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Mieterbund-Präsidentin zur Mietenpolitik„Wohnen ist die soziale Krise unserer Zeit“

Melanie Weber-Moritz fordert Bußgelder für Verstöße gegen die Mietpreisbremse. Wer die Wohnungs­frage lösen wolle, müsse auf Wien schauen.

Astronomischer Anstieg trotz Miet­preisbremse: Die Mieten in Großstädten sind in zehn Jahren um rund 50 Prozent gestiegen Foto: imago/Emmanuele Contini
Jasmin Kalarickal
Interview von Jasmin Kalarickal

taz: Frau Weber-Moritz, Sie sind die erste hauptamtliche weibliche Präsidentin des Deutschen Mieterbunds. Leiden Frauen anders unter der Wohnungsnot?

Melanie Weber-Moritz: Frauen haben im Durchschnitt ein geringeres Einkommen und von daher weniger Chancen auf eine neue Wohnung. Das betrifft besonders Alleinerziehende. Also ja, es gibt schon eine weibliche Seite der Wohnungsproblematik.

taz: Und muss man darauf politisch reagieren?

Weber-Moritz: Es sind natürlich alle Mieterinnen und Mieter betroffen, wenn es darum geht, ausreichend bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Gleichzeitig müssen wir uns um bestimmte Gruppen besonders kümmern: Alleinerziehende, Obdachlose, Geflüchtete, Menschen mit geringem Einkommen und Familien mit Kindern.

Im Interview: Melanie Weber-Moritz

Melanie Weber-Moritz, 51, wurde im Juni zur Präsidentin des Deutschen Mieterbunds gewählt. Sie war zuvor auch im Verbraucherschutz tätig und hat in Göttingen, Bristol und Berlin Politik- und Sozialwissenschaften studiert und zu Klimaschutz promoviert.

taz: Der Mieterbund möchte das Wohnen als Grundrecht ins Grundgesetz aufnehmen. Was würde das konkret verändern?

Weber-Moritz: Das fordern wir schon seit Langem. Eine Wohnung ist ein besonderes Gut, das nicht vergleichbar ist mit einem Auto oder einem anderen Gegenstand, den man konsumiert. Jeder Mensch braucht ein Zuhause, und das muss besonders geschützt sein. Vor allem in Zeiten, da immer mehr Menschen Angst haben, ihre Wohnung zu verlieren.

taz: 30.000 Zwangsräumungen haben im Jahr 2023 stattgefunden. Wenn wir Wohnen als Grundrecht begreifen würden, wäre das dann noch möglich?

Weber-Moritz: Eine Verankerung im Grundgesetz würde nicht zwangsläufig alle Probleme auf dem Wohnungsmarkt lösen – das gilt auch für Zwangsräumungen. Aber es würde das gesellschaftliche Bewusstsein stärken, dass wir für den Schutz der Wohnung mehr tun müssen. Es wird gerne gesagt, dass die Wohnungsfrage die so­zia­le Frage unserer Zeit sei. Aber das stimmt so nicht, denn Wohnen ist die soziale Krise unserer Zeit. Der Staat muss im Sinne der Daseinsvorsorge endlich alle Mittel ergreifen und alle Hebel in Bewegung setzen, um sie zu lösen.

taz: Das Grundgesetz schützt explizit das Eigentum. Aber es heißt auch: Eigentum verpflichtet. Was heißt das für Sie als Mieterbund-Präsidentin?

Weber-Moritz: Wenn Menschen eine Wohnung mieten, entsteht eine Vertragsbeziehung und gehen Mieter ein Dauerschuldverhältnis ein. Dieses ist in gewisser Weise geschützt, weil wir ein soziales Mietrecht haben. Ob hier mehr oder weniger für Mie­te­r:in­nen passieren sollte, wird von uns anders beantwortet als von wohnungswirtschaftlichen Verbänden. Das Problem ist: Es gibt automatisch ein Ungleichgewicht im Vertragsverhältnis.

taz: Wie meinen Sie das?

