Mexikos Krieg gegen Drogen: Kartelle fordern den Staat heraus

Mexikos Regierung lehnt zwar Verhandlungen ab, steht aber vor einem gescheiterten Drogenkrieg. Der findet nicht immer im Rahmen der Verfassung statt.

Wurde am 11. Juli inhaftiert: Familia-Führungsmitglied Arnoldo Rueda. Bild: ap

"Wir stehen vor einer neuen Eskalationsstufe im Drogenkrieg. So etwas hat es noch nicht gegeben", sagt Juan Machín. Die Rede ist nicht vom Mord an den zwölf Bundessoldaten im Bundesstaat Michoacán vor einer Woche, sondern vom Einsatz von Granaten und anderen schweren Waffen beim Angriff auf Polizeistationen und dem Auftritt eines ranghohen Mitglieds des Drogenkartells "La Familia" im Fernsehen.

"Das Kartell hat der Regierung ein Bündnis angeboten. Das wurde zwar von Innenminister Fernando Gómez Mont abgelehnt, aber das Vorgehen zeigt, wie selbstbewusst die Kartelle agieren", erläutert Machín. Der 43-Jährige ist Direktor des Caritas-Ausbildungszentrums zur Betreuung von Drogenabhängigen. "Seit dem Regierungsantritt von Felipe Calderón und der Kriegserklärung gegen die Kartelle haben wir über 11.000 Tote zu beklagen. Wir steuern auf einen offenen Krieg zu."

Den kann die Regierung jedoch kaum gewinnen, denn trotz der zunehmenden Militarisierung des öffentlichen Lebens sind die Erfolge im Kampf gegen die fünf, sechs großen Kartelle bisher weitgehend ausgeblieben. So gilt der Bundesstaat Michoacán, Heimat des Präsidenten Felipe Calderón, als weitgehend kontrolliert vom Drogenkartell "La Familia". Ein Grund, weshalb sich Servando Gómez Martínez, angeblich die Nummer drei des Kartells, vor die Fernsehkameras wagte.

Generell wird dem Kartell große Sympathie für den Präsidenten nachgesagt, was dazu geführt hat, dass Regierungskritiker das Angebot auch als Beleg für die guten Kontakte zwischen Regierung und "La Familia" werten. Rigoros bekämpft werden vom Kartell hingegen Bundespolizei und Bundesstaatsanwaltschaft. Die hatten mit Arnoldo Rueda Medina ein weiteres Familia-Führungsmitglied am 11. Juli inhaftiert, worauf das Kartell blutig zurückschlug. Insgesamt sind seit dem 11. Juli achtzehn Ermittler und zwei Soldaten in Michoacán ermordet worden, wobei der Drogenclan auch von Polizisten unterstützt wurde. Zehn Ordnungshüter wurden am Samstag in der Stadt Arteaga wegen ihrer Verwicklung in die Morde festgenommen. Zudem belegt die Entsendung von 5.000 Soldaten in den Bundesstaat, wie brisant die Situation in Michoacán ist.

Für Präsident Felipe Calderón sind die Morde der letzten Woche nicht mehr als eine "verzweifelte Reaktion" auf die Offensive der Regierung. Dabei hat jedoch der direkte Angriff auf acht Wachen der Bundespolizei mit großkalibrigen Waffen und Granaten eine neue Qualität, während die öffentlichkeitswirksame Präsentation der Opfer an der Autobahn nahe der Stadt La Huacana eher typisch ist. So will man der Regierung signalisieren, dass der Clan überall zuschlagen kann.

Das verhindert auch die landesweit gestiegene Militärpräsenz nicht. Die Militärs agieren dabei teilweise im rechtlichen Niemandsland. "Die Übertragung von Polizeiaufgaben auf das Militär ist nicht verfassungskonform", kritisiert Vidulfo Rosales vom Menschenrechtszentrum Tlachinollan im Bundesstaat Guerrero. Dazu gehört das Abhören von Telefonen, was schon mit einem Anfangsverdacht möglich ist. "Da reicht schon ein anonymer Anruf", erklärt Menschenrechtsanwalt Rosales.

Bisher bringt die zunehmende Überwachung jedoch nur wenige Erfolge. Anwälte wie Rosales sehen längst Parallelen zwischen Mexiko und dem Kolumbien der 90er-Jahre, als Drogencapo Pablo Escobar den Staat herausforderte. "Es findet eine Kolumbianisierung Mexikos statt. Nur haben wir es hier mit fünf, sechs großen Kartellen zu tun und nicht mit zwei wie in Kolumbien.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.