Mit den Bürgern im Dialog: Retrokitsch oder grüne Weite

Bei der künftigen Nutzung der Historischen Mitte liegt auch die Koalition weit auseinander. Mehrere Monate lang sollen die Bürger nun diskutieren.

Markiert auch weiter die Mitte Berlins: der Fernsehturm. Bild: dpa

Es wird ein sehr ausführliches Gespräch werden müssen, jener Bürgerdialog zur historischen Mitte, der nun angelaufen ist. „Da haben die Berliner ja ganz schön was zu tun angesichts der Gräben, die sich hier zwischen den Koalitionsfraktionen auftun“, lästerte die Linkspartei-Abgeordnete Carola Blum am Donnerstagvormittag im Plenarsaal. Tatsächlich gehen die Vorstellungen über die künftige Gestalt des Areals zwischen Bahnhof Alexanderplatz und Spree nicht nur zwischen Regierung und Opposition, sondern teils auch zwischen Abgeordneten einer Partei auseinander.

Wenige Tage nach dem offiziellen Auftakt des Bürgerdialogs „Alte Liebe – neue Mitte?“ – einem Mix aus Debatten, Workshops, Spaziergängen und einer Ausstellung – begrüßten zwar alle Fraktionen den Versuch, auf diese Weise einen seit Jahrzehnten währenden Streit zu beenden. Ein halbes Jahr soll der Dialog dauern, die Entscheidung soll vor Jahresende im Abgeordnetenhaus fallen.

Doch während die CDU viel Wert auf die bürgerliche Vergangenheit der Berliner Mitte legte, wollen Grüne und Linksfraktion von einer dichteren Bebauung nichts wissen, schon gar nicht einer im historischen Stil. Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek zeigte sich zudem skeptisch, dass der Koalition wirklich an Bürgerbeteiligung gelegen sei: Den Dialog starte die doch bloß wegen des aus ihrer Sicht verlorenen Volksentscheids zum Tempelhofer Feld im Mai 2014. Was die SPD damit konterte, das Geld für den Dialog habe das Parlament schon Ende 2013 beschlossen.

Inhaltlich wiederum ist die SPD-Fraktion noch nicht festgelegt. Ihre stadtentwicklungspolitische Sprecherin Ellen Haußdörfer sprach ausdrücklich nur für sich selbst und ihren Kollegen Daniel Buchholz, als sie für einen „grün geprägten Raum“ warb. Das wiederum passt wenig zu den Vorstellungen, mit denen der SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß 2013 überrascht hatte. Er hatte sich für Wohnungsbau ausgesprochen, der zwar in moderner und zeitgemäßer Architektur daherkommen, sich aber am historischen Stadtgrundriss orientieren soll.

Die Piratenfraktion hingegen hielt sich komplett bedeckt. „Wir wollen die Diskussion nicht mit eigenen Ideen vorbelasten“, sagte ihr stadtentwicklungspolitischer Sprecher Wolfram Prieß.

Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) wiederum hält es nicht für verboten oder falsch, trotz eines offenen Dialogs Position zu beziehen: „Ergebnisoffen heißt nicht meinungslos.“ Diese These fand sich am stärksten in zwei Sätzen wieder. Zum einen sagte Geisel: „Die Weiterentwicklung des Rathausforums liegt nicht im Städtebau des 17., 18. oder 19. Jahrhundert.“ Zum anderen kann er aber auch mit einer begrünten Freifläche nichts anfangen: „Mein Herz hängt nicht an Aufmarschplätzen der ehemaligen SED.“

www.stadtdebatte.berlin.de

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