Weber-Moritz: Ein Privatvermie­ter hat zum Beispiel die Möglichkeit, Eigenbedarf anzumelden, sodass Mieter ihre Wohnung verlieren. Hätten wir einen entspannten Wohnungsmarkt, wäre das nicht ganz so schlimm. Aber wenn Sie heute eine noch bezahlbare Wohnung verlieren, haben Sie in Groß- und Mittelstädten wenig Chancen, eine bezahlbare Alternative zu finden. Das heißt, wir haben großes Inte­resse daran, das Vertragsverhältnis so mieterfreundlich wie möglich zu gestalten, weil eine Wohnung eben keine Ware wie jede andere ist.

taz: Man kann die Wohnungsnot nicht nur über mietrechtliche Regularien bekämpfen, oder?

Weber-Moritz: Definitiv brauchen wir auch mehr bezahlbaren Wohnraum. Schätzungsweise 550.000 Wohnungen fehlen bundesweit, insbesondere Sozialwohnungen, aber auch bezahlbare Wohnungen für Menschen, die keinen Anspruch auf eine Sozialwohnung haben und aufgrund ihres niedrigen Einkommens nicht jeden aufgerufenen Mietpreis bezahlen ­können.

taz: Wir haben in den letzten Jahrzehnten einen drastischen Verlust von Sozialwohnungen gehabt, weil diese Wohnungen in unserem System nach einer gewissen Zeit immer ihren Status verlieren. Dieses Jahr investiert die Bundesregierung 3,5 Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau, Tendenz steigend. Müssten wir nicht mal zugeben, dass dieses System überhaupt nicht funktioniert?

Weber-Moritz: Wir haben aktuell rund 1,1 Millionen Sozialwohnungen und elf Millionen potenziell Anspruchsberechtigte. Das Verhältnis stimmt also überhaupt nicht. Wir sind deshalb beim Deutschen Mieterbund schon sehr lange der Auffassung, dass wir aus dieser zeitlich befristeten Preisbindung herauskommen müssen. Es muss gelten: Einmal Sozialwohnung, immer Sozialwohnung. Die Stadt Wien hat beispielsweise mit ihren Gemeindewohnungen ein wirklich großes Angebot für sehr viele Menschen bereitgestellt und schafft es dadurch, die Mietpreise insgesamt zu dämpfen. Das muss auch unser Ziel sein. Wir brauchen langfristig bezahlbaren Wohnraum.

taz: Mit der neuen Wohngemeinnützigkeit, die unter der Ampelregierung eingeführt wurde, können Unternehmen Steuervorteile bekommen, wenn sie dauerhaft preisgünstigen Wohnraum schaffen. Verspricht das Erfolg?

Weber-Moritz: Es gab in der alten Bundesrepublik sehr lange eine Wohngemeinnützigkeit. Damals wurden rund ein Viertel der Neubauwohnungen darüber geschaffen, insgesamt 4,8 Millionen. Aber 1990 wurde die Wohngemeinnützigkeit wieder abgeschafft, weil man der Auffassung war, Deutschland sei „zu Ende gebaut“. In der Folge haben wir jetzt deutlich zu wenige kommunale, gemeinnützige oder genossenschaftliche Wohnungen, die günstige und faire Preise bieten. Die Wiedereinführung war deshalb gut und richtig, aber es fehlt die dafür notwendige Finanzierung, damit sich das ganze Segment etablieren kann.

taz: Könnte die Bundesregierung die Mittel, die für den sozia­len Wohnungsbau gedacht sind, nicht einfach in die Gemeinnützigkeit stecken?

Weber-Moritz: Wir brauchen beides. Aus dem Haushalt fließt schon zu wenig Geld in den sozialen Wohnungsbau. In diesem Jahr sind es 3,5 Milliarden Euro. Wir fordern von Bund und Ländern 12,5 Milliarden jährlich sowohl für den so­zia­len Wohnungsbau als auch für den Bau bezahlbarer Wohnungen. Der Bedarf ist da, die Städte wachsen – und dies wird zunehmend auch zur wirtschaftlichen Frage. Menschen können einen neuen Arbeitsplatz in einer Stadt nur antreten, wenn sie dort auch eine Wohnung finden.

taz: Gleichzeitig ist die Wohnfläche in Deutschland sehr ungleich verteilt.

