Militäreinsatz in Mali: Richtig oder falsch?

Frankreich kämpft gegen Islamisten in Mali, Deutschland schickt als logistische Unterstützung Flugzeuge. Ein Pro & Contra zur Intervention in Mali.

Nächtliche Vorbereitung: Französischer Soldat vor dem Einsatz in Mali. Bild: dpa

PRO

Es ist höchste Zeit gewesen, dass jemand in Mali militärisch interveniert. Das monatelange Warten unter dem Vorwand, eine politische Lösung finden zu wollen, hat die Lage im Norden nur verschlimmert. Dabei war schon Mitte 2012 absehbar, dass eine Militärintervention der einzige Ausweg aus der Krise ist.

Von Anfang an gab es keinerlei Grundlage, um mit den Islamisten von Ansar Dine (Verfechter des Glaubens) zu verhandeln. Über was hätte man diskutieren wollen? Ein bisschen Scharia einführen, sodass zum Beispiel bei Diebstahl statt der ganzen Hand nur zwei Finger abgehackt werden? Oder hätte die Scharia nur in einigen der eroberten Städte zum bindenden Gesetz gemacht werden sollen?

Für solche Kompromissüberlegungen gibt es keinerlei Legitimation, denn die Besetzung des Nordens ist ein absolut undemokratischer Prozess gewesen. Außerdem sind die Islamisten bei der Bevölkerung verhasst. Die große Mehrheit der Malier will, obwohl sich mehr als 90 Prozent zum Islam bekennen, die islamische Gesetzgebung nicht. Sie fühlen sich von den Islamisten unterdrückt. Daher wäre es ein völlig falsches Signal, mit den Unterdrückern am Verhandlungstisch zu sitzen.

Katrin Gänsler ist Westafrika-Korrespondentin der taz. Sie hat Mali vielfach besucht und von dort berichtet, zuletzt mit der Reportage „Jede ist mal an der Reihe“ aus Mopti.

Andreas Zumach ist UN-und Schweiz-Korrespondent der taz mit Sitz in Genf. 2009 erhielt er den Göttinger Friedenspreis. 2005 schrieb er das Buch „Die kommenden Kriege“.

Das gilt auch für die beiden Terrorgruppen, die Bewegung für Einheit und Jihad in Westafrika (Mujao) sowie die al-Qaida im islamischen Maghreb (Aqmi). Es sind Terroristen, die Kämpfer aus den Nachbarländern, aber auch Afghanistan und Pakistan anlocken, und die sich unter anderem mit Entführungen von Europäern und einem offenbar gut strukturierten Drogenhandel in der ganzen Region finanzieren.

In einem Wüstengebiet wie im Norden Malis ist es völlig aussichtslos, diese Gruppierungen anders als mit einem groß angelegten Militäreinsatz zu bekämpfen. Die Region ist dünn besiedelt und für Fremde ein sandgelber Fleck. Es gibt nicht an jeder Ecke Polizeistationen oder Kasernen mit gut ausgebildetem Personal, das etwas gegen Terroristen unternehmen könnte.

Daher ist die Entscheidung Frankreichs, militärisch zu intervenieren, richtig. Natürlich heißt es nun: Die einstige Kolonialmacht spielt sich wieder auf. Aber wer hätte es sonst getan? Niemand! Auf internationaler Ebene ist monatelang ergebnislos diskutiert worden.

Viele Malier hat das wütend gemacht und verletzt: „In Libyen waren alle nach kurzer Zeit da. Aber für uns interessiert sich die Welt nicht“, hat es in Mali oft geheißen. Doch auf die Stimmung und die Befindlichkeiten im Land hört in Europa natürlich niemand.

Positive Nebenwirkung: Zugzwang für andere Länder

Nur Frankreich hat kapiert, dass es handeln muss, und in Mali wird das überwiegend begrüßt. Damit verbunden ist eine positive Nebenwirkung: Nun sind andere Länder im Zugzwang, sich an einem Einsatz in Westafrika zu beteiligen. Mehrere Staaten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas haben schon Soldaten geschickt. Nun sollten europäische Länder nachziehen – auch Deutschland.

Der Einsatz von deutschen Soldaten gemeinsam mit anderen europäischen Streitkräften würde Mali und der gesamten Region zeigen: Wir nehmen euch und eure Sorgen und Nöte ernst! Wir reden nicht mehr nur über Demokratie, hehre Ziele und politische Prozesse. Nein, wir sind bereit, uns die Finger schmutzig zu machen und ziehen den Kopf nicht ein, wenn es konkret wird.

Außerdem würde der Einsatz Vertrauen schaffen. Was nach europäischer Überheblichkeit klingt, stellt sich im afrikanischen Alltag anders dar: Deutsche Soldaten gelten als solide ausgebildet. Anders als bei den Franzosen bestehen zudem weder historische Verflechtungen noch strategische Machtspielchen. Mit diesen Vorteilen können übrigens weder die malische Armee – die vielleicht noch über 6.000 Soldaten verfügt – noch die Streitkräfte der Ecowas punkten. Alleine könnten sie den Kampf gegen Islamisten und Terroristen nicht gewinnen.

Das Land: Mali liegt in Westafrika am Niger. Bis 1960 war es französische Kolonie. Hauptstadt ist das im Südwesten gelegene Bamako. Im Nordosten liegt die Oasenstadt Timbuktu.

