Mit dem Nachtzug von Berlin nach Wien: Schlafen in der Konservenbüchse

Zwölf Stunden im Liegewagen unterwegs von Berlin nach Wien: ohne Internet, ohne Steckdosen, ohne Speisewagen. Aber mit Joint auf dem Klo.

Ein Zug mit hellerleuchteten Fenstern fährt durch die Morgen- oder Abenddämmerung

Ein ÖBB-Nachtzug rauscht durch die Dämmerung Foto: imago/Mc Photo

Hauptbahnhof. 18.59 Uhr. Der Zug Richtung Wien setzt sich langsam in Bewegung. Auf geht’s – zwölf Stunden bis zu meinem Ziel. Ich drängle durch volle Gänge zu meinem Liegeplatz, der im Moment noch wie ein normales Abteil mit sechs Sitzen aussieht. Eine redefreudige Berlinerin und drei Männer haben ihre Plätze schon eingenommen. In Berlin Südkreuz steigt noch ein korpulenter älterer Herr zu, es wird eng. Ich schiele auf die Reservierungsschilder mit den Namen und rätsle, wer in dieser kuschligen Nähe neben mir schlafen wird.

In zwei Stunden wird die junge Frau das Zugpersonal bitten, die Liegen herunterzuklappen. Sie wird sagen, dass sie in der Nacht feiern war und nicht genug geschlafen hat. Dann wird sie in aller Ruhe einen Joint drehen, fragen, ob jemand mitrauchen möchte, und auf dem Klo verschwinden. Rauchmelder? Fehlanzeige. WLAN? Sowieso nicht. Speisewagen? Auch nicht. Die junge Frau wird zurückkommen, sich auf die unterste Liege legen und die nächsten Stunden verschlafen.

Währenddessen trinken die Männer Bier vor dem Abteil und sind dabei alles andere als leise. Ich klettere über die wacklige Leiter auf den obersten linken Platz, höre Musik und döse vor mich hin. Die kleine Tasche mit Pass, Geld und Handy platziere ich lieber mal neben meinem Kopf.

Die Luft riecht nach Bieratem und ist stickig

Eine ruckartige Bewegung reißt mich aus dem Halbschlaf. Der ältere Mann quetscht die Leiter hoch und lässt sich auf die benachbarte Liege plumpsen. Er nimmt beinahe den gesamten Zwischenraum ein. Ihn scheint es jedoch nicht groß zu stören, dass er auf der schmalen Fläche kaum Platz hat. Kurze Zeit später ertönt gleichmäßiges Schnarchen. Auch die anderen liegen mittlerweile in ihren Betten. Die Luft in dem kleinen Raum riecht nach Bieratem und ist stickig.

Croissant im Zug oder WLAN im Bus

Břeclav. 3.49 Uhr. Der Schaffner sagt durch, dass der Zug nun getrennt wird. Ein Teil fährt nach Budapest, der andere nach Wien. Man möge darauf achten, sich im richtigen Teil aufzuhalten. Der Zug nach Österreich wird jetzt zwei Stunden stehen.

Nachtzüge sind umweltfreundlich – und vom Aussterben bedroht. Die taz stellt deshalb ab sofort in unregelmäßigen Abständen Verbindungen mit Schlaf- oder Liegewagen vor. Denn viele Angebote sind kaum bekannt. Wir schreiben aber auch, was noch besser werden muss, damit Nachtzüge für noch mehr Menschen attraktiver werden. (jma)

Das Schnarchen neben mir hat mittlerweile eine ungesunde Lautstärke angenommen und mein iPod-Akku ist leer. Ich mache mich auf die Suche nach einer Auflademöglichkeit. Auf dem schmalen Gang vor den Abteilen, der mit Koffern voll gestellt ist, werde ich fündig. Doch amerikanische Eurail-Touristinnen haben die einzige Steckdose des Waggons in Beschlag genommen. Schlecht gelaunt krieche ich zurück in die Konservenbüchse und werde kurz vor Wien von mindestens genauso schlecht gelauntem Zugpersonal geweckt, das mir ein Croissant in die Hand drückt.

Wien, Hauptbahnhof. 7.02 Uhr. Das online gebuchte Sparticket für 39 Euro hat mich pünktlich nach Wien gebracht. Wenn ich mit dem Bus fahre, bekomme ich vielleicht kein Croissant, zahle aber kaum die Hälfte und bin drei Stunden früher da. Außerdem gibt es WLAN und Steckdosen. Irgendetwas macht die Deutsche Bahn falsch.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.