Weber-Moritz: Wir haben einen Generationenunterschied, der sich immer mehr bemerkbar macht. Die ältere Generation hat vielleicht noch Eigentumswohnungen oder große, noch günstige Mietwohnungen. Aber sie zieht nicht aus, weil jeder Umzug viel teurer und eine Verschlechterung wäre. Gleichzeitig suchen viele junge Menschen verzweifelt nach einer passenden bezahlbaren Wohnung. Auf den Wohnungsmärkten bewegt sich kaum etwas, wir haben quasi einen Stillstand. Es gibt viele Ideen, wie man das verändern kann, etwa durch Wohnungstausch – aber in der Praxis funktioniert es leider nicht.

taz: Dabei gibt es an manchen Orten auch hohe Leerstände. Welches Potenzial bietet der vorhandene Bestand?

Weber-Moritz: Allein aus Umwelt- und Klimaschutzgründen ist es natürlich attraktiver, Bestände zu ertüchtigen, aufzustocken, nachzuverdichten oder beispielsweise Bürogebäude zu Wohnungen umzugestalten, statt neu zu bauen.

taz: Eine große Herausforderung der nächsten Jahre ist, den Gebäudebestand zu sanieren, um die Klimaziele zu erreichen. Leider ist das mit großen Mieterhöhungen verbunden. Warum wird das so wenig thematisiert?

Weber-Moritz: Mir ist das Thema ein Herzensanliegen. Der überwiegende Teil der 21 Millionen Mieterhaushalte lebt in alten Gebäuden, die schlecht gedämmt sind und überwiegend fossil beheizt werden. Dort ist der Bedarf der Sanierung am größten. Gleichzeitig erhöht sich die Miete nach einer Sanierung signifikant – und das betrifft vor allem die Einkommensschwächeren.

taz: Nach den derzeitigen Regeln kann sich eine 50-Quadratmeter-Wohnung nach einer Modernisierung um bis zu 150 Euro monatlich verteuern.

Weber-Moritz: Wir machen im Jahr rund eine Million Rechtsberatungen, unter anderem zum Thema Modernisierungsmieterhö­hung. Unserer Erfahrung nach ist die Miete nach einer Modernisierung im Durchschnitt um 20 bis 30 Prozent höher. Andererseits: Wird nicht saniert und energetisch ertüchtigt, haben Mieter das Pro­blem steigender Energiekosten. Es ist also aus klimapolitischer und sozialpolitischer Sicht nötig, die Bestände schnellstmöglich zu sanieren. Wir müssen es aber für Mieter kostengünstiger regeln.

taz: Tatsächlich sparen Mie­te­r*in­nen durch eine Sanierung auch Energiekosten ein, aber das gleicht nicht die Mieterhöhung aus. Wie geht es besser?

Weber-Moritz: Wir könnten warmmietenneutral sanieren. Das könnte der Gesetzgeber beispielsweise regeln, indem er die Modernisierungsumlage auf rein energetische Sanierungen beschränkt. Im Moment können 8 Prozent der Kosten von Modernisierungsmaßnahmen dauerhaft auf Mietende umgelegt werden, zum Teil unabhängig davon, ob sie Energie einsparen – zum Beispiel auch ein neuer Fahrstuhl oder Balkon. Zudem muss der Staat Sanierungen stärker fördern, damit sich die Investition für Vermieter lohnt.

taz: Wie hoffnungsvoll sind Sie bei der aktuellen Regierung?

Weber-Moritz: Bei diesem Thema eher skeptisch – ich befürchte, dass es hinten herunterfallen könnte.

taz: Wo sehen Sie im Mietrecht außerdem Handlungsbedarf?

Weber-Moritz: Die einfache Verlängerung der Mietpreisbremse bis 2029 reicht nicht. Sie hat viele Ausnahmetatbestände, unter anderem umfassende Sanierung und Neubau ab 2014. Die Mietpreisbremse muss verschärft und verbessert werden, indem sie ohne Ausnahmen bundesweit und unbefristet gilt und bei Nichteinhaltung ein Bußgeld droht. Darüber hinaus müssen möbliertes Wohnen, Indexmieten und Kurzzeitvermietung stärker reguliert und Wuchermieten geahndet werden. Für Bestandsmieten brauchen wir einen bundesweiten Mietenstopp.

taz: Wenn heute ein Vermieter eine Wohnung laut Mietpreisbremse zu teuer vermietet, muss er keine Strafe fürchten. Warum ist das so?

