Mobiles Betriebssystem iOS 4.0 im Test: Apple entstaubt iPhone

Vielseitiger und aufgeräumter soll das neue iOS 4.0 sein. Aber auch mehr Werbung und weniger Privatsphäre erwartet die iPhone-Besitzer. Ein gelungener Wurf?

Der Hype lebt: Die vierte Generation ist ab sofort im Handel. Bild: dpa

Am Donnerstag kommt Apples neues iPhone in die Läden – und der Hype ist mal wieder kaum zu ertragen. Wer bereits ein Vorgängermodell besitzt, kann sich allerdings entspannt zurücklehnen: Diverse der neuen Funktionen, mit denen Apple seine frische Hardware an den Mann bringen will, lassen sich per Software-Update auch älteren Geräten aneignen. Das über 300 Megabyte schwere Paket nennt sich iOS 4.0 und ist seit Montagabend übers Internet verfügbar – und zwar kostenlos.

Die Aktualisierung bringt einige Features, die sich iPhone-Nutzer seit langem wünschen. So erbarmte sich Apple endlich, eine Ordnerstruktur für Programme einzuführen. Das "Folder"-Feature erlaubt mit wenigen Fingerstreichen das Anlegen von App-Sammlungen und sorgt so insbesondere bei Programmjunkies für mehr Ordnung. Allerdings passen aus unerfindlichen Gründen nur jeweils zwölf Apps in einen Ordner – so wird aus App-Chaos möglicherweise ein Folder-Chaos.

Wichtiger als die Ordner ist die Möglichkeit, mehrere Programme gleichzeitig auszuführen – technisch Multitasking genannt. Das ging beim iPhone bislang nur mit von Apple ausgelieferten Programmen, nicht mit Apps von Dritten. Nun kann man deutlich schneller zwischen Apps hin und her wechseln oder gestreamter Musik lauschen, während man andere Programme nutzt.

Damit das Multitasking auch wie gewünscht läuft, müssen Programmierer ihre Software indes zunächst anpassen. Das geschieht auch: Seit einigen Tagen läuft im App Store eine große Aktualisierungswelle. Praktisch sieht das dann beispielsweise so aus, dass die Handy-Navigationslösung TomTom ihre Routenhinweise auch dann geben kann, wenn man gerade im Internet surft oder ein Spiel spielt; auch Internet-Telefonieprogramme können im Hintergrund Gespräche annehmen, was sich demnächst Skype zunutze machen will.

Neu sind auch diverse kleine Verbesserungen bei der Mail-, Fotos-, Musikspieler- und Kamera-Anwendung. So kann man Kamerabilder zoomen, Videos scharfstellen und Playlisten direkt auf dem Gerät erstellen, eine einheitliche Inbox nimmt Nachrichten von mehreren Mail-Konten entgegen. Verfügbar auf dem iPhone ist jetzt außerdem die iBooks-Anwendung von Apple für elektronische Bücher. Sie muss allerdings extra heruntergeladen werden.

iOS 4.0, das neben den neuen Funktionen auch diverse Sicherheitslücken schließt, läuft in voller Pracht nur auf den aktuellen iPhone-Generationen 3GS und 4 sowie dem jüngsten iPod touch. Wer die jeweils zweite Version beider Gerätelinien besitzt (iPod touch 2G und iPhone 3G) kriegt die neuen Features nur teilweise: So fehlt etwa das lang ersehnte Multitasking, was Apple mit zu wenig Speicher der alten Modelle begründet. Auch der sonst recht flotte Aktualisierungsprozess ist umständlicher: Ein iPod touch 2G verbrachte im taz.de-Test fast eine Stunde mit dem Update, weil zunächst alle Daten gesichert und dann wieder aufgespielt werden mussten.

Immerhin kostet iOS 4.0 diesmal für den iPod touch nichts. Zuvor hatte Apple für jede Aktualisierung ein paar Euro verlangt und das mit buchhalterischen Zwängen begründet. Die erste Generation von iPhone und iPod touch bleibt indes offiziell ganz ohne das neue Betriebssystem, allerdings hat die Hackerszene bereits mögliche Lösungen angekündigt. Wie praktisch nutzbar die sein werden, sei dahingestellt.

Überhaupt ist die "Jailbreaker"-Gemeinde bereits mit Apples neuestem Betriebssystem zugange, erste Programme, die nur auf gehackten iPhones laufen, wurden für die frische Version bereits angepasst.

Potenziell weniger schön an iOS 4.0 ist, dass mit dem neuen Betriebssystem auch Apples neues Werbeformat iAds auf dem Gerät Einzug hält, bei der Reklame von Entwicklern direkt in Apps platziert werden können. Zwar verspricht der Computerkonzern, diese so wenig nervig wie möglich zu gestalten – etwa indem man direkt wieder in sein Programm zurückkehren kann –, doch datenschutztechnisch wirft iAds allerlei Fragen auf. So bietet Apple seinen Werbekunden, die im zweiten Halbjahr mindestens 60 Millionen Dollar in die iPhone-Reklame investieren wollen, sogenannte interessensbasierte Anzeigen. Dabei ist es möglich, Werbung anhand der Einkäufe und Interessen im iTunes-Laden auszurichten. Immerhin bietet Apple hier die Möglichkeit des Ausschaltens (Opt-out): Dazu muss man mit dem Gerät die Adresse "oo.apple.com" aufrufen.

Nicht verhindern lässt sich allerdings, dass Apple anonymisierte Ortsdaten der Handy-Besitzer sammelt – laut Privacy Policy unter anderem um das "Angebot zu verbessern". Hier ist Apple nicht allein – auch Google und Palm genehmigen sich solche Infos. Zudem geht aus der Datenschutzpolitik nicht hervor, ob Apple sich damit das Einverständnis holt, ortsbasierte Dienste, wie Kartenservices, anbieten zu können. Noch hat sich das Unternehmen nicht explizit zu dem umstrittenen Punkt geäußert.

An anderer Stelle macht iOS 4.0 den Schutz der Ortsdaten indes leichter: Mit der neuen Version wird in den Einstellungen stets angezeigt, wenn eine Anwendung in den letzten 24 Stunden Zugriff auf den eingebauten GPS-Chip hatte. Die Nutzung der Ortsdaten muss man bei Apps weiterhin explizit bestätigen.

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