Microsoft-Suchmaschine im Test: Das nächste große Bing

Früher als erwartet ist Microsofts überarbeitete Suchmaschine online. Für Deutschland wurde jedoch lediglich die Optik reformiert. Nur in den USA gibt es diverse neue Funktionen.

Die Optik der bing-Startseite wechselt regelmäßig. Bild: screenshot/bing.com

BERLIN taz | Microsoft meint es offensichtlich ernst: Bis zu 100 Millionen Dollar will der Softwarekonzern in die Vermarktung seiner neuen Suchmaschine "Bing" stecken, um das Unternehmen im so wichtigen Bereich der Internet-Startseiten endlich näher an den jahrelangen Marktführer Google heranzuführen. Zu den verrückteren Werbeideen zählt unter anderem, dass das Wahrzeichen "Space Needle" im amerikanischen Seattle in einen Orange-Lichtton getaucht wird, denn das ist die offizielle Markenfarbe des neuen Netzproduktes.

Doch Reklame allein dürfte wenig helfen, eingeübtes Nutzerverhalten zu verändern und die Menschheit davon zu überzeugen, dass auch Microsoft Online-Suche "kann". Bislang rangiert der Bing-Vorgänger "Live Search" je nach Statistik hinter Google und Yahoo auf Rang drei. Zudem ist Microsofts Image in Sachen Suchergebnislisten nicht besonders gut - vielen Nutzern kam es bislang so vor, als sei Google hier deutlich zielführender, liefere bessere Treffer. Da half es auch wenig, dass Live Search ständig optimiert und konzernintern mit großen Ressourcen versorgt wurde.

Dementsprechend scheint Bing, das von Firmenboss Steve Ballmer in der vergangenen Woche höchstselbst und voller stolz der Welt vorgestellt wurde, eine Art Befreiungsschlag zu sein - nach dem Motto: "Wir fangen einfach von vorne an." Das neue Angebot ist bereits seit dem Wochenende in einer Vorabversion zu erreichen, offiziell geht es am heutigen Mittwoch los.

Wer Bing allerdings tatsächlich in voller (und neuer) Pracht genießen möchte, sollte zunächst die über "bing.com" erreichbare US-Version anwählen oder sie über "USA - Englisch" in den Ländereinstellungen aufrufen. Zwar wurde in den vergangenen Tagen auch das alte deutsche Angebot von "live.de" auf "bing.de" umgebogen und optisch aufgefrischt, unter der Haube werkelt aber noch die alte Technik. Wann sich das ändert, ist bislang unklar.

Beim Aufruf von bing.com wird man zunächst von einem großen Titelbild begrüßt. Dieses wechselt regelmäßig, zeigt beeindruckende Naturaufnahmen oder Architektur. Was potenziell störend wirken könnte - Google ist schließlich Meister der minimalistischen Suchmaschine -, hat tatsächlich etwas Erfrischendes. Auch hier ist das Suchfeld groß genug, zusätzlich kann man über eine "Explore"-Leiste gleich in spezielle Angebote wie Bilder-, Video-, Shopping-, Nachrichten-, Karten- oder Reisesuche einsteigen. Wer gerade nicht weiß, was er suchen will, findet im Titelbild versteckte Links zu Themen, die mit der aktuellen Aufnahme zu tun haben.

Gibt man dann einen Suchbegriff ein, wandelt sich Bing zur von herkömmlichen Suchmaschinen bekannten Optik. Ergebnisse tauchen in einer mittig angeordneten Spalte auf, während man links seine Suche verfeinern kann. Dort tauchen regelmäßig verwandte Suchbegriffe ("related searches") auf - diese erhält auch schon, wenn man den ersten Buchstaben ins Suchfeld eintippt. Außerdem lassen sich spezielle Suchangebote wie das Bilder- oder Video-Verzeichnis für einen Suchbegriff aufrufen. Praktisch, wenn auch etwas unheimlich, ist die darunter angeordnete "Search History": Jeder Suchbegriff, den man bei Bing eingetippt hat, wird dort verzeichnet. Eine Gesamtliste lässt sich mit "See all" aufrufen, die Funktion aber auch im Sinne des Datenschutzes ganz abdrehen.

Im Suchalltag liefert Bing solide Kost: Die Geschwindigkeit, mit der neue Angebote in den Index übernommen werden, scheint erhöht worden zu sein und auch die "guten" Treffer, etwa Erklärungen bei Wikipedia, werden höher gelistet als einst bei Live Search, wo man sich oft im Suchmaschinenspam verlor. Etwas nervig: Wer das "echte" Bing haben will, erhält aufgrund der dafür notwendigen Landeseinstellungen natürlich auch bevorzugt englischsprachige Treffer - so ist "taz" für Bing zunächst vor allem der tasmanische Teufel aus den "Loony Toones", bei "taz" und "tageszeitung" wird's dann richtig. Hübsch ist die eingebaute Vorschaufunktion: Bewegt man seine Maus über einen Link, erhält man wichtige Aussagen aus einer Seite direkt in Bing angezeigt. Das erspart viel Klickerei.

Seine echten Vorteile kann Bing aber ausspielen, wenn es um Bereiche geht, die die Suchmaschine gut "kennt": Gibt man den Code eines Fluges ein, erhält man seine aktuelle Posittion, Städte bringen gleich genaue Reiseinfos samt karten, Produktsuchen liefern Links auf Tests. Außerdem versucht Bing, semantische Konzepte zu erkennen: Gibt man beispielsweise "iPhone" ein, werden daraus weitergehende Begriffe wie "Accessories" (Zubehör), "Software", "Ringtones" (Klingeltöne) oder "Unlocked" (für geknackte Geräte) geschlossen, die man in seine Suche integrieren kann.

Gut gelungen sind auch Multimedia-Features. Die Bildersuche lässt sich einfacher bedienen als die von Google, Videos werden sogar kurz (mit Ton!) angespielt, wenn man sie mit Bing sucht - was auf nutzergenerierten Nachrichtenseiten wie "Digg" und "Reddit" gestern augenzwinkernd bereits als "ideale Methode, Pornos zu finden" gepriesen wurde.

Was das Verhältnis zur Konkurrenz anbetrifft, so gibt sich Microsoft jetzt betont gelassen. War bei Live Search einer der am häufigsten eingegebenen Suchbegriffe noch "Google", was darlegte, wie unzufrieden die Nutzerschaft mit Microsofts altem Angebot war, zeigt Bing nun bei solchen Anfragen in gewisser Weise Humor: Wer nach dem Suchmaschinenriesen sucht, erhält gleich ein direktes Eingabefeld für Google-Suchen. Sehr praktisch.

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