Weber-Moritz: Weil es derzeit nicht anders geregelt ist. Aber es gibt den Vorstoß der Bundesjustizministerin, den Verstoß zukünftig mit einem Bußgeld zu ahnden. Es soll eine Expertenkommission geben, die sich damit und mit dem Thema Mietwucher befasst. Wir müssen die Mietenexplosion auf vielen Ebenen besser in den Griff bekommen.

taz: Die Union würde eher sagen: Wir müssen die Eigentumsbildung stärken, dann wären Menschen unabhängiger vom Mietmarkt.

Weber-Moritz: Dieser Wunsch ist an vielen Orten völlig illusorisch. Deutschland ist ein Mieterland. In Berlin leben über 80 Prozent der Menschen zur Miete. Bei den heutigen Bau- und Immobilienpreisen können sich nur sehr wenige Eigentum leisten. Natürlich kann man auch die Eigentumsbildung fördern, aber das löst nicht das Problem auf den angespannten Wohnungsmärkten.

taz: Der Staat versucht mit dem Wohngeld Menschen bei hohen Mietkosten zu unterstützen. Manche kritisieren, das sei ein Preistreiber, zudem lande das Geld indirekt in den Taschen von Vermietern und Wohnungskonzernen.

Weber-Moritz: Das Wohngeld ist ein wichtiges Instrument, um Menschen akut zu helfen. Gleichzeitig löst es nicht das Problem im Kern: Wenn die Mieten steigen, muss auch der Anteil bei den Wohnkosten entsprechend wieder höher angesetzt werden, damit man die Wohnung weiterhin bezahlen kann. Das ist keine gute Dynamik. Wir brauchen ein Segment auf dem Wohnungsmarkt, das dauerhaft bezahlbar bleibt.

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30 Kommentare

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  • Die Ausführungen von Frau Weber-Moritz sind doch komplett lebensfremd! Durch die Mietpreisbremse ensteht keine einzige neue Wohnung, und der Bestand wird heruntergewirtschaftet. Der Umgang der Mieter mit den Wohnungen ist leider oft grenzwertig. Wenn man dann als Vermieter alle paar Jahre das Bad sanieren muss, sind nicht nur die Erträge weg, sondern man macht mit der Mietpreisbremse in kombination mit dem Mietspiegel und Mietendeckel Verlust. Viele sinnlos durchgeführrte Dämmungen haben im Altbaubestand die Substanz komplett ruiniert. Der Denkmalschutz unterbindet sinnvolle energetische Sanierungen in anderen Fällen. Dieses Ungleichgewicht ist ist vor allem durch unsinnige Eingriffe in den Altbestand durch die Mietpreisbremse verschärft worden. Es erzeugt übrigens am Rande auch einen großen Teil der "Fehlbelegungen" , weil es im Bestand nahezu unmöglich ist, halbwegs auskömmliche Mieten zu bekommen. Natürlich nur dann, wenn man sich - wie viele kleine Vermieter und wir auch, an alle rechtlichen Vorgaben hält und die Wohnungen auch nicht als Spekulationsobjekte sieht. Wenn es so weitergeht, ist man aber irgendwann gezwungen, die Wohnungen an Investoren u verkaufen.

  • es wird immer Wien als tolles Beispiel genommen, es ist ein tolles Beispiel ausser Frage. aber es kommt im Artikel leider nicht deutlich raus, dass in Wien die Sozialwohnungen der Stadt gehören, wer die Preise deckeln will und Sozialwohnungen immer als Sozialwohnungen nutzen will, muss diese selber bauen. Also der Staat oder die Stadt müssen die bauen und betreiben! und nicht wieder verkaufen wenn mal kurz Geld für einen neue Sanierung von Theater , Oper, Schwimmbäder etc gebraucht wird wie in Berlin damals. und der zweite Aspekt ist die Nachfrage nach Wohnungen zu dämpfen, weniger Migration, solange wir die Wohnungsnot haben und solange der Staat nicht genug Wohnungen baut. und nur so mal am Rande , dass nur durch Migration die fehlenden Arbeitskräfte beschafft werden können sollte man kritisch sehen, langfristig werden wir in Europa viel viel weniger Arbeitskräfte brauchen, wie die KI den Arbeitsmarkt umkrempeln wird , kann man sich noch nicht einmal ansatzweise vorstellen. wer eine Vorahnung will soll sich mal die fallenden Angestelltenzahlen bei den Tec Unternehmen trotz Wachstum anschauen. Also ist der Bedarf an Migration deutlich geringer, was Entlastung auf dem Wohnungsmarkt