Rebellion: Im März 2012 stürzten meuternde Soldaten den damaligen Präsidenten Amadou Toumani Touré. Im April nutzten Tuareg-Rebellen die unklare Lage, eroberten den Nordosten des Landes und riefen den Staat Azawad aus. Seither war Mali faktisch zweigeteilt. Später übernahmen Islamisten die Führung im Nordosten, zerstörten zum Weltkulturerbe gehörende Mausoleen und führten die islamische Rechtsprechung nach der Scharia ein. Anfang Januar rückten sie nach Süden vor und nahmen die strategisch wichtige Stadt Konna ein.

Intervention: Nachdem Malis Präsident Boubacar Traoré um Hilfe gebeten hatte, schickte Frankreich am 11. Januar Soldaten, die die Rebellen zurückdrängen. Am Mittwoch starteten sie eine Bodenoffensive, um die Stadt Diabali zurückzuerobern.

Daher ist es höchste Zeit, dass sich Deutschland an einem Militäreinsatz beteiligt. Denn in diesem Fall gilt die abgedroschene Floskel, besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende, tatsächlich mal. KATRIN GÄNSLER

CONTRA

„Terroristen und islamistische Rebellen bekämpfen“; „Sezession verhindern und die territoriale Integrität des Landes wiederherstellen“; „Drogenschmuggel und Bandenkriminalität unterbinden“: Mit diesen Zielen rechtfertigt die französische Regierung ihre eskalierende Militärintervention „Operation Serval“ in Mali. Sie wird dabei zumindest politisch unterstützt von den demokratischen Regierungen des Westens ebenso wie von den autoritären Regimen Russlands und Chinas, die auf ihren Staatsgebieten ebenfalls Probleme haben mit radikalislamischen und sezessionswilligen Gruppierungen.

Mit ähnlichen und teilweise noch weiterreichenden Zielsetzungen (Stabilisierung, Frieden, Wiederaufbau, Demokratie Rechtsstaat, Menschen- und Frauenrechte) wurden fast alle Militärinterventionen und Kriege seit Ende des Ost-West-Konfliktes und insbesondere seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 Jahre begründet. Sei es in Tschetschenien, Afghanistan, Somalia, Irak oder anderswo.

Doch in keinem einzigen Fall wurden die proklamierten Ziele erreicht. Und schon gar nicht eine nachhaltige Befriedung der jeweiligen Konflikte durch Überwindung ihrer politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder anderweitigen Ursachen. Auch der von den USA seit nun schon fast 30 Jahren geführte Krieg zur Bekämpfung des Drogenanbaus in Mittelamerika ist gescheitert.

In einigen Fällen wirkten die militärischen Interventionen sogar kontraproduktiv und führten statt zur angestrebten Schwächung oder gar Vernichtung der jeweils bekämpften Gruppierungen zu ihrer Stärkung.

Angesichts dieser Erfahrungen steht zu erwarten, dass sich auch im aktuellen Fall Mali die Militärintervention als untaugliches Mittel zur Durchsetzung der proklamierten Ziele erweisen oder gar kontraproduktiv auswirken wird.

Zumal, wenn wesentliche Ursachen für die innenpolitische Krise in Mali sowie entscheidende Faktoren für die Stärkung der jetzt bekämpften islamistischen Gruppierungen weiter ausgeblendet bleiben: Mali war keineswegs der stabile demokratische Musterstaat, als der er in westlichen Medien häufig dargestellt wurde. Die Zentralregierung schürte durch jahrelange, systematische Benachteiligung des Nordens die Autonomie- bis Sezessionsbestrebungen der dortigen Tuareg.

Doch stark genug, um im April 2012 ihren eigenen Staat auszurufen, wurden die Tuareg-Befreiungsbewegung MNLA und die mit ihnen zunächst noch verbündeten islamistischen Gruppen erst dank der vielen Waffen aus dem libyschen Bürgerkrieg sowie dank mehrerer tausend aus Libyen geflohener Kämpfer, die zuvor Gaddafi unterstützt hatten.

Zweifel an Tauglichkeit der Intervention

An der Kontrolle dieser Waffen zeigte die damals von Frankreich, Großbritannien und den USA geführte Kriegsallianz gegen Gaddafi nach dessen Sturz ebenso wenig Interesse wie an der Verhinderung von Racheakten gegen Sympathisanten des früheren Regimes. Bei den jetzt von Frankreich bekämpften radikalislamischen Gruppierungen, die der gemäßigten, sufistisch-islamischen Bevölkerung Malis die Scharia aufzwingen, handelt es sich um Wahhabiten. Finanziert werden sie - ähnlich wie einst die Attentäter von 11./9. - vom Ölstaat Saudi-Arabien, dem wichtigsten Verbündeten des Westens im Nahen und Mittleren Osten.

Die Zweifel an der Tauglichkeit der militärischen Intervention in Mali zur Erreichung der proklamierten Ziele bestehen grundsätzlich - unabhängig davon, ob die Intervention allein von Frankreich geführt wird, oder von der EU, der Nato, der westafrikanischen Staatenallianz Ecowas oder einer UNO-Truppe. Doch die allein von der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich begonnene „Intervention im klassischen neokolonialen Stil schmutziger Afrikakriege“ (Dominic Johnson, taz 14. 1.) ist das denkbar ungünstigste Szenario. Denn es enthält das größte Rekrutierungspotenzial für die radikalislamischen und potenziell terrorbereiten Gruppierungen in ganz Nordwestafrika.

Die Intervention Frankreichs hat das größte Rekrutierungspotenzial für die radikalislamischen und potenziell terrorbereiten Gruppierungen in ganz Nordwestafrika. ANDREAS ZUMACH

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