metropolregion künftig vier Bundesländer in West und nun auch Ost.

Größe: Mit einer Fläche von 26.100 Quadratkilometern und einer Einwohnerzahl von 5,1 Millionen wäre die Metropolregion in beiden Kategorien das sechstgrößte Bundesland.

Metropolregionen sind verdichtete Ballungsräume von Großstädten. In der Praxis bedeutet das vor allem die koordinierte Lenkung von Verkehrsströmen und eine gemeinsame Flächenentwicklung für Wohnen, Gewerbe und Industrie. Und das setzt voraus, über Stadt-, Kreis- und auch Landesgrenzen hinauszudenken. Das sind „richtig dicke Bretter“, sagt Jakob Richter, Leiter der Geschäftsstelle der Metropolregion in Hamburg.

Die zu bohren, ist in der jüngsten Vergangenheit etwas leichter geworden. In der globalisierten Welt herrsche zunehmend „ein Wettbewerb der Regionen“, weiß auch Hamburgs Regierungschef Olaf Scholz (SPD). Niemand könne mehr allein agieren. So ist Hamburg der Hafen für die Region, die Standorte der Windkraftproduktion aber liegen vor den Küsten der benachbarten Flächenländer – ein simples Beispiel für die Notwendigkeit zur Kooperation unterhalb aller Nordstaat-Gedankenspiele.

Die Entwicklung der Offshore-Windindustrie führt bereits zu neuerlichen Überlegungen, welche Industrie entlang der Unterelbe angesiedelt werden könne – in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Dazu will die Geschäftsstelle mit Gutachten, Konferenzen und Netzwerkarbeit ihren Beitrag leisten, kündigt Richter an. Ein länderübergreifendes Tourismusprojekt „Kurs Elbe. Hamburg bis Wittenberge“ läuft bereits und soll die Schifffahrtsbetriebe, Hafenbetreiber und Gastronomen entlang des Stroms zur stärkeren Zusammenarbeit bei Angeboten für Freizeit und Ferien bewegen.

Von Lübeck als wachsender Stadt träumt Sven Schindler. Mehr Einwohner, mehr Wirtschaftsleistung, mehr Kaufkraft schweben dem SPD-Wirtschaftssenator in der zweitgrößten Stadt Schleswig-Holsteins vor.

212.000 Einwohner hat Lübeck, Tendenz sinkend. Den Trend umzudrehen, ginge am besten in Kooperation mit der großen Hanseschwester, glaubt er: „Lübeck muss an Hamburg heranrücken.“ Und darum tritt auch die einstige Königin der Hanse nun der Metropolregion ihrer inzwischen viel größeren Schwesterstadt bei. Wohnen und arbeiten an der Achse von Hamburg nach Lübeck und perspektivisch weiter über den Fehmarnbelt bis nach Kopenhagen, ist Schindlers Vorstellung.

Dafür essentiell sei die Anbindung an den Hamburger Verkehrsverbund (HVV). Dann ginge es in einer guten halben Stunde zum HVV-Tarif von Hauptbahnhof zu Hauptbahnhof. Eine Studie, die Lübeck eigens dafür in Auftrag gegeben hat, verheißt nach einem HVV-Anschluss mittelfristig mehr Einwohner, mehr Tagestouristen, mehr Arbeitsplätze und mehr Steuern für Lübeck.

Eine S-Bahn-Anbindung im HVV hätte auch Neumünsters OB Taurus gerne. „Das ist das wichtigste Zukunftsprojekt“, sagt er, dann könnte auch seine 77.000-Einwohner-Stadt wieder wachsen. Gegenüber Hamburg habe Neumünster einen großen Vorteil: „Hier sind Immobilien noch bezahlbar.“

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