    • @Thomas Zwarkat:

      Bei ersten Punkt bin ich bei Ihnen. Es braucht staatliche Investitionen um die riesigen Versäumnisse vergangener Jahrzente wieder aufzuholen. Ein großes Problem das hier zurecht thematisiert wird.

      Bei zweiten Punkt widerspreche ich aber: Wenn ich an einer Baustelle vorbeilaufe habe ich den Eindruck, dass da die allermeisten einen Migrationshintergrund zu haben scheinen. Warum nun ausgerechnet die das Problem sein sollen erschließt sich mir nicht.

      Wir sollten uns auch erst einmal um die Wahrung des grundlegenden Rechtes auf Asyl an unseren Grenzen kümmern bevor es an die Verteilungskämpfe und Verwertungslogiken geht. So ist eigentlich die Reihenfolge.

      Wir haben extreme Transformationsprozesse aufgrund technischer Innovationen hinter uns und dennoch gehen doch recht viele Menschen noch einer Arbeit nach. Dass durch KI nur massig Jobs verloren gehen und nicht auch an anderer Stelle neue entstehen halte ich daher langfristig für nicht wahrscheinlich. Arbeitskräfte werden auch jetzt schon in der Pflege, im ->!Bau!

  • Ich finde die Mietpreise die ich hier von Kollegen für Stuttgarter Außenbezirke erfahre absolut bizarr, zuletzt ca 17€/m² - ich hab mir vor 15 Jahren, zwar 40 km weg, aber direkt an der Bahnlinie mit halbstündigen Takt nach Stuttgart ein Häuschen gekauft und renoviert und hatte zur Tilgung nie auch nur annähernd eine so hohe Belastung wie eine junge Kollegin zur Miete von 75 m² in Möhringen, und die ist mit den Öffis fast so lang unterwegs zur Stadtmitte wie ich - das ist VÖLLIG aus dem Ruder gelaufen. Solche Mieten zementieren die gesellschaftliche Spaltung.

    • @Garak:

      Diese Miethöhen sind begründet in der bestehenden gesellschaftlichen Spaltung, dass die Gewinne der Finanzkrise zu Verlusten der Allgemeinheit wurden

      • @drusus:

        Die Miethöhe ergibt sich aus Angebot und Nachfrage! Verstehe nicht, was es daran nicht zu verstehen gibt.

  • Für mich hängt die Thematik viel mit Stadtplanung und sogenannter Raumordnung zusammen. Im Beispiel, wenn man Plattensiedlung in Mitte eines Feldes baut, mag zwar billig sein, aber nicht so toll, wenn sogar 20 Kilometer, bis es irgendwo paar Jobs gibt, ohne ÖPNV, usw.

    Und da ist meiner Auffassung nach, je Region politisch mehr gefragt, damit aus der einen Stadt mit Nächstenliebe, nicht bis hin zu Slum wird, während in den anderen Städten Briefkastenfirmen Champagner-Party machen, und so.

    • @David Lejdar:

      Man hatte in Leipzig bis 2015 sogar extra ein Programm gemacht um Lücken im inneren Stadtbereich mit Einfamilienhäusern zu schließen. Sieht man hier überall. Und jetzt werden die Flächen auf einmal wieder knapp und man hat des Salat.

  • Ich muss sagen, dass es sehr lange her ist, dass eine Bundesregierung klar auf der Seite der Mieter stand. J



    Jetzt stehen diese Regierungen eigentlich immer auf der Seite der Immobilienbesitzer und so verhält es sich meist auch auf der Ebene der Bundesländer, der Landkreise, der Städte.



