Mitt Romney in Miami: Un presidente excelente

Entscheidungstag in Florida: Bei den Vorwahlen buhlen die republikanischen Kandidaten um die Latinos. Keine Wählergruppe wächst in den USA schneller.

Floridas Latinos, wie diese Puertoricanerin, sind heiß umkämpft bei den republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Bild: dapd

MIAMI taz | "Hablas español?", fragt der kleine alte Mann zurück. An seinem Hemd prangt ein Sticker für Romney als Präsident. Als der große blau-weiße Bus vorfährt und den Kandidaten samt Gattin sowie einen Sohn und einen Enkel ausspuckt, skandiert der Mann zusammen mit Hunderten von Umstehenden zwei Worte zur Begrüßung: "USA – USA." Und: "Mitt – Mitt." Mehr gibt das Englisch der Älteren auf dem Platz nicht her.

Der 74-jährige Angel Avalo lebt seit mehr als drei Jahrzehnten im Stadtteil Hialeah, einer Hochburg der Exilkubaner von Miami. "Hier sprechen alle Spanisch", sagt er.

Als junger Mann hat er in den Bergen von Escambray in Kuba gegen Castro gekämpft. Nach 17 Jahren Gefangenschaft ging er in die USA ins Exil. An diesem Sonntag vor den Primaries steht er mit seiner Frau Lidia, die in Miami landete, nachdem sie dem sandinistischen Nicaragua den Rücken gekehrt hat, in der Menschenmenge in Hialeah und schwenkt ein kleines US-Fähnchen.

Die vier Millionen Mitglieder der republikanischen Partei Floridas stimmen heute über ihre Präferenz für den Präsidentschaftskandidaten ihrer Partei ab. Vier Republikaner bewerben sich in Florida: der Risikokapital-Unternehmer Mitt Romney (64), dessen Privatvermögen auf rund 250 Millionen Dollar geschätzt wird, Newt Gingrich (68), der militaristische Töne gegen die "Bösewichte" in Lateinamerika und Iran anschlägt, der katholische Fundamentalist Rick Santorum (53) und der texanische Abgeordnete im US-Repräsentantenhaus und Gynäkologe Ron Paul (76). Alle vier wollen die Steuern senken und staatliche "Einmischungen" in das Wirtschaftsgeschehen radikal beschneiden.

Nach den letzten Umfragen bekommt Romney in Florida rund 42 Prozent der Stimmen, Gingrich 27, Santorum 16 und Paul 11 Prozent. Die 50 US-Bundesstaaten organisieren ihre Vorwahlen unterschiedlich: Manche haben ein Proporzwahlrecht, in anderen dürfen WählerInnen unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit mitstimmen oder es sind sowohl RepublikanerInnen als auch registrierte Unabhängige zugelassen.

In Florida dürfen nur registrierte Mitglieder der Partei mitstimmen, und es gilt die Regel "The winner takes it all". Das bedeutet: Der Sieger der heutigen Primaries bekommt sämtliche 50 Delegierte für den Parteikonvent, der im Hochsommer den offiziellen Präsidentschaftskandidaten der Republikaner bestimmt. Sollte Romney gewinnen, wäre es sein zweiter Vorwahl-Sieg nach New Hampshire.

"Obama bringt es nicht, er ist Kommunist", sagt Avalo. "Er ist Sozialist", korrigiert ihn seine Frau. Beide sind sich einig, dass es in Miami "nicht genug Arbeit" gibt. Und nicht genug Stipendien für Studenten wie ihren Sohn, von dem Avalo zwei Bilder in der Brieftasche mit sich trägt. Avalo ist überzeugt, dass Romney diese Missstände ändern wird. Es irritiert ihn nicht, dass sein Kandidat angekündigt hat, er werde sparen und die Staatsausgaben kürzen.