    Es ist nicht lange her, da haben in einigen Bundesländern die kommunalen Träger öffentliches Wohneigentum privatisiert. Der Bestand an nicht-privaten Wohnungen sinkt in Deutschland - weil es politisch gewollt war und ist: Ende der 1980er gab es vier Mio. Sozialwohnungen in Deutschland, heute ist davon ca. 1 Mio. übrig geblieben.



    Und das ist Politik. CDU/CSU, FDP, SPD (und teilweise Grüne) garantieren, dass es mehr oder weniger so weiter geht.



    Schon jetzt leben tausende Menschen in Not- und Wohnunterkünften. Daran ändert auch die Mietpreisbremse oder ein härteres Verfahren gegen Rechtsübertreter nur wenig, weil das ganze System schon jetzt auf Mangel ausgelegt ist.



    Zudem gibt es geplanten, gewollten Leerstand in Deutschland, das ist seit Jahren bekannt und wird von der Politik meist ignoriert. Zudem investieren viele in die Immobilienwirtschaft, sprich wollen Gewinne steigern.

  • Unter privaten Vermietern heißt es wohl auch, dass der Mieterschutz oft eher dafür sorgen kann, dass gerade die benachteiligten Gruppen nicht in Erwägung gezogen werden, weil sie bei Problemen nicht mehr rausgeworfen werden können. Liest man vor allem in Communities, die sich mit Vermögenswachstum befassen.



    Da muss man ein Gleichgewicht finden, damit sich die Vermieter noch trauen, an diese Gruppen zu vermieten. Letztlich führt nichts daran vorbei, eben auch eine Zwangsräumung zu ermöglichen, wenn denn wirklich gar keine Miete gezahlt wird oder die Wohnung verwahrlost.

    • @ImInternet:

      Nuja, vor Hartz-IV überwies das Jobcenter (oder wie auch immer das damals hieß) die Miete. Funktionierte naturgemäß gut, da gabs keine Probleme. Das wurde selbstredend nicht zufällig abgeschafft. Ein Schelm, wer ...

    • @ImInternet:

      Zumindest bezogen auf die Gruppe jener, deren Miete vom Staat übernommen wird, hat die Vermieterpartei FDP (RIP) kürzlich gefordert, diesen Vorteil der direkten Zahlungsgarantie abzuschaffen und stattdessen Pauschalbeträge an die Betroffenen auszuzahlen. Ein besonderes Interesse, gerade an diese Personengruppe zu vermieten, konnte ich dort nicht erkennen.

      Natürlich müssen Vermietende vor Schäden durch unzuverlässige Mieter geschützt werden. Doch die strukturellen Abhängigkeitsverhältnisse verlaufen anders herum. Die Mietpreise steigen nicht deshalb, weil Mietende plötzlich so unzuverlässig geworden sind. Räumungsklagen betreffen jährlich etwa 2 von 1.000 vermieteten Wohnungen. Die übrigen 998 Haushalte müssen die steigenden Mieten irgendwie bewältigen. Es lassen sich auch zahlreiche Beispiele finden, in denen Mietende aufgrund wirtschaftlicher Abwägungen aus Wohnungen gedrängt werden konnten.

      Hohe Mieten sind auch im Bestand aus individueller Vermieter:innen-Perspektive notwendig um die explodierenden Anschaffungspreise auszugleichen. Dieser Preis wiederum speist sich auch aus den erwartbaren Mieterträgen. Eine Kritik an einzelnen Vermietenden greift dann zu kurz.

    • @ImInternet:

      Es reicht einen Mieter zu haben der nicht zahlt. Und dann ist man als Vermieter sehr schnell am finanziellen Ende. Für viele ist die vermietet Wohnung die Altersvorsorge, die man während dem Arbeitsleben abgestottert hat

      Habe das bei meiner Tante erlebt. Nicht schön. Zum Glück war die Wohnung nicht grundsanierungswürdig…. Das hätte sie niemals stemmen können.



      Achja, sie war Erzieherin und hatte die Wohnung nach der Scheidung finanziert und ist nur ausgezogen und hat vermietet, weil ihr neuer Partner ebenfalls eine Wohnung hatte.

      Hier sind die Gesetze aber zu lasch bzw. der Vermieter trägt das gesamte Risiko und es dauert zu lange wenn man kein dickes Polster hat. Und das schlägt sich eben auch in der Miete wieder…

  • Das Problem sind auch die gestiegenen Ansprüche und die gewählte Lebensform. Wenn es mehr Singles gibt, braucht man mehr Wohnungen, die seit vielen Jahren immer größer werden. Der Sohn einer Nachbarin, der seit der Schule noch nie gearbeitet hat, meinte vor einigen Wochen ganz stolz, dass er jetzt endlich Anspruch auf eine Wohnung habe, da er 25 Jahre alt sein. Meine Antwort: Viel Spaß bei der Wohnungssuche, wollte oder konnte er nicht verstehen.

    • @Zven:

      Was bei uns (in Leipzig) ebenfalls rar ist sind 4/5-Raum-Wohnungen für Familien. Bei dieser Größe schnellen die qm-Preise deutlich in die Höhe. Und dabei ist hier der Wohnraum noch (vergleichsweise) bezahlbar.

      Man kann bezüglich der von Ihnen erwähnten Ansprüche schonmal schauen, ob da Wohnraum wirklich immer gut ausgenutzt wird. Für den Vermietenden erkenne ich (vielleicht magels Wissen) keinen Mehrwert, möglichst viele Personen in der Wohnung wohnen zu lassen.

      Ich gönne einem 25-jährigen (Studenten?) sowohl sein Single-Leben als auch eine Wohnung. Aber die wird er sich in sehr vielen Städten eh nicht leisten können, also geschenkt.

    • @Zven:

      Dazu kommen Kinderlose, die ein HomeOffice benötigen…. Die konkurrieren mit denen , die ein Kinderzimmer brauchen…

  • Von Wiener Freund:innen höre ich sehr Unterschiedliches: Wer eine günstige Gemeindewohnung hat, ist natürlich glücklich über das System. Alle anderen haben es ähnlich schwer wie hier. Denn frei werden Gemeindewohnungen nur selten - auch weil sie so günstig sind, behalten die Leute sie lieber, selbst wenn sie nur noch sporadisch drinwohnen.



    Was mir außerdem fehlt, ist eine Aussage, wer denn für die energetische Sanierung der Altbauten aufkommen soll, wenn es nicht (auch) die Mieter sind? Die Handwerker- und Materialkosten sind extrem gestiegen, bestehende Förderungen und Kredite decken die Kosten nicht ansatzweise.

  • Die Metropolen sind zu attraktiv und subjektiv zu alternativlos. Wer nachhaltig und sogar günstig wohnen möchte, müsste eigentlich aus Berlin usw. raus und in eine Kleinstadt ziehen.

    • @drusus:

      Schauen Sie sich mal im Umland von Hamburg, Köln oder München um. Da sind schon sehr viele Menschen, auch viele arme oder wenig verdienende Menschen hingezogen. Und viele werden auch Berlin verlassen, bzw. sie werden da einfach rausgepresst, bevor es in die Wohnunterkunft geht, werden vielen eben ins Umland ausweichen, wenn das möglich ist.

      • @Andreas_2020:

        Das Umland von Berlin ist nur nicht so attraktiv. Weder landschaftlich noch politisch.

    • @drusus:

      ne, muß er im allgemeinen nicht. Weil man in Berlin im Bestand sehr günstig wohnt:

      "zeigt der Blick auf Referenzwohnungen eine moderate Mietenentwicklung: In einer 1960 erbauten 50 Quadratmeter großen Wohnung in mittlerer Wohnlage beträgt die Nettokaltmiete 6,60 Euro pro Quadratmeter. Für eine 1900 erbaute, 100 Quadratmeter große Wohnung in mittlerer Wohnlage wird eine Nettokaltmiete von 8,45 Euro pro Quadratmeter ausgewiesen und in einer 75 Quadratmeter großen Wohnung in einfacher Wohnlage (Baujahr 1975 Ost) eine Miete von 5,44 Euro pro Quadratmeter."

      www.berliner-miete...sollten-062414.htm

      • @Moby Dick:

        Das hilft bloß denen nicht, die eine neue Wohnung benötigen. Entweder wird die Wohnung, die günstig vermietet wird, deutlich teurer untervermietet anstatt sie bei nichtgebrauch zu kündigen oder man hat nur Angebote zu Wucherpreisen direkt vom Hauptvermieter.

        • @ImInternet:

          Ja natürlich. Die Mietpreisbremse lindert den Mangel nicht, sie verschärft ihn.

          • @Moby Dick:

            Das stimmt natürlich. Kann man gut in London sehen. Ganz ohne jede Regulierung bekommt man schnell und einfach eine Wohnung. Nicht selten eine, die früher eine Garage war. Und nicht selten zahlt man für diese großartige Wohnung mehr als 500 Pfund.

  • Ich frag mich, wie das grundsätzlich geändert werden soll.



    Der Grund für teure Mieten steht im Text.



    "Bei den heutigen Bau- und Immobilienpreisen können sich nur sehr wenige Eigentum leisten."

    Bei mir in der Gegend (Heilbronn) kostet eine neue 100qm Wohnung mittlerweile 400 000 € + Grunderwerbsteuer, Notar etc.



    Ähnliche Wohnungen werden für 1500 € kalt vermietet.

    Rechnet man die Mietzahlung hoch, ist die Wohnung erst nach knapp 25 Jahren abbezahlt. (Zinsfrei)



    Eine ziemlich lange Zeit bis sich der Invest bemerkbar macht...

    • @MatB1012:

      Wenn man zu einer Finanzberatung geht wird einem geraten, man solle sich auf lange Sicht eine Eigentumswohnung kaufen, um sie nach 10 Jahren wieder steuerfrei zu verkaufen, weil sich der Wert dann sicher gesteigert hätte. Es wird eigentlich das gleiche Spiel betrieben, was man an der Börse vorfinden würde. Die Miete ist nur ein Bonus, mit dem man den Kredit nebenbei bedienen kann.

  • Das gewichtigste Problem ist doch, dass es mehr Bewerber als Wohnungen gibt. Da helfen die meisten Vorschläge wenig.

    Schaut man sich dann die Angebote in den einschlägigen Portalen an, handelt es sich dabei überwiegend um Neubau - das hat mit der Mietpreisbremse nichts zu tun.

    Eine vernünftige Wohnung landet kaum noch auf dem öffentlichen Markt und wird anderweitig vergeben.

  • Den Punkt „aber die ältere Generation zieht nicht aus“ kann ich nicht nachvollziehen. Warum sollte jemand freiwillig aus einer Wohnung ausziehen, nur weil er alt oder älter ist?

    • @Dirk Osygus:

      Aus meiner Sicht gibt es da keinen Grund, weshalb auch?



      - Zum einen sammeln sich über die Jahre viele Sachen an, die man behalten möchte



      - eine große Wohnfläche bedeutet auch:



      z.B. wennn die eigenen Kinder weggezogen sind, dass diese öfters zu besuch kommen können ohne gleich irgendeine Ferienwohnung oder Hotelzimmer buchen zu müssen



      oder Enkel können 2-3 Wochen zu Besuch kommen.



      Mit kleiner Wohnfläche ist man da etwas limitiert.

      Oder viele Denken auch nicht daran, dass mehr Platz auch bedeutet, dass man mit dem Rollator besser durchkommt als in einer kleinen Wohnung, wo zwischen Wand und Stühle nicht viel Platz ist...

    • @Dirk Osygus:

      Der naheliegendste Grund wäre eine günstigere Miete, die es aber nicht gibt, wie sie selbst sagt.

      Da ist die Argumentation in der Tat widersprüchlich.

      Einerseits möchte sie explizit Mieter schützen, nicht Wohnungssuchende ("wir haben großes Inte­resse daran, das Vertragsverhältnis so mieterfreundlich wie möglich zu gestalten"). Das ist legitim, sie ist ja auch Vorsitzende des Mieterbundes, nicht des Wohnungssuchendenbundes.

      Wenn ihr das dann so gut gelungen ist, daß kein Mieter seine Wohnung mehr aufgeben möchte, dann beklagt sie den Stillstand auf dem Wohnungsmarkt.