Briefe für den Republikaner

Wie die meisten anderen, die an diesem feucht-warmen Sonntag auf dem Platz in Hialeah stehen, hat Avalo seine Stimme schon vor Tagen per Briefwahl abgegeben. Damit folgen sie der Empfehlung der ebenfalls aus Lateinamerika stammenden Ratsleute und dem Rat des republikanischen Dreigestirns, das seit beinahe einem Vierteljahrhundert ihre Interessen im Repräsentantenhaus in Washington vertritt. Die Abgeordneten Ileana Ros-Lehtinen und die Gebrüder Diaz-Balart stehen an diesem Nachmittag ebenfalls auf dem Podium. Lincoln und Mario Diaz-Balart sind Neffen der ersten Gattin von Fidel Castro und zugleich ein permanentes Echo aus den USA auf die beiden anderen Brüder in Havanna.

Buhlen im Wählerstimmen: Mitt Romney in Florida. Bild: reuters

"Hialeah presente", ruft ein Ratsherr mit dunkel gefärbtem Haar ins Mikrofon und fährt – ebenfalls auf Spanisch – fort: "Willkommen in der republikanischsten Stadt der USA." Romney, der bei anderen Wahlkampfauftritten über leere Bühnen hin und her geht, hat an diesem Nachmittag viel Körperkontakt: "Un presidente excelente."

Ein Diaz-Balart-Bruder begrüßt ihn als "nächsten Präsidenten der USA". Ros-Lehtinen spricht von der mit Romney bevorstehenden großen Veränderung. Begründung: "Er macht einen Unterschied zwischen Alliierten und Feinden." Dann zählt sie Namen demokratisch gewählter Regierungs- und Staatschefs in Nachbarländern im Süden des Kontinentes auf. Das Publikum buht alle aus: Chávez. Morales. Ortega.

Das große Ziel: Obama abwählen

Vielen im Publikum sind die aggressiven außenpolitischen Thesen von Newt Gingrich sympathischer als Romney. Aber sie glauben nicht, dass er eine Chance hätte, gegen den aktuellen Präsidenten zu gewinnen. Und Obamas Abwahl ist in diesem Kreis das oberste Ziel. Darin unterscheiden sich die Kubaner von Miami kein bisschen von anderen Republikanern.

Und wie gebärdet sich Romney? Für ihn ist es ein Auftritt im sprachlichen Ausland. Als er selbst an die Reihe kommt, übergibt er das Mikrofon seinem jüngsten Sohn. "Mein Papa spricht kein Spanisch", sagt Craig Romney auf Spanisch ins Mikrofon: "aber er versteht etwas von Wirtschaft, von Wohlstand und von Freiheit." Dann beschreibt er einen Vater, der viele Erfolge habe, aber seine beste Rolle zuhause spiele: "in den eigenen Wänden, in der Familie".

Ohne Newt Gingrich namentlich zu nennen, stellt er damit nebenbei auch den zweimal geschiedenen und zweimal konvertierten Rivalen seines Vaters bloß. Das Publikum klatscht begeistert. Craig Romney glänzte in der vergangenen Woche täglich mit solchen Auftritten, die ans Gemüt der als familienorientiert geltenden Hispanics appellieren. Seine Spanischkenntnisse hat er als Mormone erworben. Ein Mormone muss zwei Jahre lang im Ausland missionieren. Romney senior hat das Ende der sechziger Jahre in Paris getan. Der Sohn in Chile.

Heiß umworbene Wähler

Doch nicht nur Romney, sondern alle vier republikanischen Kandidaten haben die "Hispanics" von Florida umworben wie keine andere Wählergruppe. In Florida stellen sie 22,5 Prozent der Bevölkerung. Neben den Millionen von Rentnern, die aus dem Norden gekommen sind, haben sie den "Sunshine State" aus dem Süden verstärkt. In nur einem halben Jahrhundert ist Floridas Einwohnerzahl von 5 auf 19 Millionen gewachsen. Und die "Hispanics" sind in sämtliche gesellschaftliche Sphären gerückt.

Darum haben in Florida alle vier Kandidaten von der Notwendigkeit einer neuen Migrationspolitik gesprochen. Haben spanischsprachige Werbung geschaltet. Haben angekündigt, sich stärker um Lateinamerika zu kümmern. Und haben um Senator Marco Rubio gebuhlt. Sie haben ihm einen Spitzenjob in ihrer künftigen Regierung in Aussicht gestellt.

Der vierzigjährige Sohn von kubanischen Arbeitern in Miami hat eine Tellerwäscherkarriere gemacht, seit er im November 2010 auf der Tea-Party-Welle in den Senat kam. Zwar musste er inzwischen seine Geschichte korrigieren, nach der sein eigener Vater vor dem Kommunismus geflohen sei: Seine Eltern haben die Insel schon vor der Revolution verlassen. Doch seiner politischen Karriere tat das keinen Abbruch. Seine Vorzüge sind: Er ist jung, hispanic, gilt in republikanischen Kreisen als besonnen. Als Tea-Partier kann er zudem auch für die wütende Basis sprechen. Doch Rubio drückt sich noch vor der erhofften Wahlempfehlung.

Jobs statt Immigrationspolitik?

Stattdessen rückt er die vier Kandidaten zurecht. Kritisiert Gingrich, als der Romney vorwirft, er sei "immigrationsfeindlich". Und sagt am Freitag vor den Vorwahlen bei einer Konferenz der republikanischen Lobbygruppe "Hispanic Leadership" in Miami: "Die Immigration ist nicht unser erstes Anliegen. Unser erstes Anliegen sind Jobs."

Dazu muss man wissen: Miamis Kubaner hatten und haben es mit einer vergleichsweise privilegierten Situation zu tun. Die USA haben alle Kubaner - inklusive die 125.000 "Marielitos", die 1980 kamen - mit Papieren versorgt. Und bis heute gilt für Kubaner die Regel: Wer es schafft, einen Fuß auf US-Boden zu setzen, darf bleiben. Ebenfalls großzügig empfangen wurden Flüchtlinge aus Kolumbien, Nicaragua und zuletzt aus Venezuela.

Die schweigende Mehrheit der Illegalen

Unterdessen leben 11 Millionen andere Einwanderer in den USA – darunter eine Mehrheit von Mexikanern und Millionen von in den USA aufgewachsenen Jugendlichen – in einer rechtlosen Lage ohne jede Aussicht auf legale Papiere. Sie sind so zahlreich wie die in Kuba lebenden Kubaner.

Alle Anwälte, Unternehmer, die Chefs spanischsprachiger Sender und Wissenschaftler, die in Miami bei der "Hispanic Leadership"-Konferenz Rubios Rede hören, kennen jemanden, der "illegal" in den USA ist oder der erst gar nicht ins Land kommt. Sie wissen, dass die Immigrationspolitik nicht funktioniert. Aber den Mut, einen neuen Reformanlauf zu unterstützen, den haben sie nicht.

Was die Hispanic Republicans abschreckt, sind die beiden gescheiterten letzten Versuche, Migrationsreformen einzuleiten. Der eine unter George W. Bush. Der andere unter Obama. Vorsichtshalber wollen sie es beim nächsten Anlauf anders versuchen: mit vorübergehenden Aufenhaltsgenehmigungen. Und mit der Hoffnung, dass die 11 Millionen "Illegalen" das Handtuch schmeißen, wenn sie keine Jobs, keine Versicherung und keine Sozialleistungen mehr bekommen. Und aus eigenem Antrieb die USA verlassen. "Self-Deportation" nennt der Kandidat Romney diese Politik.

"Self-Deportation" als Lösung?

Für die 46-jährige Claudia* ist eine "Self-Deportation" undenkbar. Sie ist 2001 mit ihren beiden Söhnen aus Chile gekommen. Damals konnte sie noch auf eine relativ unkomplizierte Amnestie hoffen. Doch das war, wie sie sagt, "vor den Türmen". Seit den Attentaten von New York leben Claudia und ihr jüngster Sohn unverändert "illegal" in Miami. Nur ihr älterer Sohn hat es "geschafft". Er hat kürzlich eine US-Amerikanerin geheiratet und ist zu einem Staatsangehörigen des Landes geworden, in dem er aufgewachsen ist.

Claudia darf nicht wählen. Wenn sie dürfte, würde sie Obama eine neue Chance geben, auch wenn er 2008 eine Migrationsreform versprach, die nicht kam. "Ohne die Republikaner hätte er es geschafft", meint sie.

*Name von der Redaktion